Leitsatz (amtlich)
1. Die für die Einheitsbewertung maßgebende Jahresrohmiete umfaßt auch eine Umlage der Kosten für die Wasserversorgung auf die Mieter. Die Einbeziehung dieser verbrauchsabhängigen Umlage in die Jahresrohmiete verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
2. Der Umstand, daß die Bewirtschaftungskosten im Einzelfall den in den Vervielfältigern pauschal berücksichtigten Anteil an diesen Kosten übersteigen, rechtfertigt nicht eine Ermäßigung des Grundstückswerts.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BewG 1965 § 79 Abs. 1 S. 2, § 82 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines Mietwohngrundstücks. Für dieses Grundstück hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) zum 1. Januar 1964 durch Hauptfeststellung einen Einheitswert von 57 000 DM festgestellt. Dieser Wert wurde im Ertragswertverfahren auf der Grundlage einer Jahresrohmiete von 6 875 DM ermittelt.
Auf den Einspruch ermäßigte das FA den Einheitswert auf 56 300 DM.
Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Einbeziehung verbrauchsabhängiger Nebenleistungen (Wassergeld in Höhe von jährlich 280 DM) in die Jahresrohmiete wandte, hat das FG mit Urteil vom 27. September 1973 IV 17/73 als unbegründet abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1974, 138 abgedruckt.
Die Revision des Klägers rügt, das FG habe aufgrund fehlerhafter Anwendung und Auslegung materiellen Rechts das Wassergeld in die Jahresrohmiete miteinbezogen. Die Höhe verbrauchsabhängiger Nebenleistungen hänge von der Zahl der Mieter und dem tatsächlichen Verbrauch ab. Sie könne bei gleichen Objekten zu unterschiedlichen Einheitswerten führen; hierin läge ein Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Bewertung. § 79 Abs. 1 Satz 2 BewG sei nicht verfassungsmäßig.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Der für das Mietwohngrundstück des Klägers festgestellte Einheitswert wurde zu Recht im Ertragswertverfahren ermittelt (vgl. § 76 Abs. 1 BewG). In diesem Verfahren ergibt sich der Grundstückswert regelmäßig durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete (§ 78 BewG). Die für die Einheitsbewertung maßgebende Jahresrohmiete umfaßt auch Umlagen (§ 79 Abs. 1 Satz 2 BewG). Die Einbeziehung der Umlagen in die Jahresrohmiete ist darin begründet, daß an dem für die Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens maßgebenden 1. Januar 1964 die Wohnraummieten noch allgemein dem Preisstopp unterlagen. Soweit die Preisbindung nach § 15 des Zweiten Bundesmietengesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl I 1960, 389) in der Fassung des Gesetzes vom 29. Juli 1963 (BGBl I 1963, 524) in einzelnen kreisfreien Städten und Landkreisen aufgehoben wurde (sog. weiße Kreise), ist noch von der zuvor maßgebenden preisgebundenen Miete auszugehen.
Der Preisstopp stand grundsätzlich jeder Erhöhung der Miete entgegen. Bei Erhöhung der Betriebskosten hätte dies dazu geführt, daß der Reinertrag des Grundstücks in dem Maße geringer geworden wäre, in dem sich die Betriebskosten erhöhen. Um dies zu vermeiden, sah das Mietpreisrecht vor, daß der Vermieter Mehrbelastungen an Betriebskosten, die nach Festsetzung der preisrechtlich genehmigten Miete auftraten, auf die Mieter umlegen konnte (§§ 20 ff. der Altbaumietenverordnung vom 23. Juli 1958, BGBl I 1958, 549; § 4 der Neubaumietenverordnung vom 19. Dezember 1962, BGBl 1962, 753). Zu diesen Betriebskosten gehören auch die Kosten für den Wasserverbrauch. Da die Umlagen von Betriebskosten Bestandteil der Leistungen sind, die alle Mieter für die Benutzung des Grundstücks gleichmäßig zu entrichten haben, ist es sachgerecht, daß sie der Gesetzgeber grundsätzlich in die Jahresrohmiete miteinbezogen hat. Eine willkürliche Regelung, die den Gleichheitssatz verletzen könnte, ist nicht erkennbar. Das FG hat deshalb zu Recht aufgrund der durch § 79 Abs. 1 Satz 2 BewG geschaffenen Rechtslage das Wassergeld, das der Kläger von seinen Mietern nach den Verhältnissen des Hauptfeststellungszeitpunktes erhob, als Bestandteil der für die Bewertung maßgebenden Jahresrohmiete behandelt.
