Leitsatz (amtlich)
Ein von der Grundsteuer befreites Dienstgrundstück eines Geistlichen oder Kirchendieners ist grundsätzlich nur anzunehmen, wenn der betreffende Grundbesitz unmittelbar zum Unterhalt des Stelleninhabers bestimmt ist und der Stelleninhaber über Nutzungsart und Erträgnisse befinden kann. Als Dienstgrundstück gilt ausnahmsweise auch solcher Grundbesitz, an dem ein Nießbrauch des Stelleninhabers nicht mehr besteht, bei dem aber durch Landesrecht ausdrücklich das Grundsteuerprivileg aufrechterhalten wurde.
Normenkette
GrStG i.d.F. des ÄndG vom 24. August 1965 § 4 Nr. 5c; GG Art. 3, 20 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin eines fortwirtschaftlichen Betriebs. Dieser Betrieb wird von der Evang. Pfarrgutverwaltung beim Evang. Oberkirchenrat verwaltet. Er gehört zum Stellenfonds (Dotationsfonds) der Klägerin. Seine Erträge werden an die Landeskirchenkasse abgeliefert. Im Haushaltsplan der Evang. Landeskirche ist der für die Pfarrbesoldungszwecke gebundene Ertrag in einem besonderen Einnahmetitel ausgewiesen. Der jeweilige Stelleninhaber der Klägerin ist nicht berechtigt, über Nutzungsart und Erträge des forstwirtschaftlichen Betriebs zu verfügen.
Für den forstwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin wurde zuletzt zum 1. Januar 1938 ein Einheitswert von 542 300 RM/DM festgestellt und ein Grundsteuermeßbetrag in Höhe von 5 403 RM/DM festgesetzt. Die Klägerin beantragte, diesen Betrieb ab 1. Januar 1966 von der Grundsteuer freizustellen, weil er ein Dienstgrundstück im Sinne des § 4 Nr. 5c GrStG in der ab 1. Januar 1966 geltenden Fassung sei. Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) lehnte den Antrag ab. Der Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid hatte keinen Erfolg.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin rügt unrichtige Anwendung des § 4 Nr. 5c GrStG. Der durch die Rechtsprechung des BFH geprägte Begriff des Dienstgrundstücks sei aus dem preußischen Recht abgeleitet. Das Pfründesystem habe aber nicht einmal in Preußen unverändert bestanden. Denn durch die Pfarrerbesoldungsgesetze von 1898 und 1909 sei den Stelleninhabern der Nießbrauch am Pfründevermögen weitgehend entzogen worden. Trotzdem habe die Grundsteuerbefreiung weiter bestanden. Sie sei nach einer Unterbrechung von 1936 bis 1951 durch § 4 Nr. 5c GrStG in der Fassung vom 10. August 1951 wiederhergestellt worden. Von einem einheitlichen Begriff des Dienstgrundstücks könne damit seit langem nicht mehr gesprochen werden. Es habe seit 1909 grundsteuerbefreite Dienstgrundstücke gegeben, für die eine nießbrauchsähnliche Verwaltungsbefugnis durch den Stelleninhaber bestanden habe und solche, für die sie bereits erloschen gewesen sei. In Württemberg sei das Pfründesystem schon zu Beginn der Neuzeit durch die Kirchenordnung Herzog Christophs von 1559 abgeschafft und die Besoldungsgrundstücke seien zusammengefaßt und zentral verwaltet worden. Bei der Säkularisation sei dieses Vermögen mit dem übrigen Staatsvermögen vereinigt worden. Seit 1901 befänden sich lediglich wirtschaftlich weniger bedeutende Hausgärten noch in der unmittelbaren Verwaltung durch den Stelleninhaber. Obwohl es damit in Württemberg seit langem eine unmittelbare Verwaltung der Besoldungsgrundstücke durch den Stelleninhaber nicht mehr gebe, seien die Dienstgrundstücke bis 1938 von der Grundsteuer befreit gewesen. Der Schwerpunkt der den Kirchen gewährten Grundsteuerbefreiung habe damit bei den zentralverwalteten Dienstgrundstücken gelegen. Damit könne die nießbrauchsähnliche Verwaltung durch den Stelleninhaber zumindest in Württemberg nicht Wesensmerkmal des Begriffs "Dienstgrundstück" sein. Es sei unwahrscheinlich, daß der Gesetzgeber des Jahres 1951 durch § 4 Nr. 5c GrStG a. F. nur an den Begriff des Dienstgrundstücks nach preußischem Recht habe anknüpfen wollen; denn damit hätte er die Aufhebung der landesrechtlichen Grundsteuerprivilegien nur zum Teil rückgängig machen