Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bepflanzung und Pflege eines Grabes durch einen Friedhofsgärtner stellen grundsätzlich einen einheitlichen Umsatz dar. Auch bei Annahme einer Werklieferung ist der ermäßigte Steuersatz von 1,5 v. H. gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a UStG 1951 a. F. nicht anwendbar. Der Friedhofsgärtner liefert nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse, sondern Grabschmuck, der außerhalb des gärtnerischen Erzeugungsbetriebes auf dem Friedhofe hergestellt wird. Eine andere Beurteilung greift nur Platz, wenn ein Friedhofsgärtner ohne übernahme der Grabpflege eine schon bestehende Grabstätte mit aus seiner Gärtnerei stammenden gärtnerischen Erzeugnissen bepflanzt, die sich der Besteller selbst ausgesucht hat.
Normenkette
UStG § 3/1, § 7/2/2/a; UStDB § 55/5; UStG § 12/2/3
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) betreibt eine Friedhofsgärtnerei. Streitig ist für das Kalenderjahr 1951
ob die Grabbepflanzungen (Frühjahrs-, Sommer- und Herbstbepflanzungen) und die Grabpflege (Begießen und Säubern der Grabstätten)
je für sich getrennte Umsätze oder
einen einheitlichen Umsatz darstellen;
ob bei Annahme eines einheitlichen Umsatzes (Fall 1b)
eine Werkleistung oder
eine Werklieferung vorliegt;
ob, wenn eine Werklieferung anzunehmen ist (Fall 2b), die Begünstigungsvorschrift des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a des Umsatzsteuergesetzes - UStG - (a. F.) Anwendung finden kann.
Der Stpfl. hat in den Grabbepflanzungen und der Grabpflege zwei getrennte umsatzsteuerliche Vorgänge erblickt und die Entgelte für die Grabbepflanzungen einschließlich der Anpflanzungskosten mit 1,5 v. H., die Entgelte für die fortlaufende Grabpflege mit 4 v. H. der Umsatzsteuer unterworfen. Dagegen haben Finanzamt und Finanzgericht einen einheitlichen Umsatz angenommen, den das Finanzamt als Werkleistung, das Finanzgericht als Werklieferung gewertet hat. Das Finanzamt hat den Stpfl. insgesamt mit 3 v. H. (bis zum 30. Juni 1951) bzw. 4 v. H. (ab 1. Juli 1951), das Finanzgericht - unter Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a UStG (a. F.) - mit 1,5 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Mit Recht hat die Vorinstanz trotz der Tatsachen, daß der Stpfl. den Preis für die zur Grabbepflanzung verwendeten Blumen, Pflanzen usw., den Pflanzarbeitslohn und den Pauschalpreis für die laufende Grabpflege auf den einzelnen Kundenkarteikarten für jedes Grab besonders berechnet hat und die getrennte Preisberechnung einem großen Teil der Kunden bei der Auftragserteilung bekannt war, eine Aufteilung der Umsätze in Grabbepflanzung und Grabpflege abgelehnt. Auch bei besonderer Berechnung und Ansetzung der verschiedenen Kostenarten ist der Wille des Auftraggebers nicht auf zwei getrennte Vorgänge, nämlich die Lieferung von Pflanzen, Blumen, Samen, Erde, Dünger usw. und ihre Anbringung auf dem Grabe einerseits und die laufende Instandhaltung der Grabstelle andererseits gerichtet. Beide Vorgänge bilden in der Absicht und Vorstellung sowohl des Auftraggebers als auch des Friedhofsgärtners vielmehr eine Einheit. Das Gegenteil wird nicht dadurch bewiesen, daß sich in Einzelfällen der Auftrag an den Friedhofsgärtner nur auf die Grabbepflanzung oder nur auf die Grabpflege beschränkt. Wenn die Bepflanzung und Pflege eines Grabes vom Kunden gewünscht wird, stellt sich der Auftrag an den Friedhofsgärtner wirtschaftlich gesehen als ein Ganzes dar, zumal da sich Frühjahrs-, Sommer- und Herbstbepflanzung und Grabpflege abwechseln und aneinander anschließen.
