Leitsatz (amtlich)
1. Der Empfänger eines in nach dem AnfG anfechtbarer Weise erlangten Gegenstandes hat aufgrund eines mit der Anfechtungserklärung verbundenen Leistungsgebots des FA (HZA) die Vollstreckung in den Gegenstand zu dulden.
2. Durch einen Vertrag, in dem ein Elternteil in vorweggenommener Erbfolge seinem minderjährigen Kind ein Grundstück unentgeltlich - aber unter Übernahme der bestehenden dinglichen Belastungen und unter Einräumung des Nießbrauchs - zuwendet, erlangt das Kind lediglich einen rechtlichen Vorteil i. S. des § 107 BGB; es bedarf daher nicht der Mitwirkung eines an Stelle eines gemäß § 181 BGB verhinderten gesetzlichen Vertreters zu bestellenden Pflegers.
Normenkette
AO § 120 Abs. 1, § 330 Abs. 1; BGB §§ 107, 181, 1909; AnfG §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 3, § 7
Tatbestand
Der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) hatte gegen den Vater der minderjährigen Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) wegen Steuerhinterziehung einen Steuerbescheid und einen Haftungsbescheid erlassen.
Die Vollstreckung hatte keinen Erfolg. Nach der am 21. Februar 1974 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung (§ 332 der Reichsabgabenordnung - AO -) des Vaters der Klägerin besaß dieser im wesentlichen kein dem Zugriff der Gläubiger verfügbares Vermögen. Nach vorheriger Ankündigung am 7. Februar 1974 erließ das HZA am 21. Februar 1974 ein Leistungsgebot nach § 330 AO, mit dem es die Klägerin - zugestellt jeweils gesondert dem Vater und der Mutter der Klägerin als gesetzlichen Vertretern - aufforderte, wegen des Betrags von 100 000 DM der gegen ihren Vater bestehenden Forderung die Zwangsvollstreckung in die ihr mit notariellem Vertrag vom 5. Januar 1973 unentgeltlich übereigneten Grundstücke ihres Vaters in S. wegen der gegebenen Anfechtbarkeit der Eigentumsübertragung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) zu dulden.
Die dem Verfahren beigetretene Oberfinanzdirektion (OFD) - Revisionsklägerin - wies die Beschwerde der Klägerin mit der Begründung zurück, daß das Leistungsgebot nach § 120 Abs. 1 i. V. m. § 330 AO und §§ 3 und 7 AnfG berechtigt sei. Das HZA sei aufgrund der vollstreckbaren Bescheide gemäß § 2 AnfG anfechtungsbefugt. Die Klägerin sei zur Duldung der Vollstreckung in die ihr übereigneten Grundstücke verpflichtet, da sie diese in anfechtbarer Weise erlangt habe. An der Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung ändere der Umstand nichts, daß die Klägerin nach dem Inhalt des Vertrags auch die Belastungen zu übernehmen und einen Nießbrauch zugunsten ihres Vaters bestellt habe. Die Klägerin habe mindestens den nach Abzug der übernommenen Belastungen überschießenden Wert der Grundstücke unentgeltlich erlangt. Soweit man den Erwerb als entgeltlich ansehen wollte, ergebe sich die Anfechtbarkeit aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG. Das HZA sei durch den Vertrag benachteiligt, weil es sonst unmittelbar in die im Vermögen des Vaters verbliebenen Grundstücke hätte vollstrecken können. Im übrigen sei die Übertragung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG anfechtbar, weil Benachteiligungsabsicht vorliege.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Es führt aus, dem Vater der Klägerin könne die Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht nachgewiesen werden. Auch seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AnfG nicht erfüllt.