können. Bei einer grammatischen Auslegung des Begriffs "Dienstgrundstück" lasse sich zumindest seit der Grundsteuernovelle von 1965 kein Anhalt mehr dafür finden, daß der Stelleninhaber das Besoldungsgrundstück selbst verwalten müsse. Der Sinn der Neufassung dieser Vorschrift sei ab 1. Januar 1966 gewesen, die Kirchen innerhalb des gesamten Bundesgebietes gleichzustellen. Da heute eine weitgehende Zentralverwaltung der Besoldungsgrundstücke bestehe, wäre diese Gleichstellung mit der bisherigen Auslegung des Begriffs "Dienstgrundstück" nicht erreicht worden. Sie sei nur zu erreichen, wenn von dem Erfordernis der persönlichen Verwaltung durch den Stelleninhaber abgesehen werde. Jede andere Auslegung führe zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung und verstoße damit gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den streitbefangenen forstwirtschaftlichen Betrieb von der Grundsteuer freizustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, durch die Neufassung des § 4 Nr. 5c GrStG habe der Gesetzgeber das bisherige Grundsteuerprivileg der Kirchen nicht erweitern wollen. Er habe lediglich für das gesamte Bundesgebiet eine einheitliche Handhabung der bisher nur territorial anwendbaren Befreiungsvorschrift erreichen wollen. Dementsprechend habe er nur Begriffe verwendet, die bereits bisher für die Abgrenzung des Befreiungstatbestandes maßgebend gewesen seien. Danach gehöre zum Begriff des Dienstgrundstücks, daß der Stelleninhaber wie ein Nießbraucher über dessen Erträgnisse verfügen könne.
Die Revision ist unbegründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
I.
1. Nach § 4 Nr. 5c GrStG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24. August 1965 (BGBl I 1965, 905 BStBl I 1965, 407) - im folgenden: GrStG n. F. - sind u. a. die Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener bis zu dem Ende des Kalenderjahres von der Grundsteuer befreit, in dem die schon vor dem 1. April 1938 nach landesrechtlichen Vorschriften geltenden Grundsteuerbefreiungen abgelöst werden. Der Wortlaut dieser Vorschrift sagt unmittelbar nichts darüber aus, daß der Umfang der Befreiung sich nach den früheren landesrechtlichen Vorschriften richten soll. Die früheren landesgesetzlichen Regelungen werden aber im Zusammenhang mit der zeitlichen Begrenzung der Grundsteuerbefreiungen erwähnt. Für die Auslegung von Gesetzen ist nicht allein der Wortlaut maßgebend, sondern der in der anzuwendenden Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Vorschrift hineingestellt ist (BVerfGE 10, 234 [244]). Dabei kommt der Entstehungsgeschichte einer Rechtsnorm insofern Bedeutung zu, als sie herangezogen werden kann, um die Richtigkeit des Auslegungsergebnisses zu bestätigen oder Zweifel zu beheben, die anders nicht ausgeräumt werden können.
2. Mit dem Begriff "Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener" hat der Gesetzgeber des Jahres 1965 ersichtlich an § 4 Nr. 5c GrStG in der Fassung vom 10. August 1951 (BGBl I 1951, 519; BStBl I 1951, 466) - im folgenden: GrStG a. F. - angeknüpft. Auch die weitere Regelung, daß die zeitliche Geltungsdauer des Befreiungstatbestandes bis zur Ablösung der vor dem 1. April 1938 nach Landesrecht bestehenden Privilegien begrenzt sein soll, zwingt zu der Annahme, daß der Gesetzgeber dem Begriff des Dienstgrundstücks nicht einen neuen, vom früheren Landesrecht unabhängigen Inhalt geben wollte. Jedenfalls kann das nicht daraus entnommen werden, daß das Grundsteuerprivileg für Dienstgrundstücke auf Gebiete ausgedehnt wurde, in denen es nach Landesrecht ein solches Privileg nie gab. Die gebotene Auslegung unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, in den § 4 Nr. 5c GrStG n. F. hineingestellt ist, ergibt damit, daß sich der sachliche Inhalt des Begriffs "Dienstgrundstück" durch die Änderung der Fassung mit Wirkung vom 1. Januar 1966 grundsätzlich nicht im Sinn einer sachlichen Erweiterung des Befreiungstatbestandes verändert hat.
