Verminderung des Anteils am Vermögen einer KG
Hintergrund: Erwerb und Veräußerung innerhalb von fünf Jahren
Die Entscheidung ist zur Rechtslage bis 30.6.2021 ergangen, d.h. vor Absenkung der Beteiligungsgrenze für die Ergänzungstatbestände von 95 % auf 90 % und vor Verlängerung des maßgeblichen Betrachtungszeitraums von fünf auf zehn Jahre.
Am Vermögen der X-KG war Z zu 100 % beteiligt. Im September 2008 erwarb die X-KG diverse Grundstücke von zehn KGs, deren KG-Anteile von den leiblichen Kindern des Z gehalten wurden. Die veräußernden KGs hatten den Grundbesitz länger als fünf Jahre gehalten.
Das FA stellte (mit Feststellungsbescheid) die Steuerfreiheit des Erwerbsvorgangs fest (Verwandtschafts-/Gesamthands-Verhältnis; § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 3 GrEStG).
Wenige Wochen danach (Dezember 2008) veräußerte Z 94 % seiner KG-Anteile an der X-KG an E. Am selben Tag unterbreitete er dem D ein Kauf- und Abtretungsangebot über den bei ihm verbliebenen KG-Anteil von 6 %. Außerdem trat Z seine Gewinn- und Verlustbeteiligung für die verbliebenen 6 % an E ab.
Nach einer Betriebsprüfung war das FA die Auffassung, die Steuervergünstigung für den Vertrag vom September 2008 sei aufgrund der Verträge vom Dezember 2008 wegen Nichteinhaltung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG vollumfänglich rückwirkend zu versagen. Der Feststellungsbescheid wurde entsprechend geändert.
Dem folgte das FG und wies die Klage im Streitpunkt ab. Z habe im Dezember 2008 über die Veräußerung des 94 %-Anteils an E hinaus auch über den ihm verbliebenen Anteil von 6 % verfügt, indem er D das Verkaufsangebot gemacht und seine Gewinn- und Verlustbeteiligung an E abgetreten habe. Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als die Bemessungsgrundlage antragsgemäß herabgesetzt wurde.
Entscheidung: Keine einschränkende Gesetzesauslegung
Die Revision hatte zum geringen Teil Erfolg. Anders als vom FG entschieden ist die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht vollständig zu 100 %, sondern nur zu 94 % der Bemessungsgrundlage rückwirkend zu versagen.
Übergang eines Grundstücks
Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird (nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG) die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen (BFH vom 05.06.2019 - II B 21/18, BFH/NV 2019, S. 1253, Rz. 8). Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG jedoch insoweit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von fünf (jetzt zehn) Jahren nach dem Übergang des Grundstücks vermindert, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer rückwirkend entfallen (BFH vom 25.09.2013 - II R 17/12, BFH/NV 20 BStBl II 2014, S. 268, Rz. 25).
Anteilsminderung
Eine Anteilsminderung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG liegt vor, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird. Das kann durch Veräußerung des Gesellschaftsanteils selbst, aber auch durch anderweitige Vereinbarungen erfolgen, wenn es dadurch bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe am Wert des eingebrachten Grundstücks kommt.
Fünfjahresfrist
Die Fünf-(jetzt Zehn-)jahresfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG beginnt mit der Verwirklichung des begünstigten Erwerbsvorgangs (BFH vom 17.12.2014 - II R 2/13, BStBl II 2015, S. 557, Rz. 30). Sie ist unabhängig von der Haltedauer der übertragenden Gesamthand oder deren Gesellschaftern. Über eine personenbezogene Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 oder Nr. 6 GrEStG wird lediglich das Tatbestandsmerkmal "Gesamthänder" ersetzt. Die übrigen Voraussetzungen der Begünstigung, insbesondere die Haltefrist, sind auch von den in gerader Linie verwandten oder beschenkten Personen einzuhalten (vgl. zur Parallelvorschrift des § 5 GrEStG BFH v. 17.12.2014, II R 2/13, BStBl II 2015, S. 557, Rz. 30).
Wegfall der Steuervergünstigung nur zu 94 %
Hiervon ausgehend ist die Steuervergünstigung durch die Veräußerung vom Dezember 2008 an D nur zu 94 % rückwirkend entfallen. Nur in diesem Umfang wurde der Anteil des Z am Gesellschaftsvermögen der X-KG vermindert. Die Weiterveräußerung lag innerhalb der Haltefrist. Die vorherige Beteiligung der Kinder des Z ist in diese Frist nicht einzurechnen.
Keine teleologische Reduktion
Die in der Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen zur teleologischen Reduktion der Missbrauchsverhinderungsvorschriften (§§ 5 und 6 GrEStG; vgl. BFH v. 25.8.2020, II R 23/18, BStBl II 2021, S. 162, Rz. 19) liegen im Streitfall nicht vor. Denn § 1 Abs. 2a GrEStG sieht ausdrücklich Regelungen für den Fall vor, dass die Nachbesteuerung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG durch einen weiteren, nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang ausgelöst wird. Nach § 1 Abs. 2a Satz 3 (jetzt Satz 7) GrEStG kommt es in dieser Konstellation bei dem weiteren steuerbaren Vorgang zu einer Anrechnung bei der Bemessungsgrundlage. Eine darüberhinausgehende teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht.
Jedoch kein Wegfall der Vergünstigung für den verbleibenden Anteil von 6 %
Entgegen der Auffassung des FG hat Z durch die Vereinbarungen mit D und E über seine restliche Beteiligung von 6 % keine Verfügung getroffen. Sein Anteil am Gesamthandsvermögen wurde insoweit nicht vermindert. Weder das Kaufangebot an D noch die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung an E haben zu einer Änderung der Beteiligung geführt. Der Anteil des Z am Gesamthandsvermögen der X-KG betrug damit weiterhin 6 %.
Hinweis: Feststellungsbescheid
Bei mehreren Grundstücken in verschiedener FA-Bezirken werden die Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 GrEStG). Dazu gehören u.a. die Entscheidung über die Steuerpflicht sowie über eine etwaige Steuerbefreiung. Beim Übergang von einer Gesamthand auf eine andere wird auch festgestellt, ob und in welcher Höhe keine Steuer erhoben wird oder ob die Steuervergünstigung rückwirkend entfallen ist. Alle Feststellungen können jeweils eigenständig im Einspruchs- und Klageverfahren geprüft werden (BFH v. 5.9.2018, II R 57/15, BStBl II 2019, S. 42, Rz. 13).
BFH Urteil vom 12.01.2022 - II R 4/20 (veröffentlicht am 17.06.2022)
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