Die Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG scheide aus, weil über die Grundstücke nicht unentgeltlich verfügt worden sei. Der Zweck der Vorschrift erfordere zwar eine weitgehende Ausdeutung des Begriffs der "unentgeltlichen Zuwendung". Die Klägerin habe aber als Gegenleistung für das Grundstück im Wert von 90 000 DM eine Hypothek von 60 000 DM und eine Kaution von 10 000 DM übernehmen müssen. Das ihrem Vater eingeräumte Nießbrauchsrecht sei mit 50 000 DM nicht überbewertet, so daß die Verpflichtungen den Wert des Grundstücks überstiegen. Die Annahme einer gemischten Zuwendung sei wegen der Unteilbarkeit in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil nicht möglich, weil die Grundstückshingabe einerseits und die Übernahme der Belastungen und der Nießbrauchsbestellung ein einheitliches Ganzes bildeten und jedes Geschäft für sich allein nicht denkbar sei. Maßgebend sei der Hauptzweck des einheitlichen Geschäfts. Die Freigebigkeit habe aber bei der Grundstücksübertragung auf die Klägerin ausscheiden sollen. Die bezweckte Steuerersparnis habe nur durch die Übertragung belasteter Grundstücke herbeigeführt werden können. Die wirtschaftliche Macht hätten aber die Eltern behalten sollen. Daß hier ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorgelegen habe, das der Klägerin nicht nur rechtliche Vorteile gebracht habe, ergebe sich aus der nicht in die Niederschrift aufgenommenen Aussage des Notars Dr. E. Danach habe das Grundbuchamt M einen in gleicher Weise gestalteten Übereignungsvertrag zwischen der minderjährigen Schwester der Klägerin und ihrer Mutter, der - wie im Falle des Vertrags mit der Klägerin - von der Minderjährigen selbst abgeschlossen worden sei, nicht ohne weiteres hingenommen, sondern auf der Bestellung eines Pflegers und dessen Genehmigung bestanden. Wenn das für die auf die Klägerin übertragenen Grundstücke in S. zuständige Grundbuchamt A eine solche Pflegerbestellung versehentlich nicht verlangt habe, so hätte das HZA andere Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen müssen (z. B. Pfändung des Anspruchs auf Grundbuchberichtigung oder auf Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung), wenn es das zwischen der Klägerin und ihrem Vater geschlossene Grundstücksgeschäft wegen der Übernahme von Schuldverpflichtungen infolge der fehlenden Bestellung eines Pflegers und der dann zum entgeltlichen Grundstückserwerb benötigten vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung als noch nicht perfekt angesehen habe. Die Duldung der Vollstreckung in ein Grundstück könne sich nur gegen den rechtmäßig eingetragenen Grundstückseigentümer richten. Sei aber das HZA davon ausgegangen, daß die Klägerin berechtigte Eigentümerin sei, so habe es auch hinnehmen müssen, daß das Geschäft perfekt sei, obwohl die Klägerin innerhalb dieses einheitlichen Geschäfts im wesentlichen ausgleichende Belastungen als Gegenleistung übernommen habe.
Mit der von der OFD eingelegten Revision wird geltend gemacht, der Zweck des dem § 32 der Konkursordnung (KO) entsprechenden § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG (Schutz des Gläubigers) erfordere eine weite Auslegung des Begriffs der unentgeltlichen Zuwendung. Daher ließen sich auch Entscheidungen verwerten, die zu anderen unentgeltliche Verfügungen betreffenden Vorschriften ergangen seien. Entscheidend sei, ob der Erwerb in seiner Endgültigkeit von einer ausgleichenden Zuwendung abhängig sei. Auch bei gleichzeitiger Nießbrauchsbestellung bei der unentgeltlichen Zuwendung von Eltern an ein minderjähriges Kind könne dieses den Vertrag gemäß § 107 BGB ohne Zustimmung eines Pflegers anstelle des nach § 181 BGB verhinderten gesetzlichen Vertreters abschließen. Denn bei einer derartigen Schenkung gebe der empfangende Minderjährige aus seinem bisherigen Vermögen nichts auf und müsse er keine neue Belastung auf sich nehmen, damit der Vertrag zustande komme. Der Minderjährige erhalte nur ein in seiner vollen Nutzungsbefugnis beschränktes Grundstück, wirtschaftlich betrachtet einen infolge des eingeräumten Nießbrauchs wertgeminderten Gegenstand. Somit sei dem Kind lediglich ein rechtlicher Vorteil i. S. des § 107 BGB zugewendet worden. Es sei dann aber erst recht auch die Unentgeltlichkeit eines derartigen Erwerbs zu bejahen. Gerade bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise lasse sich nicht ernstlich behaupten, der Erwerber eines Grundstücks, das im Rahmen des Erwerbsvorgangs vereinbarungsgemäß mit einem Nießbrauch belastet werde, habe aus seinem Vermögen etwas hergegeben, das als "Gegenleistung" bezeichnet werden könne. Noch deutlicher sei dies bei der Übernahme der Grundstücksbelastungen in dinglicher Hinsicht, wobei der Empfänger keine eigene Verpflichtung übernehme, sondern der ihm zufließende Vorteil lediglich geringer sei als bei einer unbelasteten Sache.