Aus dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 16. Juni 1965 (Bundestags-Drucksache IV/3631) ist zu entnehmen, die bisherige Regelung sei insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von den Kirchen als Härte empfunden worden, die nach früheren Landesrecht keine Grundsteuerprivilegien hatten. Weiter wird wörtlich ausgeführt: "Nach dem Gesetzentwurf bleiben die nach früherem Landesrecht bisher geltenden Grundsteuerbefreiungen grundsätzlich bestehen; bis zu einer etwaigen späteren Ablösung dieser (negativen) Staatsleistungen, sollen die nach der früheren Landesgesetzgebung von dem Privileg ausgeschlossenen Kirchen jedoch gleichgestellt werden." Hierdurch wird nach Auffassung des Senats eindeutig das Auslegungsergebnis bestätigt, daß die Neufassung des § 4 Nr. 5c GrStG nicht zu einer sachlichen Erweiterung des bis dahin bestehenden Befreiungstatbestandes führte.
3. Die territoriale Erweiterung des in einer Vielzahl heute nicht mehr geltender Landesgesetze begründeten Grundsteuerprivilegs setzte allerdings voraus, daß trotz der vielgestaltigen Regelung eine einheitliche Vorstellung über den Inhalt des Begriffs "Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener" bestand. Denn andernfalls hätte der Gesetzgeber sagen müssen, welcher der mehreren differierenden Begriffe in den Gebieten anzuwenden ist, in denen es landesrechtlich ein derartiges Privileg überhaupt nicht gab. Nur wenn man von einem derartigen einheitlichen Begriff des Dienstgrundstücks ausgeht, verstößt § 4 Nr. 5c GrStG n. F. nicht gegen das GG.
4. Der in Art. 20 Abs. 3 GG niedergelegte Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlangt, daß ein Gesetz, um den Anforderungen der Rechtssicherheit zu genügen, für den Rechtsunterworfenen klar erkennen lassen muß, was Rechtens ist. Es ist zwar nicht erforderlich, daß das Gesetz den Tatbestand selbst festlegt, sondern es kann auch auf andere Normen verweisen. Auch die Verweisung auf nicht mehr in Kraft befindliche Normen ist mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Notwendig ist aber immer, daß klar erkennbar ist, welche Rechtsvorschriften Gesetzeskraft haben sollen (BVerfGE 8, 274 [302]).
Das Grundsteuerrecht war vor Erlaß des GrStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 986) eine sehr unübersichtliche Rechtsmaterie. Nach Kühne "Das Grundsteuergesetz vom 1. Dezember 1936", Anm. 1 zu § 4 Ziff. 5, war die Rechtslage nach Landesrecht in bezug auf die Behandlung von Kirchengrundstücken fast unübersehbar. Dies kam nicht nur in den Beratungen des Bundestags von 1951 über die Wiedereinführung der landesrechtlichen Grundsteuerprivilegien für Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener zum Ausdruck, in denen davon gesprochen wurde, daß das frühere Landesrecht ein buntscheckiges Bild bot (vgl. Protokoll über die 158. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 9. Juli 1951 S. 6332 C ff.), sondern es zeigt auch das BFH-Urteil III 1/63 U vom 30. Juli 1965 (BFH 83, 180, BStBl III 1965, 566). In dem damals entschiedenen Fall führte die bundesrechtliche Verweisung auf das Landesrecht dazu, daß die maßgebende Rechtsnorm erst über zahlreiche Weiterverweisungen auf landesrechtliche Vorschriften, die zum Teil aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammten, gefunden werden konnte. Für manche Gebiete der heutigen Bundesrepublik Deutschland sind diese Vorschriften schwer zugänglich. Im Hinblick darauf drängt sich die Frage auf, ob § 4 Nr. 5c GrStG n. F. überhaupt verfassungskonform ist. Denn die pauschale Bezugnahme auf die landesrechtlichen Befreiungsvorschriften, die vor dem 1. April 1938 maßgebend waren, läßt die in bezug genommenen Bestimmungen nicht klar erkennen; teilweise ist es wegen Weiterverweisungen nur schwer möglich, ihren Inhalt mit Sicherheit festzustellen (vgl. BVerfGE 5, 25 [33]). Außerdem ist offen, welche Regelung in Gebieten maßgebend sein soll, in denen es ein derartiges Grundsteuerprivileg in der Vergangenheit nicht gab. Das Gewicht dieser Bedenken wird nicht dadurch vermindert, daß auch das Grundsteuerprivileg der Kirchen durch eine Verfassungsnorm gesichert ist. Denn der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit ist ein so allgemeiner und fundamentaler Grundsatz des GG, daß er in seinem Inhalt nicht eingeschränkt werden darf. Dies muß um so mehr gelten, wenn die Regelung für einen bestimmten Fall im GG nur allgemein enthalten ist, und die besondere Ausgestaltung für das einzelne Rechtsgebiet, wie im Fall des § 4 Nr. 5c GrStG, durch einfaches Recht erfolgte.