übernimmt der Friedhofsgärtner nur die Pflege eines Grabes, so bewirkt er eine Werkleistung, übernimmt er nur die Grabbepflanzung, so bewirkt er eine Werklieferung. Lautet der Auftrag auf Bepflanzung und laufende Pflege eines Grabes, so kann die Rechtslage zweifelhaft sein. Entscheidend für die Annahme einer Werklieferung spricht nach Ansicht des Finanzgerichts im Streitfalle, daß die Einnahmen aus der Grabbepflanzung mehr als sechsmal so hoch waren als die Einnahmen aus der Grabpflege. Der Vergleich des Wertes der verwendeten Stoffe mit dem Werte der geleisteten Arbeit stellt aber nicht immer ein geeignetes Merkmal für die Unterscheidung zwischen Werklieferungen und Werkleistungen dar. Eine wichtige Rolle spielt auch die Verkehrsauffassung, die nach Ansicht des Reichsfinanzhofs (Urteil V A 93/37 vom 15. Oktober 1937, RStBl 1937 S. 1179, Slg. Bd. 42 S. 180) in der Herstellung und Instandhaltung von Grabschmuck überwiegend eine Gesamtleistung erblickt, bei der die "Lieferung" der verwendeten Gegenstände trotz wertmäßigen überwiegens gegenüber der "sonstigen Leistung", der Arbeitsleistung zurücktritt. Es ist ferner zu beachten, daß eine Lieferung grundsätzlich mit der Verschaffung der Verfügungsmacht endet, während sich die Tätigkeit des Friedhofsgärtners im Falle der ständigen Betreuung der Grabstätte über das Einpflanzen der Pflanzen, Blumen usw. ( Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht) hinaus in einer keineswegs nebensächlichen Weise fortsetzt.
Die Frage, ob die Bepflanzung und anschließende laufende Pflege eines Grabes insgesamt eine Werkleistung oder eine Werklieferung ist, kann im Streitfall unentschieden bleiben, weil auch bei Annahme einer Werklieferung im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG der ermäßigte Steuersatz von 1,5 v. H. gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 2 a UStG (a. F.) nicht zur Anwendung käme. Die letztgenannte Bestimmung begünstigt nur Lieferungen von Gegenständen, die innerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erzeugt worden sind. Es handelte sich bei der Grabbepflanzung mit anschließender Grabpflege aber nicht um die Lieferung landwirtschaftlicher (gärtnerischer) Erzeugnisse des Friedhofsgärtners, wie Blumen, Pflanzen usw., sondern um die Lieferung eines anderen Gegenstandes, nämlich Grabschmuckes, der außerhalb des gärtnerischen Erzeugungsbetriebes auf dem Friedhofe hergestellt wurde. Die gärtnerische Erzeugung vollzieht sich unter Ausnutzung der Trieb- und Nährkräfte des Bodens. Dieser Vorgang ist mit der Entnahme der Erzeugnisse aus dem Gartenbaubetrieb (z. B. Abschneiden oder Ausgraben der Blumen und Pflanzen) abgeschlossen. Was auf dem Friedhof bei der Grabausschmückung geschieht, ist die Herstellung eines neuen Gesamtgegenstandes ("Grabschmuck"), der , weil außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes entstanden, nicht als landwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen ist. Nach § 55 Abs. 5 Satz 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB - (a. F.) kann zwar der Erzeuger den ermäßigten Steuersatz für die Lieferung der von ihm selbst erzeugten Gegenstände auch dann anwenden, wenn er den Gegenstand nicht im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes liefert. Wie sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung ergibt, ist aber nur die Lieferung, nicht auch die Erzeugung des Gegenstandes außerhalb des Rahmens des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes für die Anwendung des Steuersatzes von 1,5 v. H. unschädlich. - Dasselbe gilt, wenn ein Friedhofsgärtner ein Grab unter Verwendung eigener Erde, Torf, Dünger, Samen, Blumen, Pflanzen usw. neu anlegt (Neuanlage von Grabstätten), gleichgültig, ob er die Grabpflege übernimmt oder nicht.
Eine andere Beurteilung greift nur Platz, wenn ein Friedhofsgärtner ohne übernahme der Grabpflege eine schon bestehende Grabstätte mit aus seiner Gärtnerei stammenden Blumen oder anderen gärtnerischen Erzeugnissen bepflanzt, die sich der Besteller selbst ausgesucht hat. In einem solchen Falle liefert der Friedhofsgärtner nicht einen erst auf dem Friedhof hergestellten Gegenstand "Grabschmuck", sondern Blumen und sonstige Pflanzen aus seiner Gärtnerei, also Gegenstände, die innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes vom Lieferer im Inland erzeugt worden sind. Das Einpflanzen ist hier eine Nebenleistung, die den gelieferten Blumen und sonstigen Pflanzen die Eigenschaft eines landwirtschaftlichen (gärtnerischen) Erzeugnisses nicht nimmt. Da die Erzeugung innerhalb des landwirtschaftlichen Betriebes erfolgt, ist es gemäß § 55 Abs. 5 Satz 2 UStDB (a. F.) unschädlich, daß die Lieferung nicht im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes stattfindet (vgl. auch den letzten Absatz des oben zitierten Urteils des Reichsfinanzhofs vom 15. Oktober 1937).
Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung waren aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es obliegt dem Finanzamt festzustellen, ob und in welcher Höhe der Stpfl. Umsätze der zuletzt genannten Art getätigt hat, und gegebenenfalls eine anderweitige Umsatzsteuerveranlagung für 1951 durchzuführen.
Fundstellen
Haufe-Index 409494 |
BStBl III 1959, 440 |
BFHE 1960, 483 |
BFHE 69, 483 |