Leitsatz (amtlich)
Noch nicht geleistete Einkommensteuervorauszahlungen können bei der Ermittlung des Gesamtvermögens insoweit nicht als Schulden vom Rohvermögen abgezogen werden, als die bereits bezahlten Vorauszahlungen zur Deckung der zu veranlagenden Einkommensteuerschuld ausreichen.
Normenkette
BewG 1965 §§ 105, 118 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
Das FA ließ bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger zum 1. Januar 1966 den von ihnen beantragten Abzug des noch nicht getilgten Teils der Einkommensteuervorauszahlung IV/1965 nicht zum Abzug zu. Es vertrat die Auffassung, daß am 1. Januar 1966 keine Einkommensteuerschuld bestanden habe, weil diese tatsächlich nur ... DM betragen habe, also geringer gewesen sei als die tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Dagegen hatte die Klage Erfolg. Das FG hob die Einspruchsentscheidung und den Vermögensteuerbescheid auf und setzte den Vermögensteuerjahresbetrag auf 0 DM fest.
Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 118 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 105 BewG 1965. Die Revision wird im wesentlichen damit begründet, das FG verkenne, daß bezüglich der nicht gezahlten Vorauszahlungen am Stichtag keine wirtschaftliche Belastung bestanden habe. Die Steuerpflichtigen können wegen nicht geleisteter Vorauszahlungen immer nur insoweit wirtschaftlich belastet sein, als die Vorauszahlungen nicht höher seien als die später im Rahmen der Veranlagung festgesetzte Steuerschuld. Denn soweit geleistete Vorauszahlungen den später veranlagten Steuerbetrag überstiegen, entstehe nach der Rechtsprechung mit dem Ablauf des für die Festsetzung der Steuer maßgebenden Steuerabschnitts ein Erstattungsanspruch. Die Kläger seien also durch den Nichtabzug der noch nicht geleisteten Vorauszahlungen im Ergebnis genauso gestellt wie Steuerpflichtige, welche die Vorauszahlungen am Stichtag bereits geleistet hätten und deswegen einen Erstattungsanspruch ansetzen müßten.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie halten die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Einkommensteuerschulden können nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 BewG 1965 bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens von dem Rohvermögen abgezogen werden. Für die Bewertung der Einkommensteuerschuld ist nach Satz 2 dieser Vorschrift § 105 BewG 1965 entsprechend anzuwenden. Das bedeutet, daß die Einkommensteuerschuld nur abgezogen werden kann, wenn sie entweder spätetens im Veranlagungszeitpunkt fällig geworden ist oder für einen Zeitraum erhoben wird, der spätestens in diesem Zeitpunkt geendet hat. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Voraussetzung hinsichtlich der geltend gemachten Einkommensteuervorauszahlung IV/1965 vorliegt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der zu veranlagenden Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1965 vor, weil diese nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c StAnpG mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, also mit dem 31. Dezember 1965, entstanden ist. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß beide Steuerschulden rechtlich selbständig sind und auf verschiedenen Steuerbescheiden beruhen. Der Senat folgt jedoch dem FG nicht darin, daß schon deswegen der Abzug der noch nicht geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen zugelassen werden müsse. Das FA rügt mit Recht, daß das FG nicht beachtet hat, daß für den Abzug jeder Schuld nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht allein das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung zu ihrer Zahlung am Stichtag genügt, sondern daß eine Schuld, auch wenn sie rechtswirksam entstanden ist, dann nicht abgezogen werden kann, wenn sie für den Steuerpflichtigen am Stichtag keine wirtschaftliche Belastung ist. Das gilt auch für Steuerschulden. Die Rechtsprechung läßt Steuerschulden deshalb nicht zum Abzug zu, wenn der Steuerpflichtige am Stichtag mit der Geltendmachung des Steueranspruchs nicht zu rechnen brauchte (vgl. z. B. für vorsätzlich verkürzte Steuern das Urteil des BFH III 69/63 vom 1. August 1969, BFH 97, 90, BStBl II 1969, 750, und die dort angegebenen Entscheidungen). Dieser Grundsatz ist auch für die hier zu entscheidende Frage von Bedeutung. Denn die noch nicht bezahlte Einkommensteuervorauszahlungsschuld stellt für den Steuerpflichtigen insoweit keine wirtschaftliche Belastung dar, als die bereits geleisteten Vorauszahlungen zur Deckung der zu veranlagenden Einkommensteuer ausreichen. Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum ist, wie oben ausgeführt wurde, mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums in der Höhe entstanden, in der sie nach dem in diesem Veranlagungszeitraum erzielten steuerpflichtigen Einkommen festzusetzen ist. Das gilt nach dem Urteil des Senats III 94/61 U vom 30. April 1965 (BFH 82, 425, BStBl III 1965, 402) auch insoweit, als die Höhe der Steuerschuld von Erklärungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen abhängt, die - wie die Beschlußfassung über die Gewinnverteilung - erst nach dem Stichtag abgegeben oder ausgeführt werden. Es ist davon auszugehen, daß der Steuerpflichtige bereits am Stichtag willens ist, in der später konkretisierten Weise zu entscheiden. Diese Beurteilung führt dazu, daß die geltend gemachten Einkommensteuervorauszahlungen IV/1965 nicht als Schuld vom Vermögen der Klägerin abgezogen werden können. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war sie aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Die von den Klägern erhobene Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69542 |
BStBl II 1971, 681 |
BFHE 1971, 553 |