2. Das Ertragswertverfahren der §§ 78 ff. BewG ist ein Bewertungsverfahren, durch das der Grundstückswert auf der Grundlage des typisierten Reinertrags ermittelt wird (BFH-Entscheidung vom 2. Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675). Denn in den Vervielfältigern des § 80 BewG, die auf die Jahresrohmiete anzuwenden sind, ist der für die jeweilige Grundstücksart unter Berücksichtigung der Bauart, der Bauausführung, der Baujahresgruppe und der Gemeindegrößenklasse zutreffende Anteil der Bewirtschaftungskosten an der Rohmiete pauschal mit durchschnittlichen Werten berücksichtigt. Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung zu Recht auf diesen Zusammenhang abgestellt. Im übrigen verweist der Senat hierwegen auf sein Urteil III R 105/70.
Die Kosten des Wasserverbrauchs sind Betriebskosten und damit Teil der Bewirtschaftungskosten (vgl. §§ 24 Abs. 1 und 27 Abs. 1 Nr. 2 der Zweiten Berechnungsverordnung in der für die Hauptfeststellung maßgebenden Fassung vom 1. August 1963, BGBl I 1963, 594). Sie sind somit in den pauschal berücksichtigten Bewirtschaftungskosten enthalten, die in die Berechnung der Vervielfältiger eingegangen sind. Würde man dem Begehren des Klägers stattgeben und die Umlage auf die Mieter für den Wasserverbrauch aus der Jahresrohmiete ausscheiden, so würde das der Berechnung der Vervielfältiger zugrunde gelegte Verhältnis von Jahresrohmiete und Bewirtschaftungskosten dem Grunde nach gestört; denn in den Vervielfältigern wären dann bestimmte Arten von Bewirtschaftungskosten berücksichtigt, die in der Höhe der angesetzten Jahresrohmiete keinen Niederschlag gefunden haben.
Der Senat verkennt nicht, daß der in der jeweiligen konkreten Jahresrohmiete enthaltene Anteil an Bewirtschaftungskosten und der bei der Berechnung der Vervielfältiger berücksichtigte typische Anteil an Bewirtschaftungskosten im Einzelfall mehr oder weniger voneinander abweichen werden. Das FG hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß diese Abweichung bei den einzelnen Arten der Bewirtschaftungskosten unterschiedliche Tendenz haben kann, so daß sich die Abweichungen zum Teil gegenseitig aufheben können. Soweit aber insgesamt eine Abweichung zuungunsten eines Hauseigentümers entstehen sollte, kann diese regelmäßig nur von so geringem Gewicht sein, daß sie sich auf die Höhe des Einheitswerts kaum auswirkt.
