Leitsatz (amtlich)
Der Mangel der Form des Gesellschaftsvertrags über die Gründung einer GmbH hindert die Annahme einer körperschaftsteuerpflichtigen Gründergesellschaft jedenfalls dann nicht, wenn die Gesellschafter durch formgültigen Vorvertrag zum Abschluß des Gesellschaftsvertrags verpflichtet sind, die Abgabe der Erklärungen in der vorgeschriebenen Form nachgeholt wird, die Gründergesellschaft nach außen in Erscheinung tritt und die GmbH in das Handelsregister eingetragen wird.
Normenkette
KStG § 1; StAnpG § 5 Abs. 3; GmbHG § 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Gesellschafterin der ...-maschinenfabrik S. KG (KG). Gestützt auf § 10 des Gesellschaftsvertrags verlangte sie mit Schreiben vom 17. März 1965 von den übrigen Gesellschaftern, daß die Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH weitergeführt werde. Da sich die übrigen Gesellschafter weigerten, kam es zu einem Zivilprozeß, in dem die Klägerin obsiegte. Der BGH verurteilte die übrigen Gesellschafter der KG mit Urteil vom 5. Mai 1969 zum Abschluß eines GmbH-Vertrags, dessen Inhalt bereits durch § 12 des Gesellschaftsvertrags der KG im einzelnen festgelegt war.
Am 29. Mai 1970 meldete die Klägerin die GmbH zur Eintragung in das Handelsregister an. Das Amtsgericht verweigerte die Eintragung, da die notarielle Beitrittserklärung der Klägerin noch nicht vorlag. Diese wurde am 5. Februar 1971 abgegeben. Am 23. März 1971 wurde die GmbH in das Handelsregister eingetragen.
Am 26. Juni 1970 beantragte die Klägerin, die Einkommensteuervorauszahlungen ab I/1970 auf 0 DM herabzusetzen. Diesen Antrag begründete sie damit, daß seit dem Jahre 1970 keine Anteile am Gewinn der KG mehr anfielen, weil die Geschäfte der KG vom 5. Mai 1969 an für Rechnung der auf diesen Tag gegründeten GmbH geführt würden und diese der Körperschaftsteuer unterliege.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) lehnte diesen Antrag ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die OFD führte in der Beschwerdeentscheidung vom 11. Januar 1971 aus, eine Gründergesellschaft, die steuerrechtlich bereits als GmbH behandelt werde, bestehe noch nicht, da die in notarieller Form abzugebende Willenserklärung der Klägerin bis heute (11. Januar 1971) noch nicht vorliege. Außerdem sei eine Gründergesellschaft nach außen nicht in Erscheinung getreten.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hat sich der Auffassung der OFD angeschlossen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der unrichtige Anwendung des § 1 KStG und des § 5 Abs. 3 StAnpG gerügt wird.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und die Einkommensteuervorauszahlungen ab I/1970 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Bei der Bemessung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer ab I/1970 ist zu berücksichtigen, daß die Gesellschaft, der die Klägerin angehört, seit dem Jahr 1970 bereits wie eine GmbH der Körperschaftsteuer unterlag (§ 35 Abs. 2 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).
1. Obwohl eine GmbH "als solche" erst mit der Eintragung in das Handelsregister entsteht (§ 11 Abs. 1 GmbHG), unterliegt bereits die Gründergesellschaft nach Abschluß des Gesellschaftsvertrags der Körperschaftsteuer, vorausgesetzt, daß die Eintragung in das Handelsregister nachfolgt und die Gründergesellschaft eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen hat (Urteil des RFH vom 19. September 1923 VI e A 85/23, RFHE 12, 326; Urteile des BFH vom 6. Mai 1952 I 8/52 U BFHE 56, 446, BStBl III 1952, 172; vom 23. März 1953 I 31/53, DB 1953, 524, und vom 8. April 1960 III 129/57 U, BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319). Der RFH hat diese Auffassung damit begründet, daß die Kapitalgesellschaft als wirtschaftlich entstanden anzusehen sei, wenn der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen sei und aufgrund dieses Vertrags die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft begonnen habe. Der BFH hat sich darauf gestützt, daß die Nämlichkeit der Gründergesellschaft mit der erst nach der Eintragung fertigen Kapitalgesellschaft unterstellt werde. Entscheidend kommt hinzu, daß die Gründergesellschaft zivilrechtlich weitgehend wie die künftige Kapitalgesellschaft behandelt wird (Streck, BB 1972, 261, 265). Sie stellt nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein Rechtsgebilde eigener Art dar, das einem Sonderrecht unterliegt, bestehend aus den gesetzlichen und vertraglichen Gründungsvorschriften und dem Recht der künftigen Kapitalgesellschaft, soweit dieses nicht die Eintragung in das Handelsregister voraussetzt (BGH-Urteil vom 24. Oktober 1968 II ZR 216/66, BB 1969, 153). Im Streitfall kann auf sich beruhen, ob diese zivilrechtliche Behandlung der Gründergesellschaft für sich allein genügt, um sie der Körperschaftsteuer zu unterwerfen und ob deshalb auf die Voraussetzungen der nachfolgenden Eintragung in das Handelsregister und der Aufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit verzichtet werden kann (Streck, BB 1962, 261, 265). Denn die GmbH, der die Klägerin angehört, wurde in das Handelsregister eingetragen, die Gründergesellschaft hat auch, wie noch dargelegt werden wird, eine geschäftliche Tätigkeit entfaltet.
