Leitsatz (amtlich)
Gründet ein Werbeberater zusammen mit seiner Ehefrau in der Rechtsform einer GmbH eine Werbeagentur, an der er mit Mehrheit beteiligt und deren Geschäftsführer er ist, sind auch die Einkünfte des Werbeberaters aus einer persönlich ausgeübten Werbeberatung der GmbH zuzurechnen, wenn keine vertraglichen Vereinbarungen über eine klare und eindeutige Aufgabenabgrenzung beider Unternehmensbereiche vorliegen.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
An der im Jahre 1960 mit einem Stammkapital von 20 000 DM gegründeten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer GmbH - waren M zu 3/4 und seine Ehefrau zu 1/4 beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin ist M.
Nach § 2 des Gesellschaftsvertrags ist "Gegenstand des Unternehmens "das Entwerfen, das Herstellen und die Verbreitung (Streuung) von Werbemitteln. Die Gesellschaft arbeitet als Werbeagentur. Sie führt auch Aufträge für Formgestaltung, Aufmachung, Packungsgestaltung, Verkaufsförderung und allgemeine Werbung aus. Sie vermittelt und überwacht Arbeiten der Werbemittelproduktion sowie Aufträge für repräsentative und psychologische Markt- und Meinungsforschung."
Die Klägerin ist aus dem Einzelunternehmen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers hervorgegangen, das sich mit Anzeigenexpedition und Werbeberatung befaßte.
Die Klägerin war nach ihrer Gründung auf dem Gebiet der Werbung für andere tätig. Sie beriet z. B. eine AG bei der äußeren und inhaltlichen Gestaltung von Firmenzeitschriften und weiterhin Werbeinserenten für die von ihr redaktionell betreuten Zeitschriften; sie be- schaffte für die von Kunden hergestellten Werbemittel geeignete Werbeträger.
Der Gesellschafter-Geschäftsführer M betätigte sich nach der Gründung der Klägerin weiter als selbständiger Werbeberater. In dem mit der Klägerin geschlossenen Anstellungsvertrag ist vereinbart, daß er "neben seiner Geschäftsführertätigkeit auch seine bisherige, der Gesellschaft bekannte freiberufliche Tätigkeit weiterhin ausüben" darf. Den Gewinn aus seiner selbständigen Werbeberatungstätigkeit ermittelte er in einer Einnahme-Überschußrechnung und setzte ihn in seinen Einkommensteuererklärungen unter den Einkünften aus selbständiger Arbeit an.
Bei einer Betriebsprüfung, die sich auf die Jahre 1966 bis 1969 erstreckte, wurde festgestellt, daß sich die Klägerin und ihr Gesellschafter-Geschäftsführer M auf demselben Gebiet betätigt hatten, ohne ihre Geschäftsbereiche vorher klar gegeneinander abgegrenzt zu haben. Bei den endgültigen Körperschaftsteuerveranlagungen 1966 bis 1969 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die bei der Betriebsprüfung ermittelten Gewinne des Einzelunternehmens des M dem körperschaftsteuer-pflichtigen Einkommen der Klägerin hinzu.
Gegen diese Hinzurechnungen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 42 veröffentlichten Entscheidung abgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts und führt aus, im Streitfall liege die Besonderheit vor, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer ursprünglich ein Einzelunternehmen betrieben habe, aus dem er einen Geschäftszweig ausgegliedert und in einer GmbH - der Klägerin - verselbständigt habe. Demnach sei das fortgeführte Einzelunternehmen nicht zum Zwecke der Manipulierung des Gewinns der Klägerin betrieben worden. Die historische Entwicklung zeige, daß nicht die Klägerin dem Einzelunternehmen des M Geschäfte zur Ausführung überlassen habe, sondern allenfalls M der Klägerin. Durch den Anstellungsvertrag seien die Geschäftstätigkeit der Klägerin von der des M. in seinem Einzelunternehmen klar abgegrenzt worden und für die Finanzverwaltung nachprüfbar gewesen.