Läßt eine Gestzesvorschrift jedoch mehrere Auslegungen zu, die teilweise zu verfassungswidrigen und teilweise zu verfassungsmäßigen Ergebnissen führt, so ist die Vorschrift verfassungsmäßig und muß verfassungskonform ausgelegt werden (BVerfGE 19, 1 [5]). Der Senat glaubt deshalb, die erheblichen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Nr. 5c GrStG n. F. dadurch ausräumen zu können, daß er den Begriff "Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener" unter Berücksichtigung des in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Verfassungsgrundsatzes dahin auslegt, es handle sich um einen einheitlichen Begriff für das gesamte Bundesgebiet, der so anzuwenden ist, wie er aus dem Landesrecht durch die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts entwickelt und geprägt worden ist und dem Bundesgesetzgeber bei Wiedereinführung des früheren landesrechtlichen Privilegs bekannt war. Außerdem sind solche Grundstücke der Kirchen von der Grundsteuer befreit, die nach Landesrecht wie ein Dienstgrundstück behandelt werden, obwohl sie diese vormalige Eigenschaft inzwischen verloren haben (fiktive Dienstgrundstücke).
II.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats erfordert der Begriff "Dienstgrundstück eines Geistlichen" im Sinne des preußischen Rechts, daß der betreffende Grundbesitz unmittelbar zum Unterhalt des Stelleninhabers bestimmt ist, und daß der Stelleninhaber über dessen Nutzungsart und Erträgnisse zu befinden hat (BFH-Entscheidung III 1/63 U, a. a. O., mit weiteren Nachweisen). Dagegen genügt es nicht, daß der Grundbesitz zwar zu dem der Besoldung des Stelleninhabers gewidmeten Vermögen gehört und seine Erträgnisse tatsächlich für die Besoldung verwendet werden, der Stelleninhaber aber selbst über Nutzungsart und Erträgnisse nicht verfügen kann (BFH-Entscheidung III 283/58 U vom 10. Juli 1959, BFH 69, 283, BStBl III 1959, 368). Der Senat sieht sich in der Auffassung, daß der Begriff des Dienstgrundstücks im Sinne des § 4 Nr. 5c GrStG n. F. einheitlich für das gesamte Bundesgebiet nur in diesem Sinne verstanden werden kann, dadurch bestätigt, daß sich auch aus den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften des Landes Württemberg nichts anderes ergibt. Nach Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer vom 28. April 1873 in der Fassung vom 8. August 1903 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 1903 S. 344) bleiben von der Besteuerung durch die Grundsteuer frei, "die als Besoldung der im diesseitigen Staats-, Kirchen- und Schuldienst angestellten Beamten und Diener verliehenen Grundstücke und nutzbaren Rechte". Als Besoldung verliehene Grundstücke können aber nur solche sein, über deren Nutzungsart und Erträge der Stelleninhaber, dem sie "verliehen" sind, selbst verfügen kann. Kann er das nicht oder nicht mehr, so ist das Grundstück nicht oder nicht mehr verliehen im Sinne der vorstehenden Befreiungsvorschrift; es ist damit kein Dienstgrundstück. Dies ergibt sich auch daraus, daß in einzelnen preußischen Landesteilen mit dem Übergang von der Pfründeverwaltung zur zentralen Pfarrerbesoldung und damit zur zentralen Verwaltung der Pfründegrundstücke die bis dahin bestehende Grundsteuerbefreiung ausdrücklich auf den zentral verwalteten Grundbesitz ausgedehnt wurde (vgl. BFH-Entscheidung III 1/63 U, a. a. O.). Wäre mit dem Wegfall der Verwaltung durch den Stelleninhaber die Eigenschaft als Dienstgrundstück nicht verlorengegangen, so hätte es einer derartigen Regelung nicht bedurft. Die Klägerin bezeichnet Grundstücke, die zwar der Pfarrerbesoldung gewidmet sind, über deren Nutzungsart und Erträge der Stelleninhaber aber nicht verfügen kann, als Besoldungsgrundstücke. Eine Grundsteuerbefreiung für Besoldungsgrundstücke in diesem Sinn sieht das geltende Grundsteuerrecht grundsätzlich nicht vor.
