Leitsatz (amtlich)
Eine Personengesellschaft, die sich nur vermögensverwaltend betätigt, ist nicht gewerbesteuerpflichtig, auch wenn an ihr nur oder weitaus überwiegend Kapitalgesellschaften als Mitunternehmer beteiligt sind.
Orientierungssatz
Die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft, die nur vermögensverwaltend tätig ist, deshalb einkommensteuerrechtlich nur Überschußeinkünfte erzielt und selbst nicht gewerbesteuerpflichtig ist, bewirkt
a) einkommensteuerrechtlich und körperschaftsteuerrechtlich, daß die Einkünfte der Personengesellschaft, soweit sie der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind, anteilig in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und auch umzurechnen sind, und
b) gewerbesteuerrechtlich, daß sich der Gewerbeertrag (bzw. das Gewerbekapital) der Kapitalgesellschaft um den Beteiligungsgewinn oder Beteiligungsverlust erhöht oder vermindert (bzw. das Gewerbekapital um den entsprechenden Anteil an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens der Personengesellschaft) und sich dadurch die Gewerbesteuer auf die Kapitalgesellschaft verlagert. Die Kürzungsvorschriften und Hinzurechnungsvorschriften des § 9 Nr. 2 und § 8 Nr. 8 GewStG greifen insoweit nicht ein, weil sie die Beteiligung an einer Personengesellschaft voraussetzen, die einen Gewerbebetrieb unterhält (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 8, § 9 Nr. 2; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Personengesellschaft, die als Kommanditgesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Erwerb, die Bebauung, die Vermietung und Verpachtung und die Verwaltung von bebauten und unbebauten Grundstücken (§ 2 des Gesellschaftsvertrags).
Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren 1974 und 1975 als Komplementäre jeweils zwei natürliche Personen (Vorstandsmitglieder der B-AG) und als Kommanditisten eine Anstalt des öffentlichen Rechts und eine Aktiengesellschaft. Diese hielten ihre Kommanditbeteiligungen als Treuhandkommanditisten "für die Gesamtheit aller Inhaber der über die Gesellschaftseinlagen ausgestellten Zertifikate (§ 4 des Gesellschaftsvertrags). Zertifikatsinhaber waren die C SA, Luxemburg, die B-AG, die D-GmbH, die E-GmbH und die F-GmbH.
Die Komplementäre leisteten keine Einlage; sie waren weder am Kapital noch am Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt (§§ 5, 6 des Gesellschaftsvertrags). Die Komplementäre waren zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet, bedurften aber "zu allen wesentlichen Geschäftsvorfällen" der vorherigen Zustimmung der Kommanditisten (§ 6 des Gesellschaftsvertrags).
Die Klägerin ließ als einziges "Fondsobjekt" ein Bürogebäude errichten; das Gebäude wurde im Juni 1974 bezugsfertig. Die Klägerin vermietete dieses Gebäude für die Zeit vom 1.September 1974 bis zum 31.August 1994 an die B-AG.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Rechtsansicht, die Klägerin sei, obwohl sie nur aus der Vermietung von Grundbesitz Einkünfte erziele, kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig, weil an ihr nur Kapitalgesellschaften beteiligt seien; die Komplementäre seien nicht Mitunternehmer, sondern nur "Strohmänner" der hinter ihnen stehenden B-AG.
Demgemäß erließ das FA Gewerbesteuerbescheide für 1974 und 1975, in denen jedoch der Gewerbesteuermeßbetrag und die Gewerbesteuer jeweils auf 0 DM festgesetzt sind. Den Einspruch der Klägerin wies das FA als unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Klage zulässig sei, obwohl die Steuer auf 0 DM festgesetzt sei, denn die Klägerin sei bereits durch die Bejahung ihrer Gewerbesteuerpflicht beschwert. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil die Klägerin, obwohl sie eine Personengesellschaft sei, bei wirtschaftlicher Betrachtung einer Kapitalgesellschaft gleichstehe und deshalb gewerbesteuerrechtlich wie eine der in § 2 Abs.2 Nr.2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) aufgezählten und kraft Rechtsform unabhängig von der entfalteten Tätigkeit gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften zu behandeln sei.
Mit der Revision, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat, beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil und die Gewerbesteuerbescheide 1974 und 1975 ersatzlos aufzuheben. Die Klägerin rügt Verletzung des § 2 GewStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Gewerbesteuerbescheide für 1974 und 1975 in der Fassung der Einspruchsentscheidung. Die Klägerin war in den Streitjahren nicht gewerbesteuerpflichtig, da sie nicht gewerblich tätig war (§ 2 Abs.1 i.V.m. § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG) und auch nicht den Voraussetzungen einer Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform (§ 2 Abs.2 Nr.2 GewStG) genügte.
1. Der Bundesfinanzhof (BFH) war bisher der Rechtsauffassung, daß eine Personengesellschaft, die sich nur vermögensverwaltend betätigt, z.B. ein Grundstück vermietet, gleichwohl einkommensteuerrechtlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezieht und gewerbesteuerrechtlich kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig ist, wenn an der Personengesellschaft nur Kapitalgesellschaften beteiligt sind, die ihrerseits gemäß § 2 Abs.2 Nr.2 GewStG kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind und deren Einkünfte gemäß § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) a.F. (jetzt § 8 Abs.2 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 --KStG 1977--) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind (BFH-Urteil vom 22.November 1972 I R 252/70, BFHE 108, 208, BStBl II 1973, 405), oder wenn an der Gesellschaft neben natürlichen Personen eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die der Personengesellschaft das Gepräge gibt (z.B. BFH-Urteil vom 3.August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799). Diese Rechtsansicht hat der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) ausdrücklich aufgegeben.
