Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Gewerbesteuerfreiheit einer Privatkrankenanstalt, die die übrigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (ß 11 Abs. 2 bis 4 GewStDV 1950, § 11 Abs. 2 bis 7 Dritte GewStDV) erfüllt, tritt regelmäßig erst ein, wenn die Konzession nach § 30 der Reichsgewerbeordnung von der höheren Verwaltungsbehörde tatsächlich erteilt ist. Die Entscheidung dieser Behörde über die Erteilung oder Versagung der Konzession ist grundsätzlich für die Steuerbehörden und Steuergerichte bindend.
Normenkette
GewStG § 3 Ziff. 6; GewStDV § 11 Abs. 5
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH hat das Krankenhaus X und das Sanatorium Y betrieben. Sie ist zunächst nicht zur Gewerbesteuer herangezogen worden, weil sie in besonderem Masse der minderbemittelten Bevölkerung gedient hat (ß II Abs. 2 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -). Bei einer im Jahre 1952 durchgeführten Betriebsprüfung ist jedoch festgestellt worden, daß die gemäß § II Abs. 5 GewStDV für die Steuerbefreiung erforderliche Konzession nach § 30 der Reichsgewerbeordnung für die Betriebstätte in X in den streitigen Steuerabschnitten nicht vorgelegen hat. Das Finanzamt hat deshalb die Beschwerdeführerin (Bfin.) mit ihrem gesamten Betrieb für 1949, 1950 und 1951 als gewerbesteuerpflichtig behandelt und entsprechende Gewerbesteuermeßbescheide erlassen.
Mit dem Einspruch hat die Bfin, geltend gemacht, es sei zwar formell richtig, daß für das Krankenhaus X keine Konzession vorliege. Dies beruhe jedoch auf einem Versäumnis der Behörden und könne ihr daher nicht zum Nachteil gereichen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Konzession sei, so führt die Einspruchsentscheidung aus, zunächst mit der Begründung verweigert worden, daß die Betriebsgebäude der Bfin. in dem damaligen Zustand für die vorgesehenen Zwecke nicht geeignet seien. Erst nachdem ein Teil dieser Mängel abgestellt worden sei, seien wenigstens einige Hinderungsgründe für die Erteilung der Konzession beseitigt gewesen. Aus der Vorläufigkeit der - inzwischen im Januar 1953 erteilten - Konzession lasse sich entnehmen, daß auch die Beseitigung der übrigen Mängel noch gefordert worden sei. Daraus, daß die Bfin. der Forderung, die Bettenzahl wesentlich zu verringern, nicht nachgekommen sei, lasse sich schließen, daß sie den Betrieb ihrer Anstalten nach rein wirtschaftlichen Rentabilitätsgrundsätzen geführt habe.
In der Berufung hat die Bfin. hervorgehoben, daß sie alles getan habe, was billigerweise von ihr habe verlangt werden können, um die Konzession alsbald zu erhalten. Auch die Berufung blieb erfolglos. § II Abs. 5 GewStDV schaffe, so führt das Finanzgericht aus, eine unwiderlegbare Vermutung dahin, daß bei Vorliegen einer Konzession Hinderungsgründe im Sinne des § 30 unter a bis d der Reichsgewerbeordnung nicht bestünden. Die Steuerbehörde sei mithin auch nicht befugt, die Rechtmäßigkeit einer erteilten Konzession nachzuprüfen. Es könnten aber auch Fälle eintreten, in denen eine Konzession nicht oder noch nicht vorliege, obgleich Hinderungsgründe nicht beständen, z. B. wenn die Konzession aus Ursachen verzögert werde, die der Steuerpflichtige nicht zu vertreten habe. In einem solchen Falle wäre es ungerechtfertig, dem Pflichtigen wegen dieser Verzögerung steuerliche Nachteile zuzufügen. Eine Steuerbefreiung bei Fehlen der Konzession werde freilich nur für Fälle eintreten können, in denen offensichtlich und einwandfrei der Konzessionserteilung keine Hinderungsgründe entgegenständen. Bestünden hingegen im Einzelfall Zweifel hierüber, so müsse die Steuerbehörde die Entscheidung der Konzessionsbehörde anerkennen. Der Steuerbehörde sei es hier im Falle einer endgültigen oder vorläufigen Versagung einer Konzession verwehrt, den Standpunkt einzunehmen, daß diese eigentlich hätte erteilt werden müssen, und demgemäß die Voraussetzungen einer Steuerermäßigung als gegeben zu betrachten.
Anhand der beigezogenen, die Konzession betreffenden Akten der Verwaltungsbehörde kommt das Finanzgericht zu dem Schluß, daß hier ein Fall der zuletzt genannten Art vorliege. Der Regierungspräsident als Konzessionsbehörde habe im Laufe des Verfahrens wiederholt auf sanitäre Mängel und bauliche Unzulänglichkeiten hingewiesen und deren Abstellung verlangt. In teilweiser Erfüllung der Auflage seien zunächst von der Bfin. einige Umbauten vorgenommen worden. In einem späteren Schreiben an den Landrat habe die Bfin. eine Umorganisation des Betriebs ab I. Januar 1953 in Aussicht gestellt, um den Anforderung für die Konzession zu genügen. In der Konzessions-Urkunde des Regierungspräsidenten werde die Genehmigung zum Betrieb eines Privatkrankenhauses unter Auflagen erteilt; vor allem sei die Konzessionserteilung auf eine bestimmte Anzahl Betten beschränkt worden.
Tatsächlich habe, so führt das Finanzgericht weiter aus, die Bfin. das Krankenhaus in einem Umfang betrieben, der wegen der vorhandenen baulichen und sanitären Mängel die Konzession verhindert habe. Das Finanzgericht habe nicht nachzuprüfen, ob wie die Bfin. behaupte, bei Anlegung des Maßstabes, nach dem die Konzession im Jahre 1953 erteilt worden sei, das Krankenhaus bereits für die streitigen Steuerabschnitte konzessionsreif gewesen sei, weil die baulichen und sanitären Verhältnisse auch nach Erteilung der Konzession im wesentlichen noch dem früheren Zustande entsprochen hätten. Demgegenüber genüge die Feststellung, daß die Konzession bisher wegen tatsächlich bestehender Hinderungsgründe versagt worden sei. Nach alledem liege kein Ersatztatbestand vor, der trotz Fehlens der Konzession die Gewerbesteuerbefreiung zulasse.
Den von der Bfin. gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat das Finanzgericht einstimmig zurückgewiesen, da anhand der Akten der Verwaltungsbehörde der Sachverhalt so erschöpfend habe geklärt werden können, wie es für die gewerbesteuerliche Beurteilung erforderlich gewesen sei.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht die Bfin. unter Hinweis auf ihr früheres Vorbringen geltend, das Finanzgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Ersatztatbestands verneint. In formeller Hinsicht rügt die Rb. mangelndes rechtliches Gehör. Das Finanzgericht hätte die beigezogenen Akten nicht im Urteil verwerten dürfen, ohne sie vorher über deren Inhalt zu unterrichten. Außerdem hätten es dem Antrag auf mündliche Verhandlung stattgeben müssen, um den von ihr benannten Zeugen Gelegenheit zur Aussage zu geben.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die formelle Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Wie die Akten ersehen lassen, hat der Vorsitzende des Finanzgerichts mit Schreiben vom 12. Januar 1955 dem Bevollmächtigten der Bfin. den Inhalt der Akten der Verwaltungsbehörde über die Erteilung der Konzession, soweit er später im Urteil verwertet worden ist, bekanntgegeben und damit dem Erfordernis des rechtlichen Gehörs Genüge getan. In der Ablehnung des Antrags auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch das Finanzgericht könnte allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Verletzung des rechtlichen Gehörs erblickt werden, wenn die Möglichkeit naheliegen würde, daß bei weiterer Klärung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung die Entscheidung anders ausgefallen wäre (vgl. Urteil IV 410 52 U vom 29. Oktober 1953, Slg. Bd. 58 S. 239. Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 6). Diese Voraussetzung ist jedoch hier nicht gegeben. Denn es ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, dem Finanzgericht darin beizutreten, daß auf Grund der beigezogenen Akten der Verwaltungsbehörde der Sachverhalt so erschöpfend, wie es die Urteilsfindung notwendig war, hat geklärt werden können.
Für die sachliche Entscheidung ist die Rechtsgrundlage die Vorschrift des § 11 Abs. 5 GewStDV 1950, wonach einer Privatkrankenanstalt Steuerfreiheit nach § 11 Abs. 2 bis 4 a. a. O. nicht zusteht, wenn sie keine Konzession (ß 30 der Reichsgewerbeordnung) hat. Für die Erhebungszeiträume 1949 und 1950 kommt gemäß § 40 Abs. 1 GewStDV 1950 noch die in der Fassung abweichende, aber inhaltlich gleiche Vorschrift des § 11 Abs. 8 Dritte GewStDV vom 31. Januar 1940 in Betracht ("Privatkrankenanstalten gehören nur dann zu den Krankenanstalten im Sinne der Abs. 2 bis 7, wenn sie die Konzession nach § 30 der Reichsgewerbeordnung besitzen"). Nach der genannten Bestimmung der Reichsgewerbeordnung ist Voraussetzung für die Erteilung der Konzession, daß keiner der dort unter a bis d aufgeführten Hinderungsgründe vorliegt. Die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Konzession fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der höheren Verwaltungsbehörde. Die Konzessionserteilung stellt einen konstitutiven (rechtschaffenden) Verwaltungsakt dar. Ist, wie hier, das Vorliegen eines solchen Verwaltungsaktes Tatbestandsmerkmal für eine Steuerbefreiungsvorschrift, so muß die Entscheidung der Verwaltungsbehörde grundsätzlich für die Steuerbehörden und Steuergerichte bindend sein. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach keine allgemeine Bindung der Steuergerichte und Steuerbehörden an die Entscheidungen anderer Behörden besteht (vgl. Urteil IV 605/53 U vom 9. September 1954, Slg. Bd. 59 S 240, BStBl II S. 303, und die dort angeführten weiteren Urteile), kann auf einen Fall wie den vorliegenden nicht angewendet werden. Die erwähnte Rechtsprechung geht von der überlegung aus, daß es dem Sinn und Zweck des Steuerrechts und des steuerlichen Verfahrens widersprechen würde, wenn der Staat die rechtliche Beurteilung von Tatbeständen nicht den Behörden übertragen wollte, die für diesen Zweck geschaffen und deren Beamte für die Erfüllung dieses Zweckes ausgebildet seien. Es handelt sich bei dieser Rechtsprechung im wesentlichen um gutachtliche äußerungen oder Bescheinigungen von Verwaltungsbehörden, die zum Nachweis von Tatbeständen für eine steuerliche Befreiung dienen sollen. In derartigen Fällen muß der Steuerbehörde das Recht zur Prüfung bleiben, ob die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung tatsächlich erfüllt sind. Anders ist die Lage im Streitfall, wo, wie ausgeführt, das Vorliegen eines rechtschaffenden Verwaltungsaktes der Behörde der inneren Verwaltung Voraussetzung für eine Steuerbefreiung ist; hier bleibt diese Behörde bei ihrer Entscheidung im Rahmen des ihr zugewiesenen Rechtsgebiets und greift nicht in die Würdigung steuerlicher Tatbestände ein.
Es ist deshalb im Streitfall davon auszugehen, daß die Frage, ob für die Krankenanstalt X eine Konzession nach § 30 der Reichsgewerbeordnung zu erteilen ist oder nicht, grundsätzlich der Entscheidung der Behörde der inneren Verwaltung überlassen bleiben muß, und daß diese Entscheidung für die Steuerbehörden und Steuergerichte bindend ist. Ob von diesem Grundsatz, wie das Finanzgericht meint, eine Ausnahme in den Fällen zu machen ist, in denen eine Konzession nicht oder noch nicht vorliegt, obwohl offensichtlich und einwandfrei keine Hinderungsgründe bestehen, kann dahingestellt bleiben. Denn dem Finanzgericht ist darin beizutreten, daß ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Die Verwaltungsbehörde hat vielmehr, wie die vom Finanzgericht beigezogenen Konzessionsakten zweifelsfrei ersehen lassen, die Konzession in den Streitjahren deshalb nicht erteilt, weil sie eine Reihe von Hinderungsgründen für gegeben erachtet und auf deren Beseitigung hingearbeitet hat. Die im Januar 1953 erteilte Konzession hat keine rückwirkende Kraft. Dies ergibt sich aus dem in den Konzessionsakten enthaltenen, der Bfin. vom Finanzgericht ebenfalls bereits mitgeteilten Aktenvermerk, worin festgestellt ist, daß sich die Inhaber der Bfin. durch den Betrieb des Krankenhauses nach den §§ 147, 148 der Reichsgewerbeordnung strafbar gemacht haben.
Nach alledem ist durch das Verfahren der Behörden der inneren Verwaltung für das steuerliche Verfahren bindend festgestellt, daß die Bfin. in den Streitjahren das Krankenhaus X ohne Konzession betrieben hat. Damit entfällt aber gemäß § 11 Abs. 5 GewStDV 1950 (ß 11 Abs. 8 Dritte GewStDV) die Gewerbesteuerbefreiung.
Das Finanzamt hat auch mit Recht die Steuerpflicht der Bfin. für ihren gesamten Betrieb bejaht. Eine Aussonderung des konzessionierten Betriebs des Sanatoriums Y kommt nicht in Betracht. Denn nach der Feststellung des Betriebsprüfers sind bei diesem für sich betrachtet die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 GewStDV 1950 bzw. Dritte GewStDV nicht erfüllt.
Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408316 |
BStBl III 1956, 20 |
BFHE 1956, 50 |
BFHE 62, 50 |