Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Unterhaltszuwendungen an gesetzlich nicht unterhaltsberechtigte Personen sind als Renten nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nur berücksichtigungsfähig, wenn sie auf Grund einer bürgerlich- rechtlich wirksamen Verpflichtung für mindestens zehn Jahre in gleicher Höhe gezahlt werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Es ist streitig, ob die laufenden Zahlungen von monatlich 750 DM, die der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) an Frau X. im Jahr 1956 geleistet hat, als Renten nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955 bei seiner Einkommensbesteuerung abzugsfähig sind. Der Bf., der Vater des unehelichen Kindes der verwitweten Frau X., hat erstmals bei der Einkommensteuerveranlagung für 1950 einen privatschriftlichen Vertrag vom 30. Juni 1949 vorgelegt, in dem er sich zur Zahlung von monatlich 500 DM an Frau X. bis zum 31. Dezember 1952 verpflichtet hatte. Dieser Vertrag enthielt die Bestimmung, daß er jeweils für ein weiteres Jahr gelte, wenn er nicht drei Monate vor Jahresende vom Bf. gekündigt werde. Außerdem konnte der Bf. den Vertrag vor dem 31. Dezember 1952 bei wichtigem Grund sofort kündigen. Der Bf. machte von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch und leistete bis Ende 1955 die vereinbarten Zahlungen, die vom Finanzamt als Sonderausgaben bei der Einkommensteuer berücksichtigt wurden. Am 12. Dezember 1955 schloß der Bf. mit Frau X. einen neuen privatschriftlichen Vertrag, in dem er sich unter Bezugnahme auf den früheren Vertrag ab 1. September 1955 zunächst bis zum 31. Dezember 1956 zur Zahlung von monatlich 750 DM verpflichtete. Dieser Vertrag enthielt die gleichen Bestimmungen über die Verlängerung der Vertragsdauer und über die Kündigungsmöglichkeiten wie der frühere. Der Bf. hat die 750 DM bis 1959 weiter gezahlt. Auf Anraten seines Steuerberaters wurden die Verträge vom 30. Juni 1949 und vom 12. Dezember 1955 durch einen notariellen Vertrag vom 4. Juni 1959 bestätigt, in dem die Weiterzahlung der 750 DM bis zum 31. Dezember 1963 und von da ab monatliche Zahlungen von 375 DM bis zum 31. Dezember 1970 vereinbart wurden. Das Finanzamt hat bei der Einkommensteuerveranlagung für 1956 die in diesem Jahr an Frau X. bezahlten 9.000 DM nicht als Sonderausgaben berücksichtigt. Der Einspruch und die Berufung des Bf. hiergegen hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht nahm an, daß wegen der Kündigungsmöglichkeiten für den Bf. im Jahr 1956 keine länger dauernde feste Zahlungsverpflichtung bestanden habe. Da nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, besonders nach dem Urteil VI 284/58 U vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 463, Slg. Bd. 69 S. 542) zeitlich befristete Versorgungsleistungen in der Regel nur dann Renten im Sinn von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG seien, wenn sie für mindestens zehn Jahre zugesagt seien, könnten die streitigen Zuwendungen an Frau X. nicht als Sonderausgaben abgezogen werden. Daran ändere auch die nachträgliche notarielle Bestätigung durch den Vertrag vom 4. Juni 1959 nichts, durch die zwar die für die Rechtsgültigkeit des Vertrags notwendige Form hergestellt worden sei, die Schuld des Bf. aber nicht zu einer mindestens zehnjährigen Verpflichtung geworden sei.