Die Unentgeltlichkeit könne allenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn die Klägerin diese Belastungen nicht nur in dinglicher Hinsicht übernommen, sondern ihren Vater auch von den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Ansprüchen befreit hätte. Damit habe sich aber die Vorentscheidung nicht auseinandergesetzt und rechtsirrig die Übernahme der dinglichen Belastungen als der Unentgeltlichkeit entgegenstehende Gegenleistungen angesehen.
Die OFD beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das am Revisionsverfahren beteiligte HZA hat sich den Ausführungen der OFD angeschlossen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führt aus, das HZA stelle zu Unrecht darauf ab, ob die (unentgeltliche) Verfügung "rechtlich vorteilhaft" sei, was immer dann der Fall sei, wenn sich bei Saldierung zugunsten des Minderjährigen ein Vorteil ergebe. Nach § 107 BGB werde aber ein rechtlicher Vorteil verlangt. Bei der Prüfung der Entgeltlichkeit werde auf die ausgleichende Zuwendung als einer wirtschaftlichen Gegenleistung abgestellt. Soweit der Empfänger dingliche Belastungen übernehme, erbringe er eine Gegenleistung, indem er das empfangene Eigentum als Sicherungsobjekt dem Geber zur Verfügung stelle. Der Wert der Gegenleistung ergebe sich aus der Höhe der übernommenen Belastung, was sich sinnfällig bei der Zwangsversteigerung zeige. Der dabei erzielte Erlös gebühre dem Eigentümer erst dann, wenn die Grundpfandrechte befriedigt seien. Somit sei es für die Frage der Entgeltlichkeit belanglos, ob der Übernehmer des Grundstücks die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Verbindlichkeiten mitübernehme. Dies habe nur Bedeutung bei der Frage, ob lediglich ein rechtlicher Vorteil zugewendet worden sei. Soweit die den dinglichen Belastungen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten übernommen würden, handle es sich nicht mehr lediglich um einen rechtlichen Vorteil, weil der Minderjährige i. V. m. dem Rechtserwerb gleichzeitig Verpflichtungen eingehe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Nach dem für das Streitverfahren geltenden § 330 Abs. 1 i. V. m. § 120 Abs. 1 AO kann das HZA das Zwangsverfahren auch gegen Personen anordnen, die nach bürgerlichem Recht kraft Gesetzes verpflichtet sind, die Zwangsvollstreckung zu dulden. Eine solche Verpflichtung kann sich aus den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes, insbesondere nach dessen § 2, ergeben: Danach ist jeder Gläubiger, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, zur Anfechtung befugt, sofern die Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung geführt hat oder anzunehmen ist, daß sie zu einer solchen nicht führen würde. Nach § 7 Abs. 1 AnfG hat der Gläubiger einen Rückgewähranspruch hinsichtlich des aus dem Vermögen des Schuldners veräußerten Gegenstands in der Weise, daß dieser als noch dem Schuldner gehörend vom Empfänger, dem Anfechtungsgegner, zurückgewähren ist; nach § 7 Abs. 2 AnfG hat der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung diese nur soweit zurückzugewähren, als er durch sie bereichert ist. Im bürgerlich-rechtlichen Verfahren erfolgt die Anfechtung generell durch Klage (§ 9 AnfG), um einen Vollstreckungstitel zu erhalten. Den Besonderheiten des Verwaltungszwangsverfahrens entsprechend ist in der Sonderregelung des § 330 Abs. 1 Satz 2 AO bestimmt, daß die der Anordnung des Zwangsverfahrens vorausgehende Entscheidung des Finanzamts (FA), die in der Form eines Leistungsgebots (§ 326 Abs. 3 Nr. 1 AO) ergehen kann, nur nach vorherigem Gehör des Inanspruchgenommenen erfolgen darf und als vollstreckbarer Titel gilt. Denn das FA ist nicht auf die Beschaffung eines vollstreckbaren Titels im Vollstreckungsverfahren angewiesen und kann selbst den Verwaltungsakt erlassen, der als Leistungsgebot die Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen bildet. Im Fall der Inanspruchnahme nach dem Anfechtungsgesetz muß das FA darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach dem Anfechtungsgesetz das angefochtene Rechtsgeschäft als ihm gegenüber unwirksam zu behandeln ist, und ggf. die betreffende Anfechtungserklärung mit dem Leistungsgebot verbinden, um sich die Vollstreckungsgrundlage zu schaffen (Beschluß des FG Berlin vom 5. Februar 1970 III 145/69, Entscheidungen der Finanzgerichte 1970 S. 236 - EFG 1970, 236 -; Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 30. März 1976 II 9/75, EFG 1976, 588, rechtskräftig; Liman/Schwarz, Steuerbeitreibungsrecht, 3. Aufl., Bd. I S. 86; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 330 AO Anm. 2 bis 3, § 120 AO Anm. 4 j; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 330 AO Anm. 4 e; anderer Meinung lediglich Riewald in Bekker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 330 AO Anm. 4 Abs. 2, der aber ebenfalls als Voraussetzung die Feststellung der Behörde über das Bestehen eines "vollstreckbaren Anspruchs" fordert).
