Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel: Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indiziert nicht stets die Nachhaltigkeit
Leitsatz (amtlich)
Das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze indiziert nicht die Nachhaltigkeit. Auch wenn mehr als drei Objekte mit einem einzigen Verkaufsgeschäft veräußert werden, ist das Kriterium der Nachhaltigkeit in der Regel nur dann erfüllt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass noch andere derartige Grundstücksgeschäfte geplant waren.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zu je 50 v.H. an einer GbR beteiligt. Der Kläger zu 2 war bis zum Jahre 1979 Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft und anschließend mit der Finanzierung von Grundstücken befasst. Der Kläger zu 1 ist von Beruf Architekt.
Am 15. November 1986 erwarben die Kläger in GbR den "Gebäudekomplex X" zu einem Kaufpreis von … Mio. DM. Hierbei handelte es sich um vier im Grundbuch von A verzeichnete Grundstücke. Diese Grundstücke sind bebaut mit verschiedenen Wohn- und Gewerbeobjekten, u.a. mit mehr als 600 Wohneinheiten. Für die frei stehenden und selbständig nutzbaren Gebäude mit einer vermieteten Fläche von ca. 43 293 qm wurden bewertungsrechtlich mehrere wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens (drei Geschäftsgrundstücke, sechs sonstige bebaute Grundstücke, 26 Mietwohngrundstücke) festgestellt.
Mit Kaufvertrag vom 16. November 1989 verkauften die Kläger den "Gebäudekomplex X" zu einem Verkaufspreis von … Mio. DM. Bei dem Vertragsabschluss handelte für den Käufer ein Vertreter. In dem Kaufvertrag wurde u.a. vereinbart, dass der Vertreter den Käufer bis spätestens zum 15. Dezember 1989 benennen und für die Verpflichtungen des Käufers aus diesem Vertrag als selbstschuldnerischer Bürge einstehen solle. Am 20. Dezember 1990 wurde im Grundbuch die B B.V., als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen.
Die Kläger behandelten in den Feststellungserklärungen der GbR für die Streitjahre (1986 bis 1990) die Einkünfte aus den Wohn― und Gewerbeobjekten als solche aus Vermietung und Verpachtung. Den Verkaufserlös des Jahres 1990 sahen sie als nicht steuerbare Einnahme aus privater Vermögensverwaltung an. Demgegenüber qualifizierte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den An- und Verkauf des "Gebäudekomplex X" als gewerblichen Grundstückshandel und erließ entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide.
Die hiergegen gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Die anschließend erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2001 1 K 182/97, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2003, 1692).
Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Revision, die auf Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 6. März 2001 (Az.: 1 K 182/97) sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. September 1997 aufzuheben und die geänderten Feststellungsbescheide vom 6. Juli 1993 (für 1986 bis 1989) sowie vom 23. April 1993 (für 1990) abzuändern und die Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Die Feststellungen des FG tragen nicht dessen Entscheidung, die Kläger hätten durch Erwerb und Veräußerung des streitigen Grundbesitzes einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben.
1. Allerdings ist es nach den derzeitigen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG davon ausgegangen ist, die sog. Drei-Objekt-Grenze sei überschritten. Aus der Indizwirkung des Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze konnte das FG auch folgern, der Bereich der privaten Vermögensverwaltung sei verlassen (vgl. hierzu aus neuerer Zeit Senatsurteil vom 15. April 2004 IV R 54/02, BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868, m.w.N.). Soweit die Kläger als Verfahrensmangel rügen, das FG habe angebotene Beweise zur Widerlegung der Indizwirkung nicht erhoben, müssen sie sich entgegenhalten lassen, dass sie die Nichterhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt haben, obwohl sie dort durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten waren (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398). Sie haben auch nicht vorgetragen, warum ihnen die Rüge nicht möglich gewesen sein könnte. Schließlich gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich dem FG eine Beweisaufnahme zu der Frage, ob ausnahmsweise trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze der Bereich der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten sei, hätte aufdrängen müssen.
2. Die Feststellungen des FG rechtfertigen aber nicht den Schluss, die Kläger hätten das in § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) enthaltene Kriterium der Nachhaltigkeit erfüllt.
Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, also eine Wiederholungsabsicht in der Weise besteht, dass weitere Geschäfte geplant sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868, m.w.N.). Werden Wohnobjekte oder sonstige bebaute oder unbebaute Grundstücke mit einem einzigen Verkaufsgeschäft veräußert, hat die Rechtsprechung des BFH die Nachhaltigkeit in der Regel nur dann anerkannt, wenn sich aus anderen objektiven Umständen ergab, dass noch andere derartige Grundstücksgeschäfte geplant waren (BFH-Urteil vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143; vom 30. Juni 1993 XI R 38, 39/91, BFH/NV 1994, 20; vom 22. April 1998 X R 17/96, BFH/NV 1998, 1467; in BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868; vom 15. Juli 2004 III R 37/02, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, juris).
Das FG hat in den Urteilsgründen ausgeführt, die Umsetzung des von den Klägern gefassten Verkaufsentschlusses habe wegen der vier vorhandenen, zivilrechtlich eigenständigen Objekte notwendigerweise auch "mehrere (vier) Veräußerungshandlungen" erfordert. Auf die Umstände, die zum Abschluss "des Kaufvertrags bzw. der Kaufverträge" vom 16. November 1989 geführt hätten, komme es daher nicht an.
Ausweislich der Akten gibt es jedoch ―wie auch im Tatbestand des FG-Urteils richtig festgestellt― nur einen Kaufvertrag, mit dem die Kläger den streitigen Grundstückskomplex im Ganzen verkauft haben. Es kann dahinstehen, ob die diesbezügliche Verfahrensrüge der Kläger durchgreift. Auf den ersten Blick liegt zwar der Schluss nahe, das FG habe mit der Annahme mehrerer Verkaufshandlungen gegen den Inhalt der Akten verstoßen. Es könnte aber auch sein, dass das FG, wie das FA mit der Revisionserwiderung vorträgt, lediglich zum Ausdruck bringen wollte, es habe sich um vier Verträge gehandelt, die in einer einzigen Urkunde zusammengefasst worden seien.
Selbst wenn man zivilrechtlich davon ausgehen wollte, dass vier Verträge in einer Urkunde zusammengefasst gewesen wären, wäre dies steuerrechtlich irrelevant. Maßgeblich ist allein, ob lediglich ein einziger Verkaufsentschluss vorliegt, der mit nur einer Handlung umgesetzt wurde. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Verkauf mehrerer Objekte an nur einen Erwerber (oder an eine Eigentümergemeinschaft bzw. -gesellschaft) in nur einer Urkunde protokolliert wird. So verhielt es sich auch in allen Fällen, in denen der BFH die Nachhaltigkeit trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze in Zweifel gezogen hat (vgl. Urteile in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143; in BFH/NV 1994, 20; in BFH/NV 1998, 1467; in BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868). Dem angefochtenen Urteil liegt offensichtlich ―was aus dem vorangegangenen Beschluss des FG im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch deutlicher wird― die Vorstellung zugrunde, bei Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze sei stets auch die Nachhaltigkeit des Handelns des Steuerpflichtigen indiziert. Das entsprach jedoch ―wie die vorstehend zitierten Entscheidungen zeigen― bereits zur Zeit des Ergehens des angefochtenen Urteils nicht der Rechtsprechung des BFH, was der Große Senat in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) noch einmal ausdrücklich klargestellt hat.
Andere objektive Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass die Kläger noch andere Grundstücksgeschäfte geplant hätten, hat das FG nicht festgestellt.
3. Im zweiten Rechtszug wird das FG Folgendes zu beachten haben:
Die Umstände, aus denen sich beim Verkauf mehrerer Objekte an einen Käufer eine Wiederholungsabsicht ergeben kann, sind vielfältig und lassen sich nicht abschließend festlegen (Wüllenkemper, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1693). Das gilt umso mehr, als der Sachverhalt des Streitfalls möglicherweise komplexer ist, als sich den Feststellungen des FG entnehmen lässt. Die nachfolgenden Hinweise orientieren sich in erster Linie an der vom FA in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung.
a) Ein Verkaufsgeschäft kann auch dann auf Wiederholung angelegt sein, wenn sich der Verkäufer zuvor im Interesse einer möglichst hohen Gewinnerzielung nicht nur um dieses Verkaufsgeschäft, sondern auch um Einzelverkäufe der verschiedenen Objekte bemüht hat (BFH-Urteil in BFHE 165, 498, BStBl II 1992, 143).
