Leitsatz (amtlich)
Eine Aufzeichnung "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben" im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 EStG liegt nicht vor, wenn Aufwendungen zur Bewirtung von Geschäftsfreunden auf Konten verbucht werden, die zur Verbuchung auch anderer Aufwendungen als solcher im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG - gleichgültig, ob artverwandt oder nicht - bestimmt sind und auf denen tatsächlich auch andere Aufwendungen verbucht sind. Dies gilt auch dann, wenn auf den Konten überwiegend Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG verbucht sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5-6
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellungen für 1963 bis 1967, ob die Aufzeichnungen über Aufwendungen zur Bewirtung von Geschäftsfreunden den Anforderungen des § 4 Abs. 6 EStG genügen.
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Baugewerbe tätige Familien-KG, hatte in den Streitjahren Aufwendungen für Kundengeschenke und für die Bewirtung von Geschäftsfreunden. Sie verbuchte diese Aufwendungen auf einem Konto, das mit "Werbekosten (auch Geschenke und Bewirtung für Geschäftsfreunde)" bezeichnet war. Neben den genannten Aufwendungen waren auf dem Konto auch die Aufwendungen für Anzeigenwerbung, für die Eintragung in Firmen- und Branchenverzeichnisse von Telefon- und Adreßbüchern, für die Anschaffung von Bauschildern und ähnliche Werbeaufwendungen verbucht.
Der Anteil der Aufwendungen für Kundengeschenke und für die Bewirtung von Geschäftsfreunden im Verhältnis zu den übrigen auf dem Konto verbuchten Aufwendungen betrug:
Auf-
Buchung- wendungen Werbe-
Kosten- gen ins- nach §4 Anzahl kosten
Jahr umsatz gesamt Abs. 5 der Bu- andere Anzahl
in DM (Zahl) Satz 1 und 2 chungen in DM der Bu-
in DM chungen
1963 2 534 130 2 287 126 247 4
1964 5 361 211 4 503 200 858 11
1965 5 016 172 3 585 151 1 431 21
1966 3 641 137 2 919 124 722 13
1967 5 056 130 3 123 115 1 933 15
Über die Aufwendungen für Kundengeschenke führte die Klägerin zusätzlich gesonderte statistische Aufzeichungen.
Im Anschluß an eine 1969 durchgeführte Betriebsprüfung vertrat der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) die Auffassung, daß die Verbuchung der Aufwendungen für Kundengeschenke und für die Bewirtung von Geschäftsfreunden nicht den Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 EStG entspreche. Lediglich die Aufwendungen für Kundengeschenke könnten gleichwohl zum Abzug zugelassen werden, weil insoweit bei der Betriebsprüfung statistische Aufzeichnungen vorgelegt worden seien.
Das FA erließ am 4. Juni 1970 berichtigte Gewinnfeststellungsbescheide für 1963 bis 1967.
Die Aufwendungen der Klägerin für die Bewirtung von Geschäftsfreunden in Höhe von
1963 1964 1965 1966 1967
DM DM DM DM DM
1 362 3 891 2 429 1 909 2 752
ließ das FA dabei nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben zu.
Der Einspruch war erfolglos.
Mit der Klage machte die Klägerin insbesondere geltend, es sei unbillig, den Abzug der Aufwendungen für die Bewirtung von Geschäftsfreunden deshalb zu versagen, weil auf dem fraglichen Konto noch in geringem Umfange andere, artverwandte Aufwendungen erfaßt gewesen seien. Die Versagung des Abzugs der geltend gemachten Aufwendungen würden einen übergroßen Formalismus darstellen und über das Ziel und den Zweck der gesonderten Aufzeichnungspflicht weit hinausgehen.
Die Klage hatte für die Jahre 1963, 1964 und 1966 Erfolg; für die Jahre 1965 und 1967 wies das FG hingegen die Klage ab. Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1973, 483 veröffentlicht ist, vertrat im Anschluß an ein rechtskräftiges Urteil des VII. Senats des FG Münster vom 30. August 1968 (DStZ B 1968, 448) die Auffassung, eine getrennte Aufzeichnung von Aufwendungen nach § 4 Abs. 6 EStG könne auch dann noch angenommen werden, wenn auf dem betreffenden Konto vereinzelt der Zahl und der Höhe nach geringfügige Aufwendungen, die andere Ausgabengebiete berührten, festgehalten seien. Denn wie in der Buchführung überhaupt, so könne auch bei getrennten Aufzeichnungen nach § 4 Abs. 6 EStG eine vereinzelte Fehlbuchung oder einige vereinzelte Fehlbuchungen nicht ausschlaggebend sein, insbesondere dann nicht, wenn durch derartige vereinzelte Fehlbuchungen die Prüfungsarbeit eines Steuerbeamten nicht erschwert werde. Allerdings müßten diese Fehlbuchungen sowohl der Zahl als auch dem Betrag nach geringfügig sein. Der zuletzt genannten Voraussetzung sei für die Jahre 1963, 1964 und 1966 genügt. In diesen Jahren betrügen Zahl und Betrag der Fehlbuchungen im Verhältnis zur Gesamtzahl und zum Gesamtbetrag der Buchungen:
1963 1964 1966
Zahl 3 % 5,2 % 9,5 %
Betrag 9,7 % 16 % 19,8 %.