Im Streitfall war das HZA nach § 2 AnfG zur Anfechtung befugt, nachdem es die Vollstreckung in das Vermögen des Vaters der Klägerin vergeblich versucht und aus der von diesem abgegebenen eidesstattlichen Versicherung (§ 332 AO) entnommen hat, daß eine weitere Vollstreckung nicht zu einer vollständigen Befriedigung wegen seiner vollstreckbaren Forderungen führen würde. Anfechtungsgegner ist die Klägerin, weil sie aufgrund des notariellen Vertrags vom 5. Januar 1973 Eigentümerin der ihr zugewendeten Grundstücke geworden ist. Dem steht nicht entgegen, daß sie bei Vertragsabschluß nicht an Stelle ihres nach § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossenen gesetzlichen Vertreters durch einen nach § 1909 BGB bestellten Pfleger vertreten war. Denn als Minderjährige benötigte sie zum Abschluß des Vertrags nicht die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters, weil sie durch den Vertrag lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt hat (§ 107 BGB). Dies ist hinsichtlich der vertraglich übernommenen Grundstücksbelastungen nach herrschender Meinung dann der Fall, wenn persönliche Verpflichtungen des Minderjährigen damit nicht verbunden sind (s. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 37. Aufl., § 107 Anm. 2 mit Hinweisen). Hinsichtlich der mit der Eigentumsübertragung verbundenen Einräumung eines Nießbrauchs sind die Meinungen geteilt. Nach der einen Meinung ist die Vertretung durch einen Pfleger deshalb notwendig, weil es sich um eine Schenkung unter einer Auflage handele und die Bestellung des Nießbrauchs dem Eigentumswechsel nachfolge (s. Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB - BGB-RGRK -, 12. Aufl., § 525 Anm. 1; Entscheidung des Oberlandesgerichts - OLG - München vom 10. März 1942 8 Wx 908/41, Höchstrichterliche Rechtsprechung 1942 Nr. 544 - HRR 1942 Nr. 544 -). Nach der überwiegenden, auf die Entscheidung des Reichsgerichts (RG) vom 10. September 1935 III 42/35 (RGZ 148, 321, 324), gegründeten Meinung ist lediglich ein rechtlicher Vorteil dann gegeben, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er vor Abschluß des Vertrags besaß, nichts aufgeben und dann keine neue Belastung auf sich nehmen muß, damit der Vertrag zustande kommt (s. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 107 Anm. 2 mit Hinweisen). Der Senat schließt sich dieser Meinung an.
Nach § 1 Abs. 2 des Vertrags vom 5. Januar 1973 erfolgte die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück unentgeltlich "... und unter Übernahme der Belastungen, die in Abt. III des Grundbuchs verzeichnet sind mit der Valuta vom 1.1.1973". Soweit die Klägerin auf die Klausel "Valuta vom 1.1.1973" hinweist, deutet nichts darauf hin, daß sie etwa die Übernahme der zu diesem Zeitpunkt möglicherweise bestehenden persönlichen Verpflichtungen beinhaltet. Sie bezieht sich vielmehr auf die am 1. Januar 1973 bestehenden und im Vertrag allein erwähnten und damit auch allein übernommenen dinglichen Belastungen. Was die Einräumung des Nießbrauchs für den Vater der Klägerin betrifft, so ist in § 4 Abs. 3 des Vertrags bestimmt, daß sie mit der Eigentumsübertragung eine rechtliche Einheit bildet. Dies kann nur bedeuten, daß - rechtlich gesehen - das Eigentum am Grundstück, belastet mit einem Nießbrauchsrecht, auf die Klägerin übergehen soll. Diese Vereinbarung kommt dem Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts bei der Auflassung gleich, dessen dingliche Sicherung durch die Klägerin gleichzeitig mit der Eintragung als neue Eigentümerin des Grundstücks vorzunehmen ist (vgl. den an sich den Fall der Einräumung eines Wohnrechts betreffenden, aber weitgehend auf die Probleme bei Bestellung eines Nießbrauchs eingehenden Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts - BayObLG - vom 14. Juni 1967 BReg. 2 Z 26/67, Neue Juristische Wochenschrift 1967 S. 1912 - NJW 1967, 1912 -). Die Klägerin erhält also von vornherein nur ein Grundstück, in dessen voller Nutzung sie durch das Nießbrauchsrecht ihres Vaters beschränkt ist. Sie gibt damit weder etwas aus ihrem Vermögen auf, was ihr bereits gehört hat, noch übernimmt sie eine neue Last. Da auch die Feststellungen des FG nichts ergeben, was darauf hindeuten könnte, daß die Klägerin irgendeine persönliche Verpflichtung gegenüber ihrem Vater übernommen hat, die sich nicht aus dem ihr geschenkten Grundstück selbst ergibt und für die das Grundstück haftet, hat sie aufgrund des Vertrags lediglich einen rechtlichen Vorteil i. S. des § 107 BGB erlangt.
Da die Klägerin somit aufgrund des Vertrags vom 5. Januar 1973 Eigentümerin des fraglichen Grundstücks geworden ist, hat sie die Zwangsvollstreckung in das ihr unentgeltlich übereignete Grundstück wegen der Steuerschulden ihres Vaters nach der im Leistungsgebot des HZA erfolgten Anfechtung gemäß § 330 Abs. 1 i. V. m. § 120 Abs. 1 AO zu dulden, da auch - entgegen der Ansicht des FG - der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG vorliegt. Nach dieser Vorschrift sind die im letzten Jahr vor der Anfechtung von dem Schuldner vorgenommenen unentgeltlichen Verfügungen anfechtbar, sofern es sich nicht um gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke handelt. Nach der zutreffenden Feststellung des FG ist die Jahresfrist eingehalten worden, weil sie erst nach dem mit der Eigentumseintragung im Grundbuch vollendeten Erwerb des Grundstücks zu laufen beginnt und die Eintragung im Streitfall erst nach dem 21. Februar 1973 - das Leistungsgebot datiert vom 21. Februar 1974 - erfolgt ist (s. Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 11. November 1954 IV ZR 64/54, Der Betriebs-Berater 1955 S. 236 - BB 1955, 236 -, und vom 12. Januar 1972 VIII ZR 170/70, Wertpapier-Mitteilungen 1972 S. 363 - WM 1972, 363 -). Nicht zu beanstanden ist auch die Feststellung des FG, die Frist habe mit der Zustellung des Leistungsgebots an beide Eltern als gesetzliche Vertreter der Klägerin begonnen. Diese Zustellung war nicht etwa wegen eines Interessenkonflikts unwirksam. Für die Mutter scheidet ein solcher ohne weiteres aus. Der Vater hatte der Klägerin die Grundstücke zuwenden wollen. Er hatte sich dabei ein Nießbrauchsrecht vorbehalten. Wenn jetzt diese Vorteile durch das zugestellte Leistungsgebot geschmälert werden sollten, sind nur gleichlaufende, nicht aber gegensätzliche Interessen des Vaters und der Klägerin erkennbar, die auf die Erhaltung der erstrebten Vorteile abzielten. Das wird noch dadurch bestätigt, daß der Vater namens des Kindes Rechtsbehelfe gegen das Leistungsgebot ergriff.
