Schätzung des landwirtschaftlichen Kulturbodens
Hintergrund: Als Grünland genutzte Ackerflächen
A erwarb in 2013 u.a. drei landwirtschaftlich genutzte Flurstücke im Marschland Schleswig-Holsteins. Der Schätzungsausschuss des für die Bodenschätzung zuständigen FA hatte 1938 diese Flurstücke als Acker-Grünland (Wechselland) eingestuft. Sie waren damals als Ackerland genutzt worden. Seit Anfang der 70er Jahre wurden sie nur noch als Grünland genutzt. Eine Verschlechterung der natürlichen Ertragsbedingungen war seit der Bodenschätzung nicht eingetreten.
Im Rahmen eines Verfahrens zur Nachfeststellung des Einheitswerts nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BewG erklärte A, die Nutzungsart Ackerflächen entspreche nicht (mehr) den tatsächlichen Verhältnissen. Es handele sich um Grünlandflächen. Das FA lehnte eine Nachschätzung ab und stellte später (2016) fest, das Schätzungsergebnis aus 1938 werde nicht geändert.
Das FG wies die Klage, mit der A eine Einstufung weiterhin als Wechselland, aber wegen der vorherrschenden Grünlandnutzung als Grünland-Acker begehrte, ab. Das FG ging davon aus, entscheidend sei die aufgrund der natürlichen Ertragsbedingungen mögliche Ackernutzung. Danach handele es sich unverändert um Ackerland. Die Flurstücke seien – unabhängig von der tatsächlichen Bewirtschaftung - nach wie vor ackerfähig. Wegen der langjährigen Grünlandnutzung liege kein Wechselland (mehr) vor.
Entscheidung: Gemeinübliche Bewirtschaftung
Ob die Bodenschätzung im Ergebnis zutreffend ist, hängt von der der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechenden gemeinüblichen Bewirtschaftung ab (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BodSchätzG). Dazu hat das FG bislang keine Feststellungen getroffen.
Voraussetzungen einer Nachschätzung
Eine Nachschätzung ist (u.a.) durchzuführen, wenn sich die Nutzungsart (§ 2 BodSchätzG) nachhaltig geändert hat (§ 11 Abs. 1 Alt. 2 BodSchätzG). Bei der Feststellung der Nutzungsarten (Ackerland oder Grünland) ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BodSchätzG von einer der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechenden gemeinüblichen Bewirtschaftung auszugehen. Zentraler Begriff für die Feststellung der Nutzungsart ist danach die gemeinübliche Bewirtschaftung, die ihrerseits der natürlichen Ertragsfähigkeit entsprechen muss. Die tatsächliche Nutzung ist nicht entscheidend. Dieser Maßstab gilt auch für das Wechselland. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BodSchätzG ist bei einem regelmäßigen Wechsel verschiedener Nutzungsarten (Wechselland) die vorherrschende Nutzungsart anzunehmen.
Keine gemeinübliche Bewirtschaftung bei nicht der Ertragsfähigkeit entsprechender Nutzung
Eine Bewirtschaftung, die zwar allgemein üblich ist, aber der natürlichen Ertragsfähigkeit nicht entspricht, ist damit keine gemeinübliche Bewirtschaftung i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 BodSchätzG. Sie kann der Feststellung der Nutzungsart nicht zugrunde gelegt werden. Die natürliche Ertragsfähigkeit knüpft nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BodSchätzG an die natürlichen Ertragsbedingungen an. Das bedeutet, dass eine Bewirtschaftung, die nicht den natürlichen Ertragsbedingungen entspricht, nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BodSchätzG für die Nutzungsart nicht maßgebend ist. Die natürlichen Ertragsbedingungen bilden so über die natürliche Ertragsfähigkeit einen Rahmen, der nicht verlassen werden darf.
Unterschiedliche gemeinübliche Bewirtschaftungsformen
Bei gleicher natürlicher Ertragsfähigkeit können jedoch (an verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten) unterschiedliche gemeinübliche Bewirtschaftungsformen bestehen. Eine Verengung auf lediglich eine einzige denkbare gemeinübliche Bewirtschaftung (bei identischen Ertragsbedingungen) ist § 2 Abs. 2 Satz 1 BodSchätzG nicht zu entnehmen. Wenn sowohl die Ackernutzung als auch die Grünlandnutzung der natürlichen Ertragsfähigkeit entspricht, ist für die Nutzungsart entscheidend, welche Bewirtschaftungsform gemeinüblich ist. Gemeinüblich ist die in der jeweiligen Gegend für die durch dieselbe Ertragsfähigkeit charakterisierten Flächen allgemein übliche Nutzung, sofern sie der Ertragsfähigkeit entspricht.
Nicht gemeinübliche Bewirtschaftungsform
Eine Bewirtschaftungsform, die nicht gemeinüblich ist, scheidet demnach für die Bestimmung der Nutzungsart auch dann aus, wenn sie tatsächlich praktiziert wird. § 2 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BodSchätzG stellt ergänzend klar, dass die konkret gewählte Bewirtschaftung und damit die tatsächliche Nutzung nicht entscheidend ist.
Zurückverweisung an das FG
Hiervon abweichend hat das FG auf die natürliche Ertragsfähigkeit der Böden abgestellt und in Ausnahmefällen bei regelmäßigem Wechsel verschiedener Nutzungsarten (Wechselland) die vorherrschende (tatsächliche) Nutzung als ausschlaggebend angesehen. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat den Sachverhalt weiter aufzuklären, um festzustellen, ob der Fortbestand der Bodenschätzung als Acker-Grünland gerechtfertigt ist.
Hinweis: Begriff der "gemeinüblichen Bewirtschaftung"
Der BFH präzisiert den Begriff der gemeinüblichen Bewirtschaftungsform. Gemeinüblich ist nicht die aktuelle Nutzung, sondern die in der jeweiligen Gegend für die durch dieselbe Ertragsfähigkeit charakterisierten Flächen allgemein übliche Nutzung, sofern sie der Ertragsfähigkeit entspricht. Prägend dafür können externe Faktoren sein, wie etwa der Stand der Agrarwissenschaft oder auch rechtliche, ökonomische und ökologische Aspekte, insbesondere Vorschriften, die Nutzungsgebote oder -verbote enthalten oder eine bestimmte Nutzungsform erschweren.
BFH Urteil vom 01.09.2021 - II R 7/19 (veröffentlicht am 17.02.2022)
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