Das FG hat unangefochten und damit für den Senat verbindlich festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß der jeweilige Stelleninhaber der Klägerin kein Recht hat, über Nutzungsart und Erträge des forstwirtschaftlichen Betriebs zu verfügen. Damit ist eine Befreiung von der Grundsteuer nach § 4 Nr. 5c GrStG n. F. grundsätzlich nicht möglich.
2. Eine Ausnahme wäre nur dann gegeben, wenn beim Übergang zur zentralen Pfarrerbesoldung das Grundsteuerprivileg für die einstigen Dienstgrundstücke aufrechterhalten worden wäre. In Württemberg sind den Stelleninhabern die Verwaltungsbefugnisse durch das Kirchengesetz betreffend die Kirchliche Besoldungskasse und Stolgebühren vom 21. Januar 1901 (Amtsblatt des Württembergischen Evangelischen Konsistoriums und der Synode 1901 S. 189) entzogen und auf die kirchlichen Besoldungskassen übertragen worden. Dieses Gesetz enthält keine Regelung, aus der entnommen werden könnte, daß das Grundsteuerprivileg für die früheren Dienstgrundstücke aufrechterhalten werden sollte. Auch aus dem Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuergesetz vom 22. August 1922 (Regierungsblatt für Württemberg 1922 S. 327) ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Nach Art. 2 Abs. II Nr. 2 dieses Gesetzes sind von der Grundsteuer die Grundstücke befreit, deren Nutzung mit dem Amt eines Beamten oder mit einer Kirchen- oder Schulstelle verbunden ist, "soweit ihnen schon bisher Befreiung zukam". Damit begründet dieses Gesetz keinen neuen selbständigen Befreiungstatbestand für Dienstgrundstücke der Kirchendiener, sondern hält nur den bisher schon bestehenden aufrecht.
3. Die Grundsteuerbefreiung kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht damit begründet werden, daß die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 5c GrStG n. F. aufgrund § 1 Abs. 2 StAnpG heute anders auszulegen und anzuwenden wäre als zu Zeiten der Verwaltung des Pfründevermögens durch den Stelleninhaber. Der Senat ist allerdings der Meinung, daß auch Befreiungsvorschriften so auszulegen sind, wie es dem im Wortlaut des Gesetzes unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs ausgedrückten Zweck entspricht (BFH-Entscheidung II 56/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 255, BStBl II 1970, 597). Die Tatsache, daß das GrStG als Befreiungsvoraussetzung allgemein die unmittelbare Nutzung des betreffenden Grundbesitzes für den begünstigten Zweck fordert (§ 6 GrStG), rechtfertigt nach Auffassung des Senats allein nicht eine andere Auslegung des in dem vormaligen Landesrecht begründeten Grundsteuerprivilegs für Dienstgrundstücke der Geistlichen und Kirchendiener. Andererseits kann die bei der Auslegung zu berücksichtigende Entwicklung der Verhältnisse nicht dazu führen, daß der Regelungsbereich einer Vorschrift verändert wird. § 1 Abs. 2 StAnpG berechtigt nicht dazu, einer bestehenden Befreiungsvorschrift einen anderen Zweck zu unterlegen (vgl. BFH-Entscheidung II 109/65 vom 28. April 1970, BFH 99, 250, BStBl II 1970, 600). Wenn man der Klägerin folgen würde, so müßten nicht nur Dienstgrundstücke, sondern auch sogenannte Besoldungsgrundstücke von der Grundsteuer freigestellt werden. Für diese Auslegung finden sich im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte. Einer so weitgehenden Auslegung stände auch entgegen, daß die Verwendung eines historischen Begriffs, wie den des Dienstgrundstücks, für die Berücksichtigung gewandelter Verhältnisse in der Organisation der Kirchen enge Grenzen zieht.