Der Große Senat hat entschieden, daß eine Personengesellschaft --gleichgültig, ob zivilrechtlich GbR, OHG oder KG-- nur dann einkommensteuerrechtlich ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und gewerbesteuerrechtlich einen stehenden Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs.1 Satz 2 GewStG betreibt, "wenn sich ihre Gesellschafter gemeinsam mit den in § 1 Abs.1 GewStDV aufgeführten Merkmalen betätigen und ihre Tätigkeit keine private Vermögensverwaltung ist" (Beschluß in BFHE 141, 405, 427, BStBl II 1984, 751). "Eine Personengesellschaft betreibt nicht schon deshalb ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Nr.1 Satz 1 EStG, weil ein Gesellschafter oder mehrere oder alle Gesellschafter die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft haben" (Beschluß in BFHE 141, 405, 428, BStBl II 1984, 751).
Diese primär zum einkommensteuerrechtlichen Begriff des gewerblichen Unternehmens i.S. des § 15 EStG entwickelte Rechtserkenntnis muß schon im Hinblick darauf, daß die Frage, "ob ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Nr.1 EStG und ein stehender Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs.1 Satz 2 GewStG vorliegt, nach übereinstimmenden Grundsätzen zu entscheiden" ist (Beschluß in BFHE 141, 405, 428, BStBl II 1984, 751), in gleicher Weise für die Gewerbesteuer gelten. § 2 Abs.2 Nr.2 GewStG fingiert zwar für Gewerbesteuerzwecke "die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft als Gewerbebetrieb". Diese Fiktion greift jedoch nur ein, soweit die Kapitalgesellschaft selbst tätig ist; die Fiktion erstreckt sich nicht auf eine Personengesellschaft, an der eine Kapitalgesellschaft (oder mehrere Kapitalgesellschaften oder nur Kapitalgesellschaften) als Gesellschafter beteiligt ist (Beschluß in BFHE 141, 405, 429, BStBl II 1984, 751).
Auch § 2 Abs.2 Nr.1 GewStG begründet für eine Personengesellschaft, auch eine Personenhandelsgesellschaft, keine Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform. Die Vorschrift setzt eine gewerbliche Betätigung der Personengesellschaft voraus; die Gesellschafter der Personengesellschaft müssen sich mit den in § 1 Abs.1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung aufgeführten Merkmalen gemeinschaftlich in einer Weise betätigen, die den Rahmen einer reinen Vermögensverwaltung überschreitet.
2. Diese Betrachtungsweise führt nicht dazu, daß Aktivitäten einer Kapitalgesellschaft, die bei dieser körperschaftsteuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen und gewerbesteuerrechtlich kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig wären, dadurch körperschaftsteuerrechtlich den für die Besteuerung von Gewinneinkünften bestimmenden Rechtsgrundsätzen und gewerbesteuerrechtlich insgesamt der Gewerbesteuer entzogen werden können, daß sie auf eine evtl. zusammen mit anderen Kapitalgesellschaften neu gegründete Personengesellschaft "ausgegliedert" werden (vgl. auch Erdweg, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 601, 603). Vielmehr bewirkt die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft, die nur vermögensverwaltend tätig ist und deshalb einkommensteuerrechtlich nur Überschußeinkünfte erzielt und selbst nicht gewerbesteuerpflichtig ist,
a) einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich, daß die Einkünfte der Personengesellschaft, soweit sie entsprechend der vertraglichen Gewinn- und Verlustverteilungsabrede anteilig der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind, anteilig in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und auch umzurechnen sind (vgl. BFHE 141, 405, 429, BStBl II 1984, 751; ferner im einzelnen Groh, Der Betrieb --DB-- 1984, 2374), und
b) gewerbesteuerrechtlich, daß sich der Gewerbeertrag (bzw. das Gewerbekapital) um den Beteiligungsgewinn oder -verlust erhöht oder vermindert (bzw. das Gewerbekapital um den entsprechenden Anteil an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens der Personengesellschaft) und sich dadurch die Gewerbesteuer auf die an der Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft verlagert (vgl. auch das BFH-Urteil vom 28.Januar 1975 I R 106/73, BFHE 115, 271, BStBl II 1975, 516). Die Kürzungs- und Hinzurechnungsvorschriften des § 9 Nr.2 und § 8 Nr.8 GewStG greifen insoweit nicht ein, weil sie die Beteiligung an einer Personengesellschaft voraussetzen, die einen Gewerbebetrieb unterhält (vgl. Groh, DB 1984, 2373, 2377).
3. Für den Streitfall folgt aus den zu 1. und 2. dargestellten Rechtsgrundsätzen, daß die Klägerin in den Streitjahren nicht gewerbesteuerpflichtig war, weil sie sich nur vermögensverwaltend betätigte (langfristige Vermietung eines Gebäudes). Dabei ist unerheblich, ob die Willensbildung bei der Klägerin insgesamt oder weitaus überwiegend in den Händen von juristischen Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften lag, die unmittelbar oder mittelbar als Kommanditisten an der Klägerin beteiligt waren.
Fundstellen
Haufe-Index 61051 |
BStBl II 1985, 372 |
BFHE 143, 280 |
BFHE 1985, 280 |
BB 1985, 1052-1053 (LT) |
DB 1985, 1214-1214 (LT) |
HFR 1985, 371-372 (ST9) |