Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Geschäftsführerin einer GmbH
Leitsatz (NV)
1. Keine Entlastung der Geschäftsführerin einer GmbH wegen Wahrnehmung der Geschäftsführertätigkeit durch den Ehemann.
2. Maßgebender Zeitpunkt dafür, ob die GmbH zur Zahlung von Umsatzsteuerschulden in der Lage war, ist grundsätzlich derjenige der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlungen.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34; AO §§ 109, 103
Tatbestand
Die Klägerin hatte seit dem Jahr 1966 von ihrem Ehemann zwei Tankstellen gepachtet. Diese wurden ab 1. Juli 1968 von einer im Februar 1968 neugegründeten GmbH fortgeführt. Am Stammkapital der GmbH (20 000 DM) waren die Klägerin zunächst mit 19 000 DM und ihr Ehemann mit 1 000 DM beteiligt, später die Ehefrau allein. Alleinige Geschäftsführerin der GmbH war die Klägerin. Die GmbH ist seit dem Jahr 1973 in Liquidation.
Anläßlich einer im Januar 1973 für die Jahre 1968 bis 1972 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer in seinem Bericht fest, die Klägerin sei mit der Führung der Tankstellen fast gar nicht befaßt gewesen. Die Geschäfte habe ausschließlich ihr Ehemann geführt.
Die GmbH schuldete aufgrund der nach der Betriebsprüfung ergangenen Berichtigungsveranlagungen Anfang 1976 folgende Steuern:
Umsatzsteuer 1968 bis 1972 60 039,91 DM
Körperschaftsteuer 1968/1969 247,00 DM
Ergänzungsabgabe 1968/1969 8,00 DM
Vermögensteuer 1973/1975 350,00 DM
insgesamt 60 644,91 DM.
Mit Haftungsbescheid vom 4. Februar 1976 hat das FA die Klägerin wegen der vorgenannten Steuerbeträge als Haftungsschuldner in Anspruch genommen (§§ 109, 103 AO). Mit Änderungsbescheid vom 6. Dezember 1977 hat das FA die Haftsumme um die Vermögensteuerschuld von 350 DM ermäßigt.
Das FG hat die Klage, mit der Aufhebung des Haftungsbescheids in der Form des Änderungsbescheids vom 6. Dezember 1977 (§ 68 FGO) begehrt wurde, abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Klagebegehren weiter. Sie rügt fehlerhafte Anwendung der §§ 118, 109, 103 AO.
Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wegen Nichtwahrnehmung der steuerlichen Verpflichtungen der GmbH (§ 109 AO) setze voraus, daß diese Verpflichtungen schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, vom Geschäftsführer verletzt worden seien. Daran fehle es. Zum einen sei sie - die Klägerin - mangels einschlägiger Sachkunde nicht in der Lage gewesen, die Geschäftsführertätigkeit auszuüben, geschweige denn, die steuerlichen Verhältnisse der GmbH zu übersehen. Sie sei in Wirklichkeit auch nicht als Geschäftsführer tätig gewesen. Zum anderen habe die GmbH zu dem Zeitpunkt, in dem die aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung erlassenen Nachforderungsbescheide ergangen seien, über keine Mittel mehr verfügt, mit denen die nachgeforderten Steuern hätten bezahlt werden können. Auch aus diesem Grund scheide eine schuldhafte Handlungsweise wegen Nichtentrichtung der Steuerschulden aus.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hatte als vertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH (§ 35 GmbHG) die dieser obliegenden steuerlichen Pflichten wahrzunehmen, insbesondere dafür zu sorgen, daß aus den verwalteten Mitteln die anfallenden Steuern entrichtet wurden (§ 103 AO).
Diesen Verpflichtungen ist die Klägerin nicht nachgekommen, so daß in den Jahren 1968 bis 1972 Umsatzsteuerrückstände in Höhe von 60 039,91 DM aufgelaufen sind. Die Klägerin haftet für diesen Steuerbetrag insoweit persönlich, als durch ,,schuldhafte Verletzung" der vorgenannten Verpflichtungen die Steueransprüche verkürzt worden sind (§ 109 AO). Dies ist hier der Fall.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, der GmbH-Geschäftsführer könne sich nicht damit entschuldigen, daß ein anderer die Geschäfte der GmbH geführt und dabei die Unregelmäßigkeiten, die die Steuerverkürzung bewirkten, begangen habe. Wenn der Geschäftsführer die Geschäftsführung durch einen anderen duldet, so hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß dieser die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt. Auch eine lediglich nominell zum Geschäftsführer bestellte Person kann sich nicht damit entlasten, sie habe keine Möglichkeit gehabt, innerhalb der Gesellschaft ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer zu verwirklichen und die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so muß er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte der GmbH (Urteil des BFH vom 7. November 1963 V 45/61, HFR 1964, 96). Verfügte die Klägerin nicht über die erforderliche Sachkunde zur Wahrnehmung der Geschäftsführertätigkeit in dem vorstehend beschriebenen Umfang, so liegt das Verschulden darin, daß sie es unterlassen hat, mit der Wahrnehmung der steuerlichen Belange der GmbH einen sachkundigen Berater zu betrauen oder zumindest in dem benötigten Umfang zuzuziehen.
Verschulden der Klägerin wegen Nichtentrichtung der Steuerschulden ist auch dann gegeben, wenn die GmbH, wie die Klägerin geltend macht, im Zeitpunkt des Erlasses der Nachforderungsbescheide - also im Oktober 1973 - nicht mehr über die zur Tilgung der Steuerschulden erforderlichen Mittel verfügt haben sollte. Bei der Umsatzsteuer kommt es für die Frage des Vorhandenseins der für die Tilgung der Steuerrückstände erforderlichen Liquidität, wie der BFH im Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79 (BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776) unter Ziff. 3 b entschieden hat, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses von Nachforderungsbescheiden, sondern auf denjenigen der Fälligkeiten der Steuerschulden, hier der nicht ordnungsgemäß erbrachten Umsatzsteuervorauszahlungen (vgl. § 18 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1967) an. Diese Fälligkeiten waren in den Jahren 1968 bis 1972 eingetreten. Daß die GmbH bereits damals außerstande gewesen wäre, die Steuerschulden zu begleichen, ist nicht vorgetragen und nicht erkennbar.
Anders verhält es sich hinsichtlich der in die Haftungssumme einbezogenen Rückstände an Körperschaftsteuer 1968/1969 (247 DM) und Ergänzungsabgabe 1968/1969 (8 DM). Diese sich aus dem Nachforderungsbescheid vom 25. Oktober 1973 ergebenden Rückstände sind erst Ende November 1973 fällig geworden, also zu einem Zeitpunkt, in dem nach den Feststellungen des FG der sich bereits im Liquidationsstadium befindlichen GmbH die zur Bezahlung erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung gestanden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 413955 |
BFH/NV 1987, 210 |