Diese Rechtsauffassung widerspricht nicht dem Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 der Weimarer Verfassung. Denn danach haben die Kirchen zwar Anspruch darauf, daß die bisherigen Staatsleistungen nicht ohne Ablösung wegfallen; dies gilt auch für die negativen Staatsleistungen in Form des Grundsteuerprivilegs für Dienstgrundstücke. Dagegen haben die Kirchen keinen Anspruch darauf, daß die Grundsteuerbefreiung über den verfassungsrechtlich zugesicherten Rahmen hinaus entsprechend der wirtschaftlichen und organisatorischen Entwicklung der Kirchenverwaltungen erweitert wird. Eine derartige Fortentwicklung des Grundsteuerprivilegs läge vielmehr allein in dem durch Art. 140 GG nicht gebundenen Ermessen des Gesetzgebers. Den Gerichten ist es dagegen verwehrt, Rechtsvorschriften auf Sachverhalte anzuwenden, die eindeutig außerhalb des Regelungsbereichs dieser Vorschriften liegen. Dies kann auch nicht aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG hergeleitet werden, den der Senat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht für verletzt hält.
Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen vielfach ausgesprochen, der Gleichheitssatz werde nur dann verletzt, wenn der Gesetzgeber es versäumt habe, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten Betrachtungsweise beachtet werden müßten (BVerfGE 9, 201 [206]). Welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse im Rechtssinn als gleich oder ungleich behandelt werden können, bestimmt grundsätzlich der Gesetzgeber (BVerfGE 6, 273 [280]). Der Gleichheitssatz wird nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt; die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung muß evident sein (BVerfGE 18, 121 [124]).
Die Behauptung der Klägerin, das Erfordernis der Nutzung des Stellenvermögens durch den Stelleninhaber führe dazu, daß die Parität der beiden großen christlichen Kirchen gestört werde, weil in den evangelischen Kirchen Zentralverwaltung bestehe, während in der katholischen Kirche entsprechend dem kanonischen Recht noch die Verwaltung durch den Stelleninhaber üblich sei, erscheint dem Senat nicht ohne weiteres durchschlagend. Der Gleichheitssatz kann nämlich nach Auffassung des Senats nicht an der Besteuerung der beiden Kirchen schlechthin gemessen werden, sondern nur an den konkreten Verhältnissen des Besteuerungsgegenstandes. Die Tatsache, daß in einem Fall der Stelleninhaber das der Dotierung der Stelle gewidmete Vermögen selbst verwaltet, während er im anderen Fall von dessen Verwaltung ausgeschlossen ist, erscheint dem Senat aber immerhin als ein hinreichender Anknüpfungspunkt, die beiden Fälle als ungleich im Rechtssinn zu behandeln, wenn man berücksichtigt, daß der Gesetzgeber die bestehende Regelung in Ausführung eines Verfassungssatzes, nämlich des Art. 140 GG, getroffen hat, dessen Ziel es ersichtlich ist, einen historischen Besteuerungszustand in die Gegenwart zu übertragen. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es für den Verlust der Eigenschaft als Dienstgrundstück gleichgültig ist, ob den Stelleninhabern der Nießbrauch am Stellenvermögen durch Kirchengesetz allgemein entzogen wird, oder ob sie, wie es in der katholischen Kirche zum Teil der Fall sein soll, ohne ein derartiges Kirchengesetz und möglicherweise im Widerspruch zu einer bestehenden Rechtslage gegenüber der Zentralstelle durch Einzelerklärung auf den Nießbrauch verzichten.
Fundstellen
Haufe-Index 69588 |
BStBl II 1971, 781 |
BFHE 1972, 85 |