Das FG habe den Grundsatz von Treu und Glauben unrichtig angewendet. Bei der Betriebsprüfung für die Streitjahre 1966 bis 1969 seien keine neuen Tatsachen hinzugekommen, die eine andere rechtliche Würdigung als in den vorhergehenden Jahren erfordert hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FG hat zu Recht die streitigen Beträge als verdeckte Gewinnausschüttungen an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer M behandelt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes alter Fassung - KStG -)
Der Geschäftsführer einer GmbH darf, auch wenn es ihm nicht ausdrücklich verboten ist, im Geschäftszweig der GmbH grundsätzlich keine Geschäfte für eigene Rechnung machen, erst recht darf er die von der GmbH abgeschlossenen Geschäfte weder auf eigene Rechnung abwickeln noch sonst irgendwie beeinträchtigen oder gar vereiteln (Urteil des Bundesgerichtshofs 11. Oktober 1976 II ZR 104/75, Der Betrieb 1977 S. 158, mit Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung). Das schließt es jedoch nicht aus, daß die Gesellschaft ihm gestattet, in ihrem Geschäftszweig außerhalb seiner Geschäftsführertätigkeit persönlich selbständig oder gewerblich tätig zu werden. Handelt es sich, wie im Streiffall, um einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, muß er im Falle einer Gestattung durch die Gesellschaft dafür sorgen, daß von vornherein der Kreis seiner persönlichen Tätigkeit von seiner Geschäftsführertätigkeit im einzelnen klar abgegrenzt wird. Es darf dem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht überlassen bleiben, jeweils von Fall zu Fall darüber zu befinden, welche - im Rahmen des gleichen Geschäftsbereichs - ausgeführten Geschäfte er der Gesellschaft und welche er seiner persönlichen Tätigkeit zurechnen will. Fehlt es an einer Vereinbarung oder grenzt eine diesbezügliche Vereinbarung die beiden Tätigkeitsbereiche nicht hinreichend ab, ist davon auszugehen, daß der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer für die Gesellschaft tätig geworden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1965 I 181/63 U, BFHE 84, 342, BStBl III 1966, 123; vom 30. September 1970 I R 130/68, BFHE 100, 240, BStBl II 1971, 68; vom 27. Januar 1971 I R 79/68, BFHE 101, 361, BStBl II 1971, 352).
Der erkennende Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß im Streitfall die Vereinbarung, M dürfe "seine bisherige, der Gesellschaft bekannte freiberufliche Tätigkeit" weiter ausüben, nicht ausreicht, die beiderseitigen Tätigkeitsbereiche im einzelnen klar gegeneinander abzugrenzen. Es kann nicht übersehen werden, daß die der Klägerin zugewiesenen Tätigkeitsbereiche sich weitgehend mit dem Tätigkeitsbereich, den sich M persönlich vorbehalten hat, überschneiden. Nach ihrem Vorbringen hat die Klägerin vornehmlich eine Werbeagentur betrieben, während M persönlich als Werbeberater tätig gewesen ist. Eine Werbeagentur befaßt sich in der Regel mit der Planung, Durchführung, Kontrolle, mitunter auch mit der Vermittlung von Werbemaßnahmen für andere Unternehmen; sie erstellt Werbeanalysen, berät Auftraggeber in der Auswahl der Werbemittel und Werbeträger, arbeitet Werbepläne aus, entwirft und gestaltet Werbemittel und sorgt für deren Streuung. Der Werbeberater berät gewöhnlich Unternehmen, meist solche ohne eigene Werbeabteilung, bei ihrer Werbung. Oft hat er ein Werbebüro mit fachlich ausgebildeten Angestellten und übernimmt dann neben der Aufstellung des Werbeplans auch die Ausführung der Werbemittel und die Durchführung der Werbeaktionen; er arbeitet vielfach mit Graphikern, Klischeeanstalten, Druckereien, Anzeigenmittlern usw. zusammen (vgl. zu Vorstehendem Gablers Wirtschaftslexikon, 10. Aufl., Stichworte: "Werbeagentur" und "Werbeberater"). Beide Tätigkeitsbereiche weisen von ihrer Aufgabenstellung her viele Gemeinsamkeiten auf. Werbeagenturen und Werbeberater sind auf dem Gebiet der Kommunikationswirtschaft - Planung, Gestaltung, Ausführung und Wirkungskontrolle von Werbemaßnahmen jeglicher Art - in Wirtschaft und Gesellschaft tätig.
Unter diesen Gegebenheiten reicht es für eine klare Abgrenzung der beiderseitigen Tätigkeitsbereiche nicht aus, daß auch der Kunde eine Entscheidung trifft, wem er den Auftrag - der Klägerin oder dem M persönlich - erteilt. Oft ist es dem Kunden gleichgültig, ob die Klägerin oder M in seinem Einzelunternehmen die verlangten Werbemaßnahmen durchführen. M als der an der Spitze seines Einzelunternehmens und als mit der Geschäftsführung der Klägerin betraute Werbefachmann hat es in der Hand, die Auftragserteilung an das eine oder andere Unternehmen zu steuern. Durch das Erfordernis einer vorherigen klaren Abgrenzung der beiden Tätigkeitsbereiche soll gerade verhindert werden, daß die hinter beiden Unternehmen stehende Person - hier M -von Fall zu Fall nach ihrem Gutdünken entscheidet, ob sie im Rahmen der von ihr beherrschten Gesellschaft oder für ihr Einzelunternehmen tätig werden will.
Eine vorherige einwandfreie Trennung der beiderseitigen Tätigkeitsbereiche ist entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch gegeben, daß die GmbH und auch die Mitgesellschafterin mit der "freiberuflichen Tätigkeit" (Werbeberatung) des M einverstanden waren und die jeweiligen Geschäfte der GmbH und des M persönlich in einer für jedes Unternehmen eingerichteten Buchführung festgehalten wurden. In der Buchführung werden nur die das jeweilige Unternehmen berührenden Geschäftsvorfälle dokumentiert. Vorausgegangen ist stets die Entschließung des M, ob der Geschäftsvorfall oder das Geschäft dem Bereich der Klägerin oder seinem persönlichen Tätigkeitsbereich zuzuordnen ist.