Ein klageabweisendes Urteil könnte auf diesen Gesichtspunkt nur gestützt werden, wenn nachweisbar wäre, dass die Kläger im Hinblick auf Einzelverkäufe konkrete Aktivitäten entfaltet hätten. Es reicht demgegenüber ―entgegen der offenbar in der Einspruchsentscheidung des FA vertretenen Auffassung― nicht aus, dass der Kaufvertrag vom 16. November 1989 die Person des Käufers offen ließ. Auch wenn eine Eigentümergemeinschaft oder eine Grundstücksgesellschaft als Erwerberin genannt worden wäre, wäre der Grundstückskomplex aufgrund nur eines Verkaufsentschlusses und durch nur eine Handlung veräußert worden (s.o. unter 2.). Hätten die Kläger in der Folgezeit den Grundbesitz nach Parzellen getrennt veräußert, hätte der Vertrag vom 16. November 1989 rückgängig gemacht werden müssen, was indessen nicht geschehen ist.
Es genügt auch nicht der Hinweis, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass ein Grundbesitz dieser Größenordnung gleich aufgrund des ersten Kaufangebots veräußert werde, ohne zuvor andere Angebote einzuholen. Ein solcher Lebenserfahrungssatz kann lediglich ein Hinweis darauf sein, weitere Ermittlungen in dieser Richtung vorzunehmen.
b) Dass ein Verkaufsgeschäft auf Wiederholung angelegt ist, kann nicht allein daraus geschlossen werden, dass die Verkäufer in der "Immobilienbranche" tätig sind. Hinzukommen muss, dass sie auch tatsächlich weitere Verkaufsaktivitäten entfaltet haben (vgl. BFH-Urteile vom 29. Oktober 1997 X R 112, 153/94, BFH/NV 1998, 853, und in BFH/NV 1998, 1467). Wenn ein Angehöriger der Immobilienbranche nicht nachhaltig Grundbesitz veräußert, so kann das nur bedeuten, dass er seine Immobilien nicht im Wege des gewerblichen Grundstückshandels nutzt.
c) Ausnahmsweise kann eine Nachhaltigkeit selbst dann zu bejahen sein, wenn der Steuerpflichtige nur ein einziges Geschäft oder einen einzigen Vertrag abschließt und sich keine Wiederholungsabsicht feststellen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Erfüllung dieses Geschäftes oder Vertrages eine Vielzahl von unterschiedlichen Einzeltätigkeiten erfordert, die in ihrer Gesamtheit die Würdigung rechtfertigen, der Steuerpflichtige sei nachhaltig tätig geworden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294, mit Beispielen). Hierzu reichen jedoch solche Maßnahmen nicht aus, die die Eigentümer in Vermietungsabsicht vorgenommen haben (vgl. Senatsurteil in BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868).
d) Sollten die objektiven Umstände nur bei einem der Kläger erkennen lassen, dass er noch weitere Grundstücksverkäufe zumindest geplant hatte, wäre bei ihm hinsichtlich des streitigen Verkaufsgeschäfts das Merkmal der Nachhaltigkeit erfüllt. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen hätte er aus dem Verkauf gewerbliche Einkünfte erzielt (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 15 Rz. 73, m.w.N). Es stellt sich dann die Frage, ob die Gewerblichkeit der Einkünfte im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung festzustellen ist (Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 204, m.w.N.).
Entsprechendes gilt, wenn beide Gesellschafter getrennt weitere Grundstücke veräußert oder dies zumindest geplant hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 1275608 |
BFH/NV 2005, 288 |
BStBl II 2005, 164 |
BFHE 2005, 147 |
BFHE 208, 147 |
BB 2005, 31 |
DB 2005, 587 |
DStR 2005, 21 |
DStRE 2005, 183 |
HFR 2005, 126 |