Kindergeld für Stiefkinder unabhängig vom Fortbestand der Ehe
Im Rahmen eines Klagefalls vor dem FG Baden-Württemberg bestand eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Im gemeinsamen Haushalt lebten neben den beiden leiblichen Kindern der Klägerin auch die leiblichen Kinder der Lebenspartnerin, die mit Eintragung der Lebenspartnerschaft Stiefkinder der Klägerin wurden. Nach einigen Jahren erfolgte die Trennung. Die Lebenspartnerin der Klägerin zog mit ihren leiblichen Kindern aus. Später zog eines der Kinder zunächst zum Vater, dann aber wieder in den Haushalt der Klägerin.
Die Klägerin beantragte für das Kind Kindergeld, welches die Familienkasse ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, das Kind könne nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht mehr berücksichtigt werden, da das Kind nach der Scheidung nicht im Haushalt der Klägerin verblieben sei, sondern in den Haushalt der leiblichen Mutter und danach in den Haushalt des Vaters aufgenommen worden sei. Das Stiefkindschaftsverhältnis sei mithin "aufgelöst" worden. Die Wiederaufnahme des Kindes in den Haushalt der Klägerin begründe kein neues Stiefkindschaftsverhältnis.
DA-KG A 12 Abs. 2: Durchgehend im Haushalt Voraussetzung?
Diese Begründung stimme überein mit der Dienstanweisung-Kindergeld wo in der Folgendes geregelt ist: "Stirbt der Ehegatte des Berechtigten oder wird die Ehe geschieden bzw. aufgelöst oder die Lebenspartnerschaft aufgehoben, und verbleibt das Kind im Haushalt des bisher Berechtigten, erfüllt das Kind weiterhin das Kriterium 'Kind des Ehegatten.'" Daraus ergebe sich, dass ein Kindergeldanspruch nur bejaht wird, wenn das Kind nach der Scheidung durchgehend im Haushalt des Stiefelternteils verbleibt.
FG Baden-Württemberg bejaht Kindergeldanspruch
Das FG Baden-Württemberg ( Gerichtsbescheid vom 04.08.2023 - 13 K 254/23) legt § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dagegen dahingehend aus, dass zu den Kindern des Ehegatten bzw. Lebenspartners auch die Kinder des verstorbenen oder geschiedenen Ehegatten bzw. Lebenspartners zählen, und zwar unabhängig davon, ob diese "durchgehend" im Haushalt des Stiefelternteils verbleiben.
Für diese Auslegung spreche die gesetzliche Regelung des § 1590 BGB i. V. m. § 1589 BGB, wonach die Klägerin mit ihrem Stiefkind im ersten Grad verschwägert ist. Die Schwägerschaft dauerte nach dem klaren Wortlaut des § 1590 Abs. 2 BGB fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne das "Stiefkindschaftsverhältnis" mithin schon aus Rechtsgründen nicht erlöschen.
Etwaigen Besonderheiten im Hinblick auf die "Stiefkindseigenschaft" und die Abgrenzung der Kindergeldberechtigung zwischen verschiedenen Berechtigten werde nach Auffassung des FG insbesondere durch das Kriterium der Haushaltsaufnahme in § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG und § 64 Abs. 2 EStG Rechnung getragen. Gründe für eine Differenzierung dahingehend, ob das Stiefkind nach Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft im Haushalt des Stiefelternteils "durchgehend verbleibt" oder zwischenzeitlich auszieht, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das FG weist diesbezüglich auch darauf hin, dass DA-KG A 12 Abs. 2 den vorliegenden Fall auch nicht negativ regelt. Vielmehr regele sie ausschließlich den Fall, dass das Kind nach Auflösung der Ehe durchgehend beim Stiefelternteils verbleibt. Jedenfalls dann erfülle das Kind weiterhin das Kriterium "Kind des Ehegatten".
Gegenteilige Auffassung des 14. Senats
Der 13. Senat geht auch auf eine gegenteilige Auffassung des 14. Senats (Gerichtsbescheid vom 01.03.2000 - 14 K 293/98) ein, Soweit ersichtlich sehe der 14. Senat die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG darin, dass solange die Stiefkinder im gemeinsamen Haushalt des leiblichen Elternteils und des Stiefelternteils leben, noch ein Obhutsverhältnis zum leiblichen Elternteil fortbestehe.
Die Vorschrift schließe insoweit eine gesetzliche Lücke für Stiefkindschaftsverhältnisse, welche mit der Trennung der Ehegatten entfalle. Nach Auffassung des 13. Senats greife diese Auslegung aber zu kurz. Sie reduziere die Vorschrift auf eine Art "verwaltungstechnische Zuordnungsmöglichkeit" der Kinder im Rahmen einer neuen Ehe und lasse den Aspekt außer Betracht, dass das Kindergeld der steuerrechtlichen Freistellung des Familienexistenzminimums und der Förderung der Familie dient. Diese Entlastung und Förderwirkung solle grundsätzlich zunächst derjenigen Person zukommen, welche das Kind in seinen Haushalt aufgenommen, diesem Unterhalt gewährt und in seine Familie integriert hat.
Revisionsverfahren
Da noch keine höchstrichterliche Klärung zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Stiefkinder auch nach Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft weiterhin berücksichtigungsfähig sind, vorliegt, hat das FG die Revision zugelassen. Die Revision wurde aber – soweit ersichtlich – nicht eingelegt.
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