Die Bf. rügen mit der Rb. Verkennung des "Renten" - Begriffs im Sinn von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Nach ihrer Auffassung steht die Kündbarkeit der Vereinbarungen mit Frau X. der Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe nicht entgegen, weil die Zuwendungen an sie tatsächlich bereits 18 Jahre bezahlt würden. Daß die Vereinbarungen infolge eines Rechtsirrtums nicht in der nach bürgerlichem Recht erforderlichen Form abgeschlossen worden seien und dieser Formmangel erst im Jahre 1959 geheilt worden sei, habe ebenfalls keine Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Das Finanzgericht geht davon aus, daß zeitlich befristete wiederkehrende Versorgungsleistungen steuerlich im allgemeinen nur dann Renten seien, wenn sie längere Zeit gezahlt würden. Der Senat hat im Urteil VI 284/58 U a. a. O. in der Regel eine Zahlung für die Dauer von zehn Jahren als erforderlich und als ausreichend angesehen. Er hält hieran fest. Im Streitfall liegen keine Umstände vor, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen. Der Bf. hat zwar nach seinen Angaben bereits 18 Jahre Frau X. laufende Unterhaltszuwendungen gemacht. Das Finanzgericht hat aber ohne Rechtsirrtum angenommen, daß die Tatsache der Zahlung allein nicht genügt, sondern daß den Zahlungen eine rechtsgültige langfristige Verpflichtung zugrunde liegen muß. Wiederkehrende Zuwendungen sind als Renten nur dann nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigungsfähig, wenn der Zahlende in dem Veranlagungszeitraum, in dem er gezahlt hat, durch einen bürgerlich-rechtlich wirksamen Vertrag von mindestens zehnjähriger Dauer zur Zahlung verpflichtet war. Eine solche Verpflichtung fehlte im Streitfall. Infolge der Möglichkeit, die Vereinbarung ein Vierteljahr vor Jahresende zu kündigen, bestand für den Bf. trotz der Verlängerungsklausel im Ergebnis keine langfristige Zahlungsverpflichtung, zumal er außerdem noch die Möglichkeit einer fristlosen Lösung des Vertrags aus wichtigem Grund hatte. Daß über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Dritter endgültig entscheiden sollte, hat demgegenüber keine entscheidende Bedeutung.
Die Zuwendungen des Bf. an Frau X. können außerdem auch deshalb nicht als Renten im Sinn von § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anerkannt werden, weil die ihnen im Jahre 1956 zugrunde liegende Vereinbarung wegen Fehlens der nach § 518 Abs. 1 BGB erforderlichen gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Schenkungsversprechens nichtig war und die Formgültigkeit des Vertrags Voraussetzung für einen Abzug wiederkehrender Zahlungen ist (siehe Urteil des Senats VI 82/60 U vom 12. August 1960, BStBl 1960 III S. 424, Slg. Bd. 71 S. 466). Von diesem Erfordernis kann bei dem in geschäftlichen Dingen erfahrenen Bf. nicht abgesehen werden, zumal die Abfassung der Vereinbarungen erkennen läßt, daß er bemüht war, eine wirklich langfristige Bindung zu vermeiden. Daß er durch den notariellen Vertrag vom 4. Juni 1959 die Vereinbarung vom 12. Dezember 1955 bestätigte, ist für die steuerliche Beurteilung ohne Bedeutung. Denn als der Bf. während des Jahres 1956 die Zahlungen an Frau X. leistete, war er nach bürgerlichem Recht hierzu nicht rechtswirksam verpflichtet. Die Heilung des Formmangels erst 2 1/2 Jahre nach Beendigung des Jahres 1956 kann steuerlich nicht berücksichtigt werden.
Wenn danach die Rb. im Streitpunkt auch nicht begründet ist, so sind die Vorentscheidungen trotzdem aufzuheben, weil bisher nicht geprüft wurde, ob eine Steuerermäßigung nach § 33 a Abs. 1 EStG 1955 in Betracht kommt, weil der Bf. für das uneheliche Kind der Frau X., dessen Vater er ist, Unterhalt geleistet hat. Die Voraussetzungen für eine Steuerermäßigung wären gegeben, wenn durch die Zahlungen des Bf. an Frau X. auch seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind abgegolten wurden. Eine Steuerermäßigung nach § 33 a EStG 1955 ist dagegen wegen der Unterhaltszuwendungen an Frau X. nicht möglich, da die Voraussetzungen hierfür nach dem Urteil des Senats VI 282/62 U vom 12. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 437) nicht gegeben sind. Es erscheint zweckmäßig, die Sache zur Prüfung dieser Fragen an das Finanzamt zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410971 |
BStBl III 1963, 563 |
BFHE 1964, 662 |
BFHE 77, 662 |
StRK, EStG:10/1/1 R 50 |
NJW 1964, 373 |