Leitsatz (amtlich)
Ist zu prüfen, ob Ehegatten nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu veranlagen sind, so dürfen ihre Einkünfte zur Ermittlung der nach dieser Vorschrift maßgeblichen Grenzen nicht deshalb zusammengerechnet werden, weil die Ehegatten einen Antrag auf gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich gestellt haben.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1, § 42 Abs. 1 S. 2; DBA AUT Art. 15
Tatbestand
Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Der Ehemann war im Kalenderjahr 1965 von Januar bis Oktober als Beamter der Stadt X 1) und danach als Angestellter eines Steuerberaters tätig. Sein Brutto-Jahresarbeitslohn betrug 7 779 DM. Seine Arbeitgeber behielten von seinem Arbeitslohn Lohnsteuer und Kirchensteuer nach Steuerklasse III ein.
Die Ehefrau war im Kalenderjahr 1965 als Sekretärin beim Österreichischen Konsulat in X 1) beschäftigt. Ihr Jahresgehalt betrug 7 080 DM. Deutsche Lohnsteuer und Kirchensteuer wurden von ihrem Gehalt nicht einbehalten, da das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte nach Art. 10, 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BStBl I 1955, 370) der Republik Österreich zustand.
Dem Antrag der Steuerpflichtigen auf Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs entsprach der Revisionsbeklagte (FA) zunächst, hob jedoch in der Einspruchsentscheidung den Erstattungsbescheid wieder auf und lehnte die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs mit der Begründung ab, daß die Steuerpflichtigen gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen seien.
Die von den Steuerpflichtigen gegen diese Einspruchsentscheidung erhobene Klage mit dem Antrag, das FA zur Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zu verurteilen, blieb erfolglos. Die Klage der Ehefrau hielt das FG für unzulässig, da diese gegen den Erstattungsbescheid keinen Einspruch eingelegt habe. Zur Klage des Ehemannes trat das FG in seiner in den EFG 1969, 289 veröffentlichten Entscheidung der Auffassung des FA bei, daß eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgen müsse.
Das FG hat die Revision ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwerts zugelassen.
Mit der Revision beantragen die Steuerpflichtigen, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, daß dem Kläger im Lohnsteuer-Jahresausgleich 620,60 DM Lohnsteuer und 49,60 DM Kirchensteuer zu erstatten seien. Gerügt wird die unrichtige Anwendung des § 46 EStG sowie des Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich. Der Progressionsvorbehalt könne im Verfahren des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nicht berücksichtigt werden, eine Einkommensteuerveranlagung komme andererseits nicht in Betracht.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es macht sich im wesentlichen die Erwägungen des FG zu eigen.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 FGO). Er vertritt die Auffassung, daß die Steuerpflichtigen nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu veranlagen seien. Denn wenn Ehegatten, die nicht dauernd getrennt lebten, die Zusammenveranlagung wählten, seien ihre Einkünfte für die Ermittlung der nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG maßgeblichen Grenzen für das Einkommen und die Einkünfte, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist, zusammenzurechnen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Ehemannes führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Revision der Ehefrau ist nicht begründet.
a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 EStG wird ein Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht durchgeführt, wenn der Arbeitnehmer zu veranlagen ist. Zu Unrecht haben FA und FG angenommen, die Steuerpflichtigen seien zu veranlagen.
§ 25 EStG bestimmt als Grundsatz, daß die Einkommensteuer nach dem Einkommen veranlagt wird. Von diesem Grundsatz schafft § 46 EStG eine Ausnahme für den Fall, daß das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht. Eine Einkommensteuerveranlagung wird in diesen Fällen nur dann durchgeführt, wenn bestimmte in § 46 EStG umschriebene Voraussetzungen erfüllt sind. Keine der dort genannten Voraussetzungen ist im vorliegenden Falle gegeben.
Eine Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG setzt voraus, daß bei einem Einkommen bis zu 24 000 DM Einkünfte vorliegen, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist und daß diese Einkünfte insgesamt mehr als 800 DM betragen. Die Frage, ob im Einkommen bestimmte Einkünfte enthalten sind, durfte bei der gegebenen Sachlage nicht unter Berücksichtigung der Einkünfte beider Ehegatten beurteilt werden. Einkommen im Sinne des EStG ist der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt sich grundsätzlich nur unter Berücksichtigung der Einkünfte einer Person. Er kann jedoch bei der Zusammenveranlagung auch aus den Einkünften mehrerer Personen bestehen. Im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten sind die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen (§ 26b Satz 2 EStG). Zusammenveranlagung nach § 26 EStG setzt aber voraus, daß überhaupt zu veranlagen ist. Daher kann, wenn nur eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Betracht kommt, die Zusammenrechnung der Einkünfte der Ehegatten nicht mit der Zusammenveranlagung begründet werden.