Hingegen seien die Fehlbuchungen für 1965 und 1967 nicht mehr geringfügig, denn in diesen Jahren beliefen sich Zahl und Betrag der Fehlbuchungen in einem Verhältnis zur Gesamtzahl und zum Gesamtbetrag der Buchungen:
1965 1967
Zahl 12,2 % 11,5 %
Betrag 28,5 % 38,2 %.
Gegen dieses Urteil legten die Klägerin und das FA Revision ein.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung für die Jahre 1965 und 1967 aufzuheben und die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide für 1965 und 1967 dahin zu ändern, daß die Kosten für die Bewirtung von Geschäftsfreunden in 1965 in Höhe von 2 429 DM und in 1967 in Höhe von 2 752 DM als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die Klägerin beantragt außerdem, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin rügt eine falsche bzw. zu enge Auslegung der Bestimmungen des § 4 Abs. 5 und 6 EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA beantragt außerdem, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Das FA rügt die Verletzung des § 4 Abs. 6 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Betriebliche Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, scheiden bei der Gewinnermittlung insoweit aus, als sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG). Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 EStG sind derartige Aufwendungen "einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufzuzeichnen". Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 2 dürfen sie, soweit sie nicht bereits nach § 4 Abs. 5 EStG vom Abzug ausgeschlossen sind, bei der Gewinnermittlung nur berücksichtigt werden, "wenn sie nach Satz 1 besonders aufgezeichnet sind". Zu den Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG gehören, wie die Vorinstanz zu Recht betont, insbesondere Aufwendungen zur Bewirtung von Geschäftsfreunden (Urteil des BFH vom 15. Dezember 1966 IV R 235/66, BFHE 88, 43, BStBl III 1967, 286).
Der erkennende Senat entschied mit Urteil vom 28. Mai 1968 IV R 150/67 (BFHE 92, 487, BStBl II 1968, 648), daß die in § 4 Abs. 6 EStG verlangten besonderen Aufzeichnungen der in § 4 Abs. 5 EStG bezeichneten Aufwendungen bei Steuerpflichtigen, die einen Gewinn nach § 4 Abs. 1 und nach § 5 EStG ermitteln, fortlaufende Verbuchungen auf besonderen Konten im Rahmen der Buchführung erfordern und daß statistische Aufzeichnungen ohne Zusammenhang mit der Buchführung nicht genügen. Wie die Revision des FA mit Recht geltend macht, fehlt es im Streitfall entgegen der Ansicht der Vorentscheidung an dieser Voraussetzung einer Verbuchung der Aufwendungen auf besonderen Konten im Rahmen der Buchführung.
Wenn § 4 Abs. 6 Satz 1 EStG verlangt, daß die Aufwendungen "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben" aufgezeichnet werden, so ist dies nach dem Wortsinn des Gesetzes dahin zu verstehen, daß innerhalb der Buchführung Konten vorhanden sind, die dazu bestimmt sind, ausschließlich Buchungen von Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG aufzunehmen, und auf denen tatsächlich ausschließlich Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG verbucht sind. Sind hingegen in der Buchführung "gemischte Konten" vorhanden, also Konten, die zur Verbuchung auch anderer Aufwendungen als solcher im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG - gleichgültig, ob artverwandt oder nicht - bestimmt sind und auf denen tatsächlich auch andere Aufwendungen verbucht sind, so fehlt es an Aufzeichnungen "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben", und zwar auch dann, wenn auf den in Rede stehenden Konten tatsächlich überwiegend Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG gebucht sind. Entstehungsgeschichte des Gesetzes (dazu den Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1960, Bundestagsdrucksache III/1811, und Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, zu Bundestagsdrucksache III/1941) und erkennbarer Zweck der Norm rechtfertigen eine Reduktion des Wortsinns etwa dahin gehend, daß Aufzeichnungen genügen, die im Einzelfalle noch eine Überprüfung der Buchungen ohne unangemessenen Arbeits- und Zeitaufwand ermöglichen, nicht. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil IV R 150/67 ausgeführt hat, soll das gesetzliche Erfordernis der getrennten Aufzeichnung offenbar die Feststellung erleichtern, ob und in welchem Umfange Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG vorliegen (Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu Art. 1 Ziffer 2 - § 4 Abs. 4 EStG -, letzter Absatz: "Um die Verwaltungsarbeit bei der Prüfung der Betriebsausgaben, die die Lebensführung berühren, zu erleichtern ..."). Im Interesse dieser Zwecksetzung hat sich der Gesetzgeber bewußt für das Erfordernis einer Aufzeichnung "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben" und damit eine formstrenge Lösung entschieden, obwohl der Gesetzgeber sich möglicherweise auch mit der Forderung hätte begnügen können, daß Aufzeichnungen - gleich welcher Art - vorliegen, die im Einzelfalle eine relativ leichte Überprüfung gestatten. Die Entscheidung des Gesetzgebers für eine formale Lösung erweist sich unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als legitim. Die vom FG für richtig gehaltene Interpretation, die abstellt auf das Verhältnis von Zahl und Betrag der Gesamtheit der Buchungen auf einem bestimmten Konto zu den Buchungen, die andere Aufwendungen als solche im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG betreffen, birgt offensichtlich die Gefahr der Willkür in sich. Der verständliche Angriff der Klägerin dagegen, daß das FG Aufzeichnungen "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben" zwar noch bejaht hat, bei 9,5 % (Zahl) und 19,8 % (Betrag) Anteil der Buchungen anderer Aufwendungen, dann aber verneint hat bei 12,2 % bzw. 28,5 %, beleuchtet dies eindrucksvoll. Hinzu kommt, daß gerade bei Aufwendungen im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 2 EStG, deren Umfang von rechtlicher Relevanz ist - denn diese Aufwendungen sind nicht abzugsfähig, wenn sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind -, der Umfang dieser Aufwendungen in aller Regel leichter, gewissermaßen auf einen Blick festzustellen ist, wenn besondere Konten existieren, die bestimmungsgemäß ausschließlich Aufwendungen im Sinne von § 4 Abs. 5 EStG ausweisen und nicht erst bereinigt werden müssen.
Bei dieser rechtlichen Beurteilung liegt der Vortrag der Revision der Klägerin neben der Sache, der Betriebsprüfer habe vor dem FG die Frage, ob er die Konten hätte besser prüfen können, wenn richtig gebucht worden wäre, eindeutig und wahrheitsgemäß mit Nein beantwortet. Denn das Gesetz stellt, wie ausgeführt, nicht auf die möglichen Besonderheiten des Einzelfalles ab, sondern arbeitet mit einem auf das Typische zugeschnittenen formalen Kriterium.
Im Streitfall fehlt es an besonderen Konten, auf denen bestimmungsgemäß ausschließlich Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG verbucht sind. Wie das FA zu Recht betont, waren die von der Klägerin eingerichteten Konten von vornherein dazu bestimmt, nicht nur Aufwendungen für Geschenke und die Bewirtung von Geschäftsfreunden, sondern allgemein "Werbekosten" aufzunehmen; dieser Bestimmung gemäß wurden sie auch verwendet. Demgemäß lassen sich diejenigen Buchungen, die andere Aufwendungen als solche im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG betreffen, aus der Sicht der Buchführungssystematik der Klägerin entgegen der Ansicht des FG nicht als "Fehlbuchungen" bezeichnen. Von solchen könnte nur die Rede sein, wenn Konten eingerichtet gewesen wären, die eindeutig erkennbar zur ausschließlichen Verbuchung von Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG bestimmt gewesen und auf denen dann gleichwohl vereinzelt Aufwendungen anderer Art verbucht worden wären. Der erkennende Senat kann dahingestellt lassen, ob in einem solchen Falle eine oder mehrere einzelne Fehlbuchungen, die auf Schreibfehler oder ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten oder auf verständlichen Abgrenzungsschwierigkeiten beruhen, den Charakter eines Kontos als Aufzeichnungen "getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben" unberührt lassen. Denn ein solcher Fall liegt nicht vor.
Aus diesem Grunde kann schließlich auch der Einwand der Klägerin keinen Erfolg haben, auf den in Rede stehenden Konten seien überwiegend nur deshalb andere Aufwendungen als solche im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG gebucht worden, weil der Buchhalter der Klägerin vor Abgrenzungsschwierigkeiten gestanden sei, mit denen er letztlich nicht fertig geworden sei. Der Einwand kann schon deshalb nicht überzeugen, weil das Konto von vornherein zur Verbuchung von "Werbekosten", also auch anderen Aufwendungen als solchen im Sinne von § 4 Abs. 5 EStG bestimmt war.
Bei dieser Rechtslage bedarf es im Streitfall keiner Prüfung, ob und in welchem Umfange die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen zur Bewirtung von Geschäftsfreunden daran scheitern müßte, daß die bewirteten Personen nicht benannt sind (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1972 IV R 137/68, BFHE 106, 50, BStBl II 1972, 694).
Fundstellen
Haufe-Index 70774 |
BStBl II 1974, 211 |