Leitsatz (amtlich)
Stiefschwiegerkinder sind Schwiegerkinder im Sinne des § 15 Abs.1 Steuerklasse III Nr.6 ErbStG 1974.
Normenkette
ErbStG 1974 § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Hamburg (Entscheidung vom 20.08.1986; Aktenzeichen II 194/83) |
Tatbestand
Die Klägerin ist Miterbin des 1982 verstorbenen Stiefvaters ihres Ehemannes. Das beklagte Finanzamt (FA) hat ihren Erwerb nach Steuerklasse IV besteuert. Nach erfolglosem Einspruch hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht, ihr Erwerb sei nach Steuerklasse III zu versteuern. Da eheliche Kinder und Stiefkinder erbschaftsteuerrechtlich gleichbehandelt würden (Anwendung der Steuerklasse I), müßte der Begriff der Schwiegerkinder dahin ausgelegt werden, daß er auch die Stiefschwiegerkinder erfasse. Daher sei Steuerklasse III anwendbar.
Während des Klageverfahrens hat das beklagte FA einen Änderungsbescheid erlassen und die Erbschaftsteuer unter Anwendung der Steuerklasse IV festgesetzt. Dieser Bescheid ist auf Antrag der Klägerin Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Die Klägerin hat beantragt, die Erbschaftsteuer herabzusetzen. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 37). Es ist der Meinung, daß zu den in Steuerklasse III fallenden Schwiegerkindern nicht der Ehegatte eines Stiefkindes im Verhältnis zu seinem Stiefelternteil gehört.
Die Klägerin hat Revision eingelegt, die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden war.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Herabsetzung der Erbschaftsteuer in dem beantragten Ausmaß. Der Erwerb ist nach Steuerklasse III zu besteuern.
Das Erbschaftsteuergesetz 1974 ging in seiner ursprünglichen Fassung --ErbStG 1974 a.F.-- (im Anschluß an das frühere Recht) erkennbar von einem weiten Begriff der Kinder aus. Als Kinder i.S. des § 15 Abs.1 Steuerklasse I ErbStG 1974 a.F. galten neben den ehelichen Kindern die nichtehelichen Kinder, die Adoptivkinder, die sonstigen Personen, denen die rechtliche Stellung ehelicher Kinder zukam, sowie die Stiefkinder. Das Gesetz verwendete einen eigenständigen Begriff der Kinder, der das Bestehen verwandtschaftlicher Verhältnisse im zivilrechtlichen Sinne nicht zwingend voraussetzte, wie die Einbeziehung der Stiefkinder in den Kinderbegriff zeigt, die mit dem Stiefelternteil nur verschwägert sind (vgl. § 1590 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Das bedeutet, daß die sog. Stiefverwandtschaft (vgl. zu diesem Begriff Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 1590 Tz.1) in § 15 Abs.1 Steuerklasse I ErbStG 1974 a.F. steuerrechtliche Anerkennung gefunden hat.
Aus der weiten Fassung des Begriffes der Kinder ist abzuleiten, daß auch Folgerungen für die Auslegung anderer in § 15 Abs.1 ErbStG 1974 a.F. verwendeter Begriffe zu ziehen sind. Dies gilt vor allem auch für den Begriff der Schwiegerkinder i.S. des § 15 Abs.1 Steuerklasse III ErbStG 1974 a.F.
Schwiegerkind ist der Ehegatte eines Kindes im Verhältnis zu dessen Eltern. Ist jemand im Sinne des ErbStG 1974 zivilrechtlich Kind eines Elternteils und Stiefkind des anderen Elternteils und damit Kind i.S. des § 15 Abs.1 ErbStG 1974 beider genannter Elternteile, so ist es bei dieser rechtlichen Vorgabe folgerichtig, daß die beiden genannten Elternteile Schwiegereltern des Ehegatten des Kindes sind. Daraus folgt, daß Schwiegerkinder im Sinne des ErbStG 1974 auch die Stiefschwiegerkinder sind.
Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht daraus, daß § 15 Abs.1 Steuerklasse I ErbStG im Jahre 1980 neu gefaßt worden ist und unter Nr.2 nunmehr dem Wortlaut nach Kinder und Stiefkinder fallen. Es ist nicht erkennbar, daß dadurch der Begriff der Stiefkinder aus dem Bereich der Kinder, wie er bisher als Oberbegriff galt, herausgenommen werden sollte. Ausweislich der Regierungsbegründung ergab sich diese Änderung zusammen mit anderen Änderungen als Folge des neuen Adoptionsrechts (BTDrucks 8/3688 zu Art.7 zu Nr.2). Sie bestätigte die bisherige Sachbehandlung. Da weitergehende Absichten mit der Änderung nicht beabsichtigt waren, besteht auch keine Notwendigkeit, für die Neufassung eine andere Auslegung des Begriffs der Schwiegerkinder zu wählen als für die ursprüngliche Fassung des § 15 Abs.1 Steuerklasse III ErbStG 1974.
Fundstellen
Haufe-Index 62585 |
BFH/NV 1989, 47 |
BStBl II 1989, 898 |
BFHE 158, 93 |
BFHE 1990, 93 |
BB 1990, 49 |
BB 1990, 49-49 (LT1) |
DB 1989, 2519 (LT) |
HFR 1990, 30 (LT) |
WPg 1990, 14 (S) |
StRK, R.7 (LT) |
UVR 1989, 379 (K) |
FamRZ 1990, 291 (LT) |
FuR 1990, 111 (S) |