Die Vorschrift des § 26b EStG kommt abgesehen davon im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung, weil die in § 26 EStG genannten Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung der Ehegatten nicht vorliegen. Insbesondere haben die Ehegatten einen Antrag auf Zusammenveranlagung nicht gestellt. Der Antrag auf Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs kann nicht als Antrag auf Zusammenveranlagung verstanden werden, zumal die Steuerpflichtigen gerade durch ihren Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs zu erkennen geben, daß sie eine Einkommensteuerveranlagung nicht wünschen. Aus diesem Grund erlaubt im vorliegenden Falle auch § 26 Abs. 3 EStG nicht die Unterstellung, die Ehegatten hätten die Zusammenveranlagung gewählt.
Soweit sich aus den Urteilen des BFH VI 193/62 U vom 21. Februar 1964 (BFH 79, 31, BStBl III 1964, 244) und IV 2/64 vom 10. September 1964 (StRK, Einkommensteuergesetz, § 46 Abs. 2 Nr. 1, Rechtsspruch 3) eine andere Auffassung ergeben sollte, könnte ihr der Senat nicht folgen.
Ist demnach im Streitfall bei Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur auf die Einkünfte jedes einzelnen der Ehegatten abzustellen, so darf eine Einkommensteuerveranlagung nicht durchgeführt werden. Denn der Ehemann hat keine Einkünfte erzielt, von denen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen worden ist. Die Ehefrau hat zwar solche Einkünfte erzielt; diese Einkünfte haben aber gemäß § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 DBA-Österreich bei der deutschen Besteuerung außer Ansatz zu bleiben. Sie können sich auch nicht gemäß Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich (sog. Progressionsvorbehalt) bei der deutschen Besteuerung auswirken, da - anders als im Fall des Urteils des BFH I R 77/69 vom 25. Mai 1970 (BFH 99, 303, BStBl II 1970, 640) - inländische Einkünfte der Ehefrau, auf die ein durch diese ausländischen Einkünfte erhöhter Steuersatz anzuwenden wäre, nicht vorliegen.
Auch § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG 1965 scheidet als Grundlage für eine Einkommensteuerveranlagung aus, denn keiner der Ehegatten hat die Durchführung einer getrennten Einkommensteuerveranlagung beantragt.
b) Danach steht einem Lohnsteuer-Jahresausgleich nichts im Wege.
Die Voraussetzungen eines gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs liegen allerdings nicht vor. Die Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist nach §§ 7 a, 5 Abs. 2 Nr. 4a der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) nur zulässig, wenn beide Ehegatten im Ausgleichsjahr Arbeitslohn bezogen haben. Hieran fehlt es im vorliegenden Falle. Zwar hat die Ehefrau im Streitjahr als Angestellte des Österreichischen Generalkonsulats Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Diese Einkünfte gehören aber nach § 3 Abs. 41 EStG, § 6 Nr. 19 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1, 15 Abs. 1 DBA-Österreich nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn und damit nicht zum "Arbeitslohn" im Sinne des § 6 JAV.
Der von den Steuerpflichtigen gemeinsam gestellte Antrag auf Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs enthält indes hilfsweise das Begehren des Ehemannes, das FA möge - beschränkt auf seine Person - den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen. FA und FG haben - aus ihrer Sicht folgerichtig - diesen eingeschränkten Antrag noch nicht überprüft. Der Senat kann mangels hinreichender vom FG getroffener tatsächlicher Feststellungen über diesen Antrag nicht entscheiden, weshalb die Sache an das FG zurückverwiesen werden muß.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, daß bei Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs für den Ehemann die von der inländischen Steuer befreiten Einkünfte der Ehefrau nicht zur Erhöhung des Steuersatzes für den Ehemann herangezogen werden dürfen.
1) in der Bundesrepublik Deutschland.
Fundstellen
Haufe-Index 69566 |
BStBl II 1971, 734 |
BFHE 1972, 53 |