Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufgabe des „Plans“ die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer KG nach einem Grundstückserwerb durch Aufnahme weiterer Gesellschafter zu verringern als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2; GrEStG § 5 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 19. Dezember 1996, später geändert durch Vertrag vom 13. November 1998, von einer GmbH sechs Eigentumseinheiten in einem Gebäude, das die GmbH auf einem ihr gehörenden Grundstück errichten sollte. Der Kaufpreis betrug 7 360 084,38 DM. Die GmbH war Gesellschafterin der Klägerin und zu 99 v.H. an deren Vermögen beteiligt. Das Vorhaben sollte nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag weitestgehend durch die Einlagen neu aufzunehmender Gesellschafter finanziert werden. Dadurch sollte sich die Beteiligung der GmbH an der Klägerin auf 0,213 v.H. verringern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte wegen des Erwerbs der Klägerin zuletzt mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Juli 2000 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 75 262,77 € (147 201 DM) fest. Er berücksichtigte dabei die Beteiligung der GmbH an der Klägerin nicht steuermindernd, sondern legte als Bemessungsgrundlage den Kaufpreis zugrunde.
Nachdem die Klägerin in der Folgezeit keine Kapitalgeber gefunden hatte, veräußerte sie die im Jahre 1998 fertig gestellten Eigentumseinheiten am 30. Oktober 2003. Die Beteiligung der GmbH an der Klägerin blieb die ganze Zeit über unverändert bei 99 v.H.
Die Klägerin beantragte am 15. September 2004, den Grunderwerbsteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zu 99 v.H. nicht erhoben wird. Die Gesellschafter der Klägerin hätten den "Plan" aufgegeben, die Beteiligung der GmbH an der Klägerin nach dem Erwerb der Eigentumseinheiten durch Aufnahme weiterer Gesellschafter zu verringern, wie die Veräußerung der Eigentumseinheiten zeige. Die Aufgabe des Plans sei als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu berücksichtigen.
Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) stellt die Aufgabe des Plans kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit dar. Maßgebend für die Versagung der Begünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG bleibe allein der Plan im Zeitpunkt der Grundstückseinbringung.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sowie des § 5 Abs. 2 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 20. Juli 2000 die Grunderwerbsteuer auf 752,62 € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Ablehnungsbescheids sowie zur Verpflichtung des FA, die Grunderwerbsteuer auf 912,93 € herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht vorliegen. Die Aufgabe des "Plans", die Beteiligung der GmbH an der Klägerin nach dem Grundstückserwerb durch Aufnahme weiterer Gesellschafter zu verringern, ist ein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
1. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kann ein Steuerbescheid geändert werden, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Zu den rückwirkenden Ereignissen zählen alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, aber auch tatsächliche Lebensvorgänge, die steuerlich --ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen-- in der Weise Rückwirkung entfalten, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, unter C.II.1.; vom 13. September 2000 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641).
a) Nach dem hier maßgeblichen § 5 Abs. 2 GrEStG wird beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand Grunderwerbsteuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Steuervergünstigung beruht auf der Erwägung, dass trotz des durch die Einbringung herbeigeführten Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung des bisherigen Alleineigentümers an dem Grundstück fortsetzt, weil die formale Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Änderung führt, soweit der das Grundstück auf die Gesamthand übertragende Gesamthänder über seine Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleibt.
Die Vergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG ist deshalb für Erwerbsvorgänge, die wie im Streitfall vor dem 1. Januar 2000 verwirklicht wurden und auf die deshalb der durch Art. 15 Nr. 3 des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) eingeführte § 5 Abs. 3 GrEStG (vgl. § 23 Abs. 6 Satz 2 GrEStG) nicht anzuwenden ist, nicht zu gewähren, wenn trotz bestehender gesamthänderischer Mitberechtigung des grundstückseinbringenden Gesamthänders im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung in wirtschaftlicher Hinsicht eine weitere Beteiligung des Gesamthänders am Grundstückswert nicht besteht oder nicht bestehen bleiben soll. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH u.a. dann der Fall, wenn das Grundstück zu einem Zeitpunkt auf die Gesamthand übertragen wurde, zu dem zwischen den Gesamthändern abgesprochen war, dass der grundstückseinbringende Gesamthänder seine Beteiligung aufgibt oder verringert (vgl. BFH-Entscheidungen vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374; vom 4. August 1999 II B 3/99, BFHE 189, 547, BStBl II 1999, 834; vom 25. Juni 2003 II R 20/02, BFHE 203, 178, BStBl II 2004, 193; vom 15. Dezember 2004 II R 37/01, BFHE 208, 59, BStBl II 2005, 303).
b) Wird ein derartiger Plan nach Übergang des Grundstücks auf die Gesamthand tatsächlich nicht ausgeführt, sondern nach außen erkennbar aufgegeben, bildet dies ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Mit der endgültigen Aufgabe des Plans entfallen die Voraussetzungen für die Versagung der Vergünstigung. Die der ursprünglichen Steuerfestsetzung zugrunde liegende Erwartung, dass der grundstückseinbringende Gesamthänder in Ausführung des Plans aus der grundstückserwerbenden Gesellschaft ausscheiden wird, kann sich nicht mehr erfüllen. Der Plan verknüpft nach der Rechtsprechung des Senats die spätere tatsächliche Verringerung der Gesamthandsberechtigung mit dem Zeitpunkt des Grundstückserwerbs (vgl. BFH-Entscheidungen in BFHE 189, 547, BStBl II 1999, 834; in BFHE 203, 178, BStBl II 2004, 193; s.a. Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 5 Rz 57). Durch seine Aufgabe kann er jedoch diese Verknüpfung nicht mehr herstellen. Die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG ist nunmehr --soweit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch zulässig-- zu gewähren.
