Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Verkäufer eines unerschlossenen Grundstücks der Gemeinde gegenüber nach § 123 Abs. 3 BBauG zur Erschließung des Grundstücks verpflichtet, so sind die an den Verkäufer zu entrichtenden Kosten des künftigen Erschließungsaufwands kein Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine Erschließungskostenpauschale vereinbart wird, es sei denn, daß die Erschließungskostenpauschale eine verdeckte Gegenleistung für das unerschlossene Grundstück enthält.
Normenkette
GrEStG § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) kaufte durch Vertrag vom 29. Oktober 1970 ein unbebautes noch nicht erschlossenes Grundstück im Gewerbegebiet der Gemeinde G.
Der Kaufpreis wurde dem Ergebnis einer nach Vertragsabschluß durchgeführten Vermessung angepaßt und am 20. Juli 1972 endgültig mit 122 745 DM vereinbart.
Die Gemeinde hatte die Erschließung des Gebietes dem Verkäufer übertragen, der sie nach Maßgabe des am 22. Juni 1972 genehmigten Bebauungsplans durchzuführen hatte. Nach dem Erschließungsvertrag aus dem Jahre 1968 war der Verkäufer berechtigt, die Zahlung von Erschließungsbeiträgen von den Erwerbern zu verlangen.
Der Verkäufer verpflichtete sich in dem Vertrag vom 29. Oktober 1970 (Abschn. XVII) dem Kläger gegenüber, das Grundstück unabhängig von den tatsächlich anfallenden Erschließungskosten für einen Preis von 18 DM je m2 der "Nettogrundstücksfläche" zu erschließen. Davon waren 5 DM je m2 bei Vertragsschluß, der Rest bei Beginn der Erschließungsarbeiten zu zahlen. Der Verkäufer brauchte über die Erschließungskosten nicht abzurechnen. Eventuell auf die Erschließungskosten anfallende Mehrwertsteuer durfte nicht getrennt in Rechnung gestellt werden; sie war in dem Preis von 18 DM je m2 Grundstücksfläche enthalten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt) setzte die Grunderwerbsteuer unter Einbeziehung der Erschließungskosten als Teil der Gegenleistung fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht gab der Klage statt und setzte die Grunderwerbsteuer auf 8 592,15 DM herab.
Mit der Revision wendet sich das Finanzamt gegen die Auffassung des Finanzgerichts, die Verpflichtung zur Aufschließung des Grundstücks sei Teil eines mit dem Kaufvertrag verbundenen weiteren Vertrags.
Das Finanzamt beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Erschließungskostenpauschale ist kein Teil der Gegenleistung; denn sie kann - was im Streitfall allein in Betracht käme - nicht als sonstige Leistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gewertet werden.
1. "Sonstige Leistungen" sind nur dann Teil der Gegenleistung, von deren Wert die Grunderwerbsteuer berechnet wird, wenn der Erwerber sie als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder der Veräußerer sie als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27. Juni 1968 II 112/64, BFHE 93, 183 [185], BStBl II 1968, 690; vom 21. November 1974 II R 61/71, BFHE 114, 507 [509], BStBl II 1975, 362; Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 11 Rdnr. 7).
Die Verpflichtung des Erwerbers, kraft öffentlichen Rechts entstehende Erschließungskosten zu tragen, erhöht nur dann den Wert der Gegenleistung, wenn die Beitragspflicht (§ 133 Abs. 2 des Bundesbaugesetzes - BBauG -) vor dem grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgang schon entstanden war (Urteile des Bundesfinanzhofs II 112/64, BFHE 93, 183 [187]; vom 10. November 1970 II 188/65, BFHE 101, 300 [302], BStBl II 1971, 252). Bestand die Beitragspflicht im Erwerbszeitpunkt noch nicht, so führt eine gleichwohl übernommene Verpflichtung, sie zu erfüllen, nicht zur Erhöhung der Gegenleistung, da der Erwerber nur eine ihn ohnehin kraft Gesetzes treffende Verbindlichkeit zu erfüllen verspricht (§ 134 BBauG; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 112/64; vom 19. November 1968 II R 16/68, BFHE 94, 160 [161], BStBl II 1969, 90; II 188/65).
Hat die Gemeinde die Erschließung auf einen Dritten übertragen (§ 123 Abs. 3 BBauG), so gehören vom Erwerber übernommene Erschließungskosten dann zur Gegenleistung, wenn das Grundstück im Erwerbszeitpunkt erschlossen war. Sind im Falle des § 123 Abs. 3 BBauG die Erschließungskosten noch nicht entstanden, so gehört die vom Erwerber übernommene Verpflichtung, sie zu tragen, grundsätzlich nicht zur Gegenleistung; denn Grundstücke werden regelmäßig in dem Zustand veräußert, in dem sie sich bei der Veräußerung befinden (Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, a. a. O., § 11 GrEStG Rdnr. 188 b, Anhang Rdnr. 1032). Auf diesem Grundsatz beruht auch die Einbeziehung im Erwerbszeitpunkt kraft öffentlichen oder privaten Rechts entstandener Erschließungskosten in die Gegenleistung. Es sind aber insofern abweichende Vereinbarungen möglich, als der Veräußerer die kaufvertragliche Verpflichtung (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) übernehmen kann, das Grundstück in erschlossenem Zustand zu verschaffen (Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, a. a. O., Anhang Rdnr. 1030).