2. Die Tatsache, daß im Streitfall die Beitrittserklärung der Klägerin in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form (§ 2 GmbHG) erst im Jahr 1971 abgegeben wurde, steht einer Körperschaftsteuerpflicht der Gründergesellschaft seit dem Jahre 1970 nicht entgegen. Nach § 5 Abs. 3 StAnpG ist der Mangel der Form eines Rechtsgeschäfts steuerrechtlich so lange ohne Bedeutung, als die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen. Diese Vorschrift wäre allenfalls nicht anzuwenden, wenn ein steuerrechtlicher Rechtssatz nach seinem Wortlaut oder nach seinem Sinn und Zweck ein formgültiges Rechtsgeschäft voraussetzt. Das ist hier nicht der Fall. Die Körperschaftsteuerpflicht der Gründergesellschaft beruht ebenso wie die Körperschaftsteuerpflicht der fertigen Kapitalgesellschaft im wesentlichen darauf, daß das Steuerrecht an die handelsrechtlichen Formen dieser Gesellschaften anknüpft. Die handelsrechtliche Annahme einer Gründergesellschaft scheitert im Streitfall nicht an dem Mangel der vorgeschriebenen Form des Gesellschaftsvertrags. Einmal wird nach überwiegender Auffassung der Mangel der Form durch die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister geheilt (Scholz-Fischer, Kleinkommentar zum GmbH-Gesetz, § 2 Anm. 7). Im Streitfall wurde außerdem die fehlende Beitrittserklärung der Klägerin in notarieller Form vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nachgeholt. Das hatte zur Folge, daß die Gesellschafter verpflichtet waren, sich so zu behandeln, als wäre der Vertrag von Anfang an gültig gewesen (§ 141 Abs. 2 BGB; Hachenburg-Schilling, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 6. Aufl., § 2 Anm. 12). Darin liegt eine - wenn auch nur schuldrechtliche - Rückwirkung der notariellen Erklärung der Klägerin auf den 5. Mai 1969. An diesem Tage galten die Erklärungen der übrigen Gesellschafter zum Abschluß des Gesellschaftsvertrags als abgegeben (§ 894 ZPO). Die Klägerin hatte damals ihren Beitritt stillschweigend, wenn auch formungültig, dadurch erklärt, daß sie die übrigen Gesellschafter zum Abschluß des Gesellschaftsvertrags aufgefordert hatte.
Schließlich fällt im Streitfall ins Gewicht, daß die Klägerin, wie der BGH gegen die übrigen Gesellschafter entschieden hat, durch formgültigen Vorvertrag vom 25. Februar 1936 verpflichtet war, den Gesellschaftsvertrag abzuschließen. Darin lag zugleich die Verpflichtung, ihren Beitritt in der gesetzlichen Form zu erklären (Hachenburg-Schilling, a. a. O.).
Aus alledem folgt, daß bereits im Jahre 1970 unter den Gesellschaftern der künftigen GmbH schuldrechtliche Bindungen bestanden, die rechtsnotwendig dazu führten, daß der Gesellschaftsvertrag formgültig zustande kam, mit der Wirkung, daß die Gesellschafter verpflichtet waren, sich wie Mitglieder einer von Anfang an gültigen Gründergesellschaft zu verhalten. Der ursprüngliche Mangel der Form war damit handelsrechtlich im Ergebnis ohne Auswirkung.
3. Damit steht der Anwendung des § 5 Abs. 3 StAnpG nichts mehr im Wege. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Beteiligten haben das wirtschaftliche Ergebnis einer seit dem 5. Mai 1969 bestehenden Gründergesellschaft eintreten und bestehen lassen. Sie haben in der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1970 die Eröffnungsbilanz der GmbH zum 5. Mai 1969 festgestellt und Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. In einem Grundstücksgeschäft vom 23. Dezember 1969 trat der Kaufmann G. S. vor dem Notar nicht mehr für die frühere KG, sondern "für die Rechtsnachfolgerin der ... KG ... als Vertreter ohne Vertretungsmacht" und damit für die künftige GmbH auf. Schließlich meldete die Klägerin die GmbH am 29. Mai 1970 beim Amtsgericht zur Eintragung in das Handelsregister an. Diese Tatsachen rechtfertigen den Schluß, daß die Gesellschafter der künftigen GmbH bereits im Jahre 1970 so handelten, wie wenn der Gesellschaftsvertrag von Anfang an gültig zustande gekommen wäre. Sie haben später das wirtschaftliche Ergebnis des Handelns bestehen lassen; sie waren dazu sogar, wie bereits ausgeführt, verpflichtet (§ 141 Abs. 2 BGB).