Der Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO steht das Urteil des Senats vom 10. Juli 1996 II R 33/94 (BFHE 180, 251, BStBl II 1996, 533) nicht entgegen, soweit dort einer plan-(abrede)gemäßen Verringerung der Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesamthänders an der Gesamthand keine steuerliche Rückwirkung auf den Besteuerungszeitpunkt zugemessen wird. Denn es geht im Streitfall nicht um die steuerliche Rückwirkung der dem Plan entsprechenden tatsächlichen Verringerung der Beteiligung, sondern darum, ob die spätere Aufgabe eines im Einbringungszeitpunkt bestehenden und die Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG ausschließenden Plans steuerlich in der Weise zurückwirkt, dass mit dem Wegfall des Plans auch der Hinderungsgrund für die Gewährung der Steuervergünstigung (rückwirkend) entfällt. Dies bejaht der Senat, weil die Versagung der Steuervergünstigung nur solange und insoweit gerechtfertigt ist, wie die Gesamthänder an ihrem "Plan", die Beteiligung zu verringern, festhalten. Wird der Plan aufgegeben, besteht kein Grund, die sich aus der ungeschmälerten Gesamthänderstellung ergebenden günstigen Rechtsfolgen nach § 5 Abs. 2 GrEStG nicht eintreten zu lassen. Sollte der BFH-Entscheidung in BFHE 180, 251, BStBl II 1996, 533 entnommen werden können, dass die Vergünstigung allein und endgültig aufgrund des Plans im Zeitpunkt der Grundstückseinbringung zu versagen sei, hält der Senat hieran nicht mehr fest.
Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Der Ablehnungsbescheid vom 5. September 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO). Sie hat einen Anspruch auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 20. Juli 2000 dahingehend, dass die Grunderwerbsteuer zu 98,787 v.H. nicht erhoben wird.
a) Das FA durfte zwar auf der Grundlage des bestehenden Plans die Grunderwerbsteuer zunächst ohne Gewährung der Vergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG festsetzen. Die endgültige Aufgabe des Plans durch die Veräußerung der Eigentumseinheiten beseitigte jedoch die Voraussetzungen für die Versagung der Vergünstigung, da die GmbH ihre gesamthänderische Mitberechtigung an den auf die Klägerin übertragenen Eigentumseinheiten nicht durch Aufnahme neuer Gesellschafter in die Klägerin verringert hat und eine solche Verringerung nach der Veräußerung nicht mehr möglich ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids auch in der Höhe begehrt, zu der die GmbH an ihr nach Aufnahme weiterer Gesellschafter beteiligt bleiben sollte. Die GmbH war im Zeitpunkt der Grundstücksübertragung an der Klägerin zu 99 v.H. beteiligt; diese Beteiligung sollte sich nach dem Plan auf 0,213 v.H. verringern. Der "Plan" bestand demnach nur in Höhe von 98,787 v.H. (99 v.H. ./. 0,213 v.H.) und konnte nur in dieser Höhe wieder aufgegeben werden. Daher liegt auch nur insoweit ein rückwirkendes Ereignis vor. Somit verbleibt eine Steuer in Höhe von 912,93 € (75 262,77 € x 1,213 v.H.).
b) Die Klägerin hat ihren Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids vor Ablauf der Festsetzungsverjährung gestellt. Nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eintritt. Da die Aufgabe des Plans als innere Tatsache nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihren Plan erst zu dem Zeitpunkt endgültig aufgegeben hat, zu dem die Aufgabe nach außen sichtbar hervorgetreten ist. Das ist im Streitfall die Veräußerung der Eigentumseinheiten. Damit stand fest, dass sich der Umfang der Gesamthandsberechtigung der GmbH an den Eigentumseinheiten nicht mehr wie ursprünglich vereinbart verringern wird. Die Klägerin hat die Eigentumseinheiten am 30. Oktober 2003 veräußert und am 15. September 2004 den Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids gestellt. Aus den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Gesellschafter der Klägerin ihren Plan --nach außen sichtbar-- so zeitig aufgegeben haben, dass der Antrag auf Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids verspätet gestellt worden wäre. Insbesondere kann aus der Erfolglosigkeit der Suche nach neuen Kapitalgebern bis zur Fertigstellung der Eigentumseinheiten nicht geschlossen werden, dass bereits zu dieser Zeit der Plan aufgegeben wurde. Auch bei der Umwandlung der Klägerin von einer GbR in eine KG im Jahre 1999 ist nicht nach außen erkennbar geworden, dass die Gesellschafter der Klägerin ihren Plan aufgegeben hätten. Vielmehr sollten nach dem Umwandlungsbeschluss gerade die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags der GbR fortbestehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Wegen des nur geringfügigen Unterliegens der Klägerin bleibt es bei der vollen Kostentragungspflicht des FA. Die Entscheidung ergeht gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.
Fundstellen