Die Klägerin meint in ihrer Revision, eine einwandfreie Trennung der beiderseitigen Tätigkeitsbereiche lasse sich aus der historischen Entwicklung ableiten: M habe schon vor der Gründung der Klägerin ein eigenes Werbeunternehmen betrieben und in der Klägerin ein eigenes Werbeunternehmen betrieben und in der Klägerin den Zweig der Werbemittlung (Werbeagentur) verselbständigt, während er den Zweig der Werbeberatung auf eigene Rechnung weiterbetrieben habe. Der Gesellschaftsvertrag erwähnt an keiner Stelle, daß M einen Teil seines Einzelunternehmens in die Klägerin eingebracht habe. Der Gegenstand ihres Unternehmens ist im Gesellschaftsvertrag so weit gefaßt, daß davon auch eine typische Werbeberatung umgriffen wird. Hätte die Klägerin einen bisher selbständigen und ihr gesellschaftsfremd gegenüberstehenden Werbefachmann als Geschäftsführer oder leitenden Angestellten eingestellt, wäre sie bedacht gewesen, durch besondere Vereinbarungen sicherzustellen, daß ihr dieser Angestellte auf ihrem Tätigkeitsgebiet keine Konkurrenz macht. Hätte dieser Angestellte es durchgesetzt, auf bestimmten Gebieten seines bisherigen Bereichs weiterhin auf eigene Rechnung tätig zu bleiben, hätte sie zur Vermeidung von Streitigkeiten für eine genaue und klare Abgrenzung in dem Anstellungsvertrag gesorgt. Im Streitfall hat das die Klägerin in dem Vertrag mit dem sie beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht getan. Durch den Hinweis auf die "der Gesellschaft bekannte freiberufliche Tätigkeit" des M läßt sich nicht leicht und einwandfrei nach prüfen, ob ein Auftrag zu Recht oder zu Unrecht der Klägerin oder dem M persönlich zugewiesen worden ist.
Fehlt es somit im Streitfall an der erforderlichen Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten der Klägerin und des M und hat damit M die Möglichkeit, in den Bereich der Klägerin fallende Geschäfte an sich zu ziehen, ist er in der Lage, den Gewinn der Klägerin zu beeinflussen. Unter diesen Umständen sind die Gewinne aus diesen von M auf eigene Rechnung ausgeführten Geschäfte der Klägerin zuzurechnen. Hat sie die Gewinne aus diesen Geschäften ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer M belassen, ist der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) verwirklicht.
2. Die Hinzurechnung dieser Gewinne als verdeckte Gewinnausschüttungen verstößt nicht gegen Treu und Glauben. Die Klägerin hat nicht behauptet, daß ihr das FA vor Beginn des ersten Streitjahres eine verbindliche Zusage über die steuerrechtliche Behandlung der persönlichen Geschäfte ihres Gesellschafter-Geschäftsführers, die den Tätigkeitsbereich der Klägerin berühren, gemacht hat. Für die Streitjahre sind nach zunächst in vollem Umfang vorläufigen Veranlagungen aufgrund einer späteren Betriebsprüfung die endgültigen Veranlagungen ergangen. Letztere hatten zur Zeit ihres Erlasses ihre Rechtsgrundlage in § 225 der Reichsabgabenordnung (AO). Es handelte sich somit nicht, was die Klägerin zu verkennen scheint, um Berichtigungsveranlagungen i. S. des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, die nur unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen ergehen dürfen. In den endgültigen Veranlagungen war der Sachverhalt unter Berücksichtigung aller bei der Betriebsprüfung aufgedeckten tatsächlichen Umstände rechtlich selbständig zu beurteilen. Dabei war das FA an Auffassungen, die es in Veranlagungen für die den Streitjahren vorhergehenden Veranlagungszeiträume vertreten hat, nicht gebunden. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung bewirkt die Beurteilung in einem Veranlagungszeitraum keine Bindung des FA für künftige Steuerabschnitte. Das gilt auch, wenn das FA in den Vorjahren aufgrund einer Betriebsprüfung anders verfahren ist (BFH-Urteil vom 25. Mai 1977 I R 93/75, BFHE 122, 296, BStBl II 1977, 660). Es kommt daher nicht darauf an, daß bei einer die Veranlagungszeiträume 1961 bis 1963 betreffenden Betriebsprüfung die unzulängliche Trennung der Tätigkeitsbereiche der Klägerin und des M vom Betriebsprüfer nicht beanstandet worden ist. Möglicherweise hat der Prüfer damals die jetzt anstehende Rechtsfrage versehentlich nicht erkannt.
Fundstellen
Haufe-Index 425996 |
BStBl II 1981, 448 |
BFHE 1981, 552 |