Die Gründergesellschaft hat sich auch nach außen wirtschaftlich betätigt. Sie hat unstreitig die Geschäfte der früheren KG fortgeführt. Daß sie dabei unter der alten Firma gehandelt hat, ohne den Zusatz "GmbH" zu gebrauchen, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen. Denn sie war, wie die Klägerin mit Recht bemerkt, vor Eintragung der GmbH in das Handelsregister nicht befugt, diesen Zusatz zu verwenden (Balser-Meyer-Pichura, Die GmbH, S. 48). Die Vorschrift, daß die Firma der GmbH in allen Fällen die zusätzliche Bezeichnung "mit beschränkter Haftung" enthalten muß (§ 4 Abs. 2 GmbHG), gilt erst für die GmbH nach ihrer Eintragung in das Handelsregister. Vorher wäre der Zusatz geeignet, eine Täuschung über die Verhältnisse der Gesellschaft herbeizuführen (§ 18 Abs. 2 HGB). Denn die Haftung der Gründergesellschaft ist nicht gleich der Haftung der fertigen GmbH (§ 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 GmbHG).
4. Das Bestehen einer körperschaftsteuerpflichtigen Gründergesellschaft im Jahre 1970 war bereits bei der Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen ab I/1970 zu berücksichtigen (§ 35 Abs. 2 Satz 2 EStG). Da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, ist die Rechtmäßigkeit des ablehnenden Bescheids des FA nach den zur Zeit der Beschwerdeentscheidung der OFD bekannten Tatsachen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 5. Juli 1966 I 65/64, BFHE 86, 646, BStBl III 1966, 605). Die Beschwerdeentscheidung der OFD stammt vom 11. Januar 1971. Zu diesem Zeitpunkt hatte zwar die Klägerin ihre Beitrittserklärung in notarieller Form noch nicht abgegeben. Der OFD war aber bekannt, daß die Gesellschafter der KG durch notariellen Vertrag vom 25. Februar 1936 verpflichtet waren, den Gesellschaftsvertrag zur Gründung einer GmbH zu schließen, daß die Gesellschafter außer der Klägerin durch Urteil des BGH vom 5. Mai 1969 zum Abschluß dieses Vertrags verurteilt worden waren, daß die Klägerin die GmbH zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet hatte und daß das Amtsgericht darauf hingewiesen hatte, daß die Eintragung wegen Fehlens der notariellen Beitrittserklärung der Klägerin noch nicht erfolgen könne. Damit waren der OFD alle Tatsachen bekannt, die die erwähnten schuldrechtlichen Bindungen der Gesellschafter zur Folge hatten und die alsbaldige Abgabe der formgültigen Beitrittserklärung der Klägerin sowie die darauf folgende Eintragung der GmbH in das Handelsregister erwarten ließen. Der OFD waren weiter die Tatsachen bekannt, aus denen bei rechtlich zutreffender Würdigung zu schließen war, daß sich die Gesellschafter der künftigen GmbH bereits im Jahre 1970 wie Mitglieder der Gründergesellschaft verhielten und daß die Gründergesellschaft als solche nach außen geschäftlich in Erscheinung trat.
Der Sachverhalt, der der OFD vorlag, erlaubte damit den rechtlichen Schluß, daß bereits im Jahre 1970 eine körperschaftsteuerpflichtige Gründergesellschaft bestand. Bei dieser Rechtslage hatte die Klägerin im Jahre 1970 keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Nr. 2 EStG zu erwarten. Da sich ohne diese Einkünfte nach dem Einkommensteuerbescheid 1968, auf dem die Berechnung der Vorauszahlungen beruhte, und nach den sonst bekannten Umständen keine Einkommensteuer ergeben hätte, hat die OFD die gesetzliche Grenze ihres Ermessens überschritten, wenn sie die Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 DM ablehnte (§ 102 FGO, § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG). Da bei der geschilderten Sachlage nur eine Ermessensentscheidung in Frage kommt, nämlich die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf 0 DM, kann der Senat diese Entscheidung selbst treffen (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 1972 III R 113/71, BFHE 107, 248, BStBl II 1973, 151).
Fundstellen
Haufe-Index 70459 |
BStBl II 1973, 568 |
BFHE 1973, 190 |