Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensteuerpflicht einer Knappschaftsarztrente
Leitsatz (NV)
Der Ruhegehaltsanspruch eines Knappschaftsarztes gegenüber der Knappschaft ist nicht von der Vermögensteuer befreit.
Normenkette
VStG § 4 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 110 Abs. 1 Nr. 4, § 111 Nrn. 3-4; GG Art. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit 1954 als Knappschaftsarzt tätig. In § 10 Abs. 1 des zwischen ihm und der Knappschaft am 13./19. Februar 1954 geschlossenen Vertrags (Altvertrag) ist vereinbart, daß der Kläger einen Anspruch auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung hat. Für die zur Bemessung des Ruhegehalts erforderliche Errechnung der Mindest beschäftigungsjahre kommt nach § 10 des Altvertrags "nur das bezahlte Mitglieder behandlungspauschale ... zur Anrechnung. Dieses Pauschale, geteilt durch den 1 1/2-fachen Kopfsatz des Bezirksarztpauschales, stellt die Zahl der Mitglieder dar, deren Gesamtzahl, durch 1000 geteilt, die Zahl der Mindestbeschäftigungsjahre ... ergibt." In der Folgezeit wurde der Knappschaftsarztvertrag mehrfach abgeändert, vor dem im Streitfall maßgebenden Veranlagungsstichtag 1. Januar 1990 zuletzt durch den Vertrag vom 12./13. September 1989 (Vertrag). Nach § 5 dieses Vertrags hat der Knappschaftsarzt Anspruch auf Honorar sowie auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die Höhe der Versorgungsbezüge richtet sich gemäß § 21 Abs. 1 und 2 des Vertrags nach dem Pensionsdienstalter, für dessen Berechnung "bis zum 31. Dezember 1971 die von den früheren Knappschaften vereinbarten Berechnungsgrundsätze" gelten. Ab 1. Januar 1972 wird das Pensionsdienstalter aus der Anzahl der abgerechneten Behandlungs- und Überweisungsscheine und der Höhe des nach Anwendung von Kürzungstabellen verbleibenden Einzelhonorars nach Punkten errechnet (§ 21 Abs. 3 des Vertrags). Das Gesamtpensionsdienstalter darf gemäß § 21 Abs. 4 des Vertrags die tatsächlich verbrachte Dienstzeit nicht überschreiten.
Der Kläger bezieht seit Mai 1982 ein Ruhegehalt nach dem Knappschaftsarztvertrag. Bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1990 hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Ruhegehaltsansprüche zunächst steuerfrei belassen. Den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid änderte das FA im Jahre 1992 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und unterwarf den Kapitalwert der Ruhegehaltsansprüche der Vermögensteuer.
Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Oktober 1987 II R 198/84 (BFHE 151, 188, BStBl II 1988, 4) die Vermögensteuerfreiheit seiner Versorgungsbezüge nach § 111 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der am Stichtag maßgebenden Fassung des Steuerreformgesetzes 1990 (StRG 1990) vom 25. Juli 1988 geltend. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertritt in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 105 veröffentlichten Urteil die Auffassung, daß zwar Bedenken gegen die Steuerfreiheit der Versorgungsansprüche nach § 111 Nr. 4 BewG bestünden, doch seien diese Ansprüche nach § 111 Nr. 3 BewG vermögensteuerfrei.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 111 Nr. 3 BewG und beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Das FA begründet seine Revision im wesentlichen damