Leitsatz (amtlich)
Die Begriffsmerkmale eines „Empfangsgeräts für das Fernsehen” i. S. der Tarifnr. 85.15 GZT erfüllt eine Ware auch dann, wenn sie nur für den drahtgebundenen Bildempfang geeignet ist.
Normenkette
GZT Tarifnr. 85.15
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 10. Januar 1980 bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über eine als „Spiel-Monitor” bezeichnete Ware. Diese besteht im wesentlichen aus einer Kathodenstrahlröhre (Bildröhre), einem Eingangstransformator, einem Zeilentransformator, Verstärkerstufen für Video-Signale und für Audio sowie einer auf den Hals der Bildröhre aufgesetzten Ablenkeinheit. Die Bildröhre und die übrigen Bauteile sind auf ein Chassis ohne Gehäuse montiert.
Die Ware ist zum Einbau in sog. Video-Spieltische bestimmt, kann jedoch nach ihrem technischen Aufbau auch in Datenverarbeitungsgeräten oder zur Wiedergabe von Aufnahmen mit Video-Kameras verwendet werden. Ein HF-Empfangsteil für drahtlos übertragene Fernsehbilder fehlt, wird für den vorgesehenen Verwendungszweck auch nicht benötigt. Die Ware wird ohne die Steuerplatinen geliefert, die für die Verwendung in Video-Spielgeräten erforderlich sind und die Video-Signale für die verschiedenen Video-Spiele abgeben.
In der vZTA vom 7. März 1980 wies die OFD die Ware unter Anwendung der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 2 a als (unvollständiges) „Empfangsgerät für das Fernsehen” der Tarifst. 85.15 A III b) 2 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese begehrte, die Ware einer Tarifnummer des Kap. 97 GZT zuzuweisen, wies die OFD am 2. Juli 1981 mit folgender Begründung zurück:
Die Ware sei ein Gerät, das allgemein zur Anzeige und Darstellung von Video-Signalen und alphanumerischen Zeichen über Draht von einer beliebigen „Quelle”, z. B. einem Rechner, einem Video-Recorder, einer Kamera oder auch einem Video-Spielgerät verwendet werden könne. Diese vielseitige Verwendbarkeit sei von Sachverständigen bestätigt worden. Das Gerät enthalte auch keine Teile, z. B. Steuerplatinen, die eine spezielle Zweckbestimmung für Spielgeräte des Kap. 97 GZT erkennen ließen. Eine Tarifierung als erkennbares Teil von Video-Spielgeräten der Tarifnr. 97.04 GZT gemäß Vorschrift 4 zu Kap. 97 sei danach auszuschließen. Zwar fehlten dem Gerät wesentliche Bauelemente, die zum Empfang des Fernsehprogramms der Rundfunkanstalten erforderlich seien. Zur Tarifnr. 85.15 GZT gehörten jedoch nicht nur die sog. Hausfernsehempfänger (vgl. Erläuterungen zum Zolltarif – ErlZT–zu 85.15, Teil I Rdnr. 20), sondern auch andere Geräte, die Video-Signale empfangen und sichtbar machen könnten, wie z. B. die in ErlZT zu 85.15, Teil I Rdnr. 22 beschriebenen Fernsehempfänger für industrielle Zwecke (Fernablesen von Kontrollinstrumenten, Beobachtung gefährdeter Räume), bei denen die Übertragung zum Gerät über Draht (von einer Kamera) stattfinde. Auch diese Geräte verfügen über kein Empfangsteil. Das Argument der Klägerin, das Gerät könne ohne den Einbau zusätzlicher Baugruppen auch nicht im Kabelbetrieb eingesetzt werden, greife nicht durch.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend:
Die Ware könne nicht als Fernsehempfangsgerät qualifiziert werden, auch nicht über die ATV 2 a, die voraussetze, daß die unvollständige oder unfertige Ware die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale einer vollständigen oder fertigen Ware habe. Die Frage, wann eine unvollständige Ware die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale einer vollständigen Ware habe, könne nur nach der Zweckbestimmung und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte beantwortet werden. Die Ware sei zum Einbau in Spielgeräte bestimmt und ausschließlich für diesen Zweck ausgerüstet. Ohne zusätzliche An- bzw. Umbauten oder Veränderungen eigne sie sich nicht als Fernsehempfänger, sei es im privaten, kommerziellen oder technischen Bereich. Dabei werde nicht verkannt, daß die Bildröhre selbst durchaus vielseitig verwendbar sein könne. Wirtschaftlich gesehen komme die Ware jedoch nur für Spielgeräte in Betracht. Der Einbau in Fernsehgeräte würde durch Umbauten oder Abänderungen so teuer, daß er unwirtschaftlich wäre. Außerdem erfülle die Ware hinsichtlich ihrer Bildqualität nicht die an Fernsehempfänger oder Datensichtgeräte gestellten Anforderungen. Die Ware könne somit weder nach dem äußeren Eindruck noch technisch oder wirtschaftlich als unvollständiges Fernsehgerät bezeichnet werden.
Die Ware könne nur unter die Tarifnr. 97.04 GZT eingeordnet werden, da sie zu den dort erwähnten „Gesellschaftsspielen… zur öffentlichen Benutzung” gehöre. Sie werde nicht durch die Tarifnr. 85.15 GZT erfaßt, da in den ErlZT Teil I zu dieser Tarifnummer unter Buchst. B Nrn. 7 bis 9 (= Rdnrn. 20 bis 22) Monitore für Spielgeräte nicht aufgeführt seien.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die angefochtene vZTA aufzuheben und die OFD zu verpflichten, ihr eine neue vZTA dahin zu erteilen, daß die Ware zur Tarifnr. 97.04 GZT gehöre.
Die OFD beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die OFD hat die als „Spiel-Monitoren” bezeichnete Ware in der angefochtenen vZTA zu Recht der Tarifst. 85.15 A III b) 2 GZT zugewiesen, die „Empfangsgeräte für das Fernsehen” erfaßt. Der GZT stellt mit diesem Begriff wie in der Regel auch sonst auf die objektiven Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften der Ware ab, nicht auf den Zweck, zu dem sie nach ihrer Einfuhr verwendet werden soll (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 16. Dezember 1976 RS. 38/76, EuGHE 1876, 2027, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1977, 302, und Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 5. März 1980 VII R 62/77, BFHE 131, 124). Die Tarifst. 85.15 A III b) 2 GZT erfaßt somit schlechthin Geräte, die nach ihren objektiven Beschaffenheitsmerkmalen und Eigenschaften geeignet sind, die im Rahmen des Fernsehens übertragenen Signale zu empfangen. Da es nur auf die Eignung zum Empfang solcher Signale ankommt, ist es unerheblich, auf welche Weise die Signale übertragen werden. Die Tarifstelle erfaßt also nicht nur Geräte, die für den Empfang drahtlos übertragener Fernsehbilder geeignet sind, sondern auch solche, mit denen durch Kabel übertragene Signale aufgenommen werden können. Die in den ErlZT zu 85.15, Teil I Rdnr. 12 vertretene Auffassung, hierher gehörten auch Fernsehgeräte, die durch Draht übertragene Signale empfangen können, stellt somit eine zutreffende Auslegung der Tarifnummer dar.
Die hier in Rede stehende Ware besteht unstreitig aus einer Kathodenstrahlröhre (Bildröhre), einem Eingangstransformator, einem Zeilentransformator, Verstärkerstufen für Video-Signale und für Audio sowie einer auf den Hals der Bildröhre aufgesetzten Ablenkeinheit und ist in dieser Beschaffenheit für den drahtgebundenen Bildempfang geeignet Damit erfüllt sie die Begriffsmerkmale eines „Empfangsgeräts für das Fernsehen”. Da die Ware schon in ihrer beschriebenen Beschaffenheit geeignet ist, im Rahmen des Fernsehens übertragene Signale zu empfangen, wenn auch nur solche, die durch Kabel übertragen werden, wird sieunmittelbar durch die Tarifst. 85.15 A III b) 2 GZT erfaßt. Sie ist schon in dieser Beschaffenheit geeignet, im Rahmen des Fernsehens durch Kabel übertragene Signale zu empfangen, und insofern eine vollständige, fertige Ware. Die ATV 2 a Satz 1 und Nr. 5, wonach jede Anführung einer Ware in einer Tarifnummer oder Tarifstelle auch für die unvollständige oder unfertige Ware gilt wenn sie die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale einer vollständigen oder fertigen Ware hat, ist daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Es ist unerheblich, daß die „Spiel-Monitoren” nicht mit einem HF-Empfangsteil für die drahtlose Übertragung von Fernsehbildern versehen sind. Denn schon ihre Eignung zum drahtgebundenen Bildempfang macht sie zu „Empfangsgeräten für das Fernsehen”. Unerheblich ist auch, daß sie nicht mit einem Gehäuse versehen sind. Denn ein solches hat für ihre Eignung als Empfangsgeräte keine Bedeutung (vgl. ATV 2 a Satz 1).
Die Ware kann nicht der Tarifst. 85.15 C GZT zugewiesen werden. Diese erfaßt nurTeile der in den Tarifst. 85.15 A und B GZT erwähnten Geräte, nicht aber auch eine Ware, die selbst ein Gerät i. S. dieser Tarifstellen ist.
Der Umstand, daß die Ware zum Einbau in Video-Spielgeräte bestimmt ist, also Teil solcher Geräte werden soll, könnte nach Vorschrift 4 zu Kap. 97 ihre Tarifierung wie eine Ware dieses Kapitels nur dann rechtfertigen, wenn diese Zweckbestimmung erkennbar wäre. Die objektiven Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften der Ware lassen diese Zweckbestimmung jedoch nicht erkennen. Ob dies anders wäre, wenn die Ware zusammen mit den Steuerplatinen geliefert und gestellt würde, die für ihre Verwendung in Video-Spielgeräten erforderlich sind, kann dahinstehen. Denn die Ware wird ohne diese Steuerplatinen geliefert.
Die Erwägungen der Klägerin über Sinn und Zweck der Zölle und deren wirtschaftspolitische Bedeutung können bei der Entscheidung über die Frage, wie die „Spiel-Monitoren” in den GZT einzuordnen sind, nicht berücksichtigt werden. Denn maßgebend für die Tarifierung einer Ware sind nach der ATV 1 Satz 2 der Wortlaut der Tarifnummern, die Vorschriften zu den Abschnitten und Kapiteln sowie die ATV.
Fundstellen
Haufe-Index 510443 |
BFHE 1982, 365 |