Der vom FG unrichtig interpretierte Begriff der unentgeltlichen Verfügung ist nach allgemeiner Meinung entsprechend dem Zweck der Vorschrift auszulegen, der darauf geht, vollstreckbare Rechte von Gläubigern im Hinblick auf ihre Durchsetzung gegen die Folgen unentgeltlicher Vermögensübertragungen möglichst zu schützen (s. Böhle/Stamschräder, Anfechtungsgesetz, 4. Aufl., § 3 III 1 mit Hinweisen). Dem Zwecke der Gläubigeranfechtung genügt es, daß der Schuldner aus seinem Vermögen einen Zugriffswert aufopfert, für den nicht ein nach Auffassung der Beteiligten ausgleichender Gegenwert zu leisten ist. Beweggrund und Erfolg haben keine ausschlaggebende Bedeutung (s. Jäger, Gläubigeranfechtung, 2. Aufl. § 3 Anm. 47). Demnach kommt es entgegen der Ansicht des FG nicht auf einen objektiven Wertvergleich zwischen dem Wert des Grundstücks und den übernommenen dinglichen Lasten, sondern entscheidend darauf an, ob diese Lasten eine Gegenleistung als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks darstellen. Wirtschaftlich gesehen vermindert deren Übernahme aber im Streitfall lediglich den tatsächlichen vollen Wert des Grundstücks - hinsichtlich des Nießbrauchsrechts den Nutzungswert für eine gewisse Zeit - für die Klägerin. Die Übernahme dieser bereits vor dem endgültigen Eigentumsübergang bestehenden Lasten stellt auch nach dem im Vertrag erklärten Willen der Vertragsparteien keine Gegenleistung in dem Sinn eines entgeltlichen Erwerbs dar. Denn danach handelt es sich insgesamt um eine unentgeltliche Zuwendung zum Zweck einer vorweggenommenen Erbfolge, mit der, wie das FG an sich zutreffend festgestellt hat, Erbschaftsteuer erspart werden sollte. Rechtsirrig hat das FG allerdings angenommen, daß dieser Zweck nur durch die Übertragung belasteter Grundstücke hätte erreicht werden können und deshalb die Vertragsparteien keine unentgeltliche Verfügung beabsichtigt hätten. Denn die angeblich mit Rücksicht auf die bevorstehende Erhöhung der Erbschaftsteuer vorgenommene Vermögensübertragung hätte Steuern ersparen können, unabhängig davon, ob die Grundstücke belastet waren oder nicht. Im übrigen kommt es nicht auf die Motive der Beteiligten an, sondern allein darauf, ob eine wertausgleichende Zuwendung i. S. einer entgeltlichen Gegenleistung vorliegt. Die Klägerin erbringt auch nicht etwa, wie sie meint, dadurch eine Gegenleistung, daß sie das Grundstück als Sicherungsobjekt ihrem Vater zur Verfügung stellt. Denn sie hat - auch wirtschaftlich gesehen - nicht den vollen Wert des Grundstücks erhalten, sondern dessen um den Wert der übernommenen Belastungen einschließlich des Nießbrauchsrechts geminderten Wert, wobei das Grundstück wie vorher als Sicherungsobjekt den bisherigen Grundpfandrechtsinhabern erhalten blieb. Anders läge der Fall beim käuflichen Erwerb eines Grundstücks, bei dem eine Hypothek unter Anrechnung auf den Preis übernommen wird. In diesem Fall spricht im Zweifel die Übernahme der Hypothek für eine Gegenleistung in Gestalt der Befreiung des Verkäufers von der persönlichen Schuld (s. Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 416 Anm. 1).
Im Streitfall sind die Vertragsparteien ganz offensichtlich davon ausgegangen, daß die dinglichen Belastungen bestehenbleiben sollten, ohne daß dies mit der Übernahme einer persönlichen Verbindlichkeit verbunden gewesen wäre. Dafür spricht auch, daß sie - durch einen Notar beraten - die Bestellung eines Pflegers nicht für erforderlich hielten, was bei Übernahme von persönlichen Verbindlichkeiten durch die minderjährige Klägerin oder bei Annahme eines entgeltlichen Vertrags nicht zu umgehen gewesen wäre. Wenn das FG zur Unterstützung seiner anderen Auffassung auf die Handhabung des Grundbuchamts M im Falle der Übertragung eines Grundstücks auf die Schwester der Klägerin hinweist, so sieht die Revision darin mit Recht einen Denkfehler, da man nicht allein aus einer anderen Auffassung eines anderen Grundbuchamts - die zudem im Gegensatz zu dem Willen der Vertragsschließenden stand und noch dazu am gleichen Tag geäußert wurde - auf den Willen der Vertragsschließenden rückschließen kann.
Die Vorentscheidung war daher wegen der unzutreffenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts im Hinblick auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, so daß auf das Vorliegen der Anfechtungstatbestände des § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AnfG nicht eingegangen zu werden braucht.
Fundstellen
Haufe-Index 72867 |
BStBl II 1978, 663 |
BFHE 1979, 500 |