Bei dem Mietwohngrundstück des Klägers, das in einer Gemeinde der Gemeindegrößenklasse über 50 000 bis 100 000 Einwohner belegen ist, sind die gesamten Betriebskosten mit 11 v. H. der Jahresrohmiete von 6 875 DM = rd. 756 DM in den Vervielfältigern berücksichtigt (vgl. die Tabelle zum Gutachten des Schätzungsausschusses zur Vorbereitung der Einheitsbewertung des Grundvermögens, Bundestags-Drucksache IV/1488 S. 141/142). Die Kosten für den Wasserverbrauch mit jährlich 280 DM nehmen somit einen verhältnismäßig hohen Anteil an den gesamten pauschal berücksichtigten Betriebskosten ein. Das FG konnte aber nicht feststellen, daß die Betriebskosten im Streitfall den pauschal berücksichtigten Anteil insgesamt übersteigen. Abgesehen davon hat der Senat schon im Urteil vom 12. Juni 1974 III R 49/73 (BFHE 112, 520, BStBl II 1974, 602) die Auffassung vertreten, es sei bei einer Massenbewertung bebauter Grundstücke unmöglich, ein so einheitliches Wertniveau zu erzielen, daß vom Standpunkt des einzelnen Grundbesitzers in bezug auf die Bewertung seines Grundstücks keine Einwendungen erhoben werden könnten. Das verstößt deshalb nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die pauschale Berücksichtigung der Bewirtschaftungskosten nicht willkürlich ist, sondern auf sachgerechten Erwägungen im Zusammenhang mit einer Massenbewertung bebauter Grundstücke beruht. Zudem hat das FG nachgewiesen, daß selbst eine Abweichung von 50 v. H. von den der Pauschalierung zugrunde liegenden typischen Verhältnissen der Belastung mit Gemeindegebühren sich nur mit 1,5 bis 2,5 v. H. auf die Höhe des Einheitswerts auswirken würde. Eine Schätzungsungenauigkeit in dieser Höhe ist aber selbst bei einer individuellen Schätzung des Werts eines Bebauten Grundstücks nicht auszuschließen. Es bestehen außerdem bisher keine Anhaltspunkte dafür, daß durch das typisierte Ertragswertverfahren so schwerwiegende nicht gerechtfertigte Unterschiedlichkeiten in der Bewertung auftreten, daß der Gleichheitssatz es gebieten könnte, diese Werte nicht als Besteuerungsgrundlage anzuerkennen.
3. Das FG hat mit überzeugenden Gründen entschieden, daß der Kläger wegen der Behandlung der verhältnismäßig hohen Wasserkostenumlage als Bestandteil der Jahresrohmiete auch keine Ermäßigung nach § 82 BewG beanspruchen kann. Denselben Rechtsstandpunkt hat der Senat auch in seiner Entscheidung vom 28. Juni 1974 III R 62/73 (BFHE 112, 569, BStBl II 1974, 670) eingenommen. Es ist zwar richtig, daß in § 82 Abs. 1 BewG die Gründe für eine Ermäßigung wegen wertmindernder Umstände nicht erschöpfend aufgeführt sind. Es erscheint dem Senat jedoch schon fraglich, ob die Tatsache, daß in einem bestimmten Grundstück der Wasserverbrauch höher ist als in einem vergleichbaren Grundstück, ein "wertmindernder Umstand" im Sinn des § 82 Abs. 1 BewG sein könnte. Entscheidend ist jedoch, wie das FG zutreffend hervorhebt, daß eine Ermäßigung des Grundstückswerts wegen eines verhältnismäßig hohen Wasserkostenanteils in der Miete im Ergebnis dazu führen würde, daß die Vervielfältiger des § 80 BewG abgeändert würden. Damit würde aber die vom Gesetzgeber aus wohlerwogenen Gründen eingeführte Bewertung in einem vereinfachten typisierten Ertragswertverfahren aufgehoben werden. Denn es könnte jeder Hauseigentümer, dessen Bewirtschaftungskosten die pauschal in den Vervielfältigern berücksichtigten Kosten übersteigen, durch Einzelnachweis eine Sonderbewertung herbeiführen, die einer Individualbewertung sehr nahe käme. Die Auslegung und Anwendung des § 82 Abs. 1 BewG durch das FG verstößt damit aber nicht gegen das Grundgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 71370 |
BStBl II 1975, 474 |
BFHE 1975, 274 |