2. a) Im Streitfall war das Grundstück unstreitig bei Abschluß des Kaufvertrags vom 29. Oktober 1970 noch nicht erschlossen. Dem Vertrag läßt sich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, daß abweichend von dem dargestellten Grundsatz vom Veräußerer die kaufvertragliche Verpflichtung übernommen wurde, das Grundstück zu erschließen. In der Vertragsurkunde wurden zwei selbständige Geldforderungen begründet und ebenso zwei unterschiedliche Leistungspflichten des Veräußerers. Über die Fälligkeit beider Forderungen wurden selbständige und voneinander abweichende Bestimmungen getroffen. Ferner ist die Wirksamkeit des Kaufvertrags, wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, nicht von der Durchführung der Erschließung abhängig gemacht. Schließlich enthält die Vertragsurkunde auch sonst keine Bestimmung, der sich entnehmen ließe, das Grundstück sei als erschlossenes verkauft worden. Es mag zwar zutreffen, daß der Veräußerer aus der von ihm durchzuführenden Erschließung finanziellen Nutzen gezogen hat, was der Kläger anscheinend unter Hinweis auf die Umsatzsteuerbelastung der Erschließungsleistung bestreiten will. Daraus allein könnte indes nicht entnommen werden, das Grundstück sei als erschlossenes verkauft worden; denn auch durch die Erbringung werkvertraglicher Leistungen pflegen Gewinne erstrebt zu werden.
Auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1973 VII ZR 246/72 (BGHZ 61, 359), auf das sich das Finanzamt beruft, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Bundesgerichtshof hat hier entschieden, daß der Erschließungsträger, der gemäß § 123 Abs. 3 BBauG der Gemeinde gegenüber die Erschließung eines Geländes übernommen hat, von dem Eigentümer eines zum Erschließungsgebiet gehörenden Grundstücks anteiligen Ersatz der Erschließungsaufwendungen weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag noch aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen kann, sondern daß ihm ein derartiger Anspruch nur dann zusteht, wenn der Grundstückseigentümer sich zur Übernahme der Kosten verpflichtet hat. Daraus folgt für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung lediglich, daß eine die Beitragspflicht nach §§ 127 ff. (133, 135) BBauG vollständig ersetzende vertragliche Gestaltung allein dann vorliegt, wenn nicht nur der Erschließungsträger der Gemeinde gegenüber die Herstellung der Erschließungsanlage übernommen hat, sondern wenn sich auch noch die Grundstückseigentümer des Erschließungsgebiets dem Erschließungsträger gegenüber zur Übernahme der anteiligen Erschließungskosten verpflichtet haben. Aus dem Vorliegen einer derartigen Verpflichtung allein folgt somit nicht, das Grundstück sei als erschlossenes verkauft worden.
Der Grundsatz, daß Erschließungskosten eines unerschlossen verkauften Grundstücks nicht Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung sind, gilt auch dann, wenn eine Erschließungskostenpauschale vereinbart worden ist. Eine andere Beurteilung ist allerdings geboten, wenn der Kaufpreis oder ein sonstiger Teil der Gegenleistung verdeckt in der Erschließungskostenpauschale enthalten sind. Im Streitfall bietet der Sachverhalt keinen Anhalt dafür, daß ein Teil der Gegenleistung in der Erschließungskostenpauschale enthalten ist.
b) Auch der nach dem Vertrag vom 29. Oktober 1970 sofort fällige Teil der Erschließungskostenpauschale gehört nicht zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Zwar können bei öffentlich-rechtlicher Erhebung der Erschließungskosten Vorauszahlungen gefordert werden (§ 133 Abs. 3 Satz 1 BBauG). Übernimmt der Erwerber eines Grundstücks derartige Vorausleistungen, so gehören sie jedenfalls dann nicht zur Gegenleistung, wenn die Vorausleistungen auf die endgültig vom Erwerber zu tragenden Erschließungskosten anzurechnen sind oder wenn ihm, falls die Erschließung unterbleibt, der Erstattungsanspruch gegen die Gemeinde zusteht (vgl. Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, a. a. O., § 11 GrEStG Rdnr. 189 a). Der Kläger hätte von dem Veräußerer im Streitfall Rückgewähr des sofort fälligen Teils der Erschließungskostenpauschale verlangen können, falls die Erschließung nicht vom Veräußerer durchgeführt worden wäre.
Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob im Hinblick auf einen möglichen Formmangel des Erschließungsvertrags eine andere rechtliche Beurteilung geboten wäre, falls die Vertragsparteien sich auf die Unwirksamkeit des Erschließungsvertrags berufen hätten. Da die Vertragsparteien die Wirkungen dieses Vertrags haben bestehen lassen, kommt es für die steuerrechtliche Beurteilung auf das Vorliegen eines etwaigen Formmangels nicht an (§ 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes, § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 73186 |
BStBl II 1979, 577 |
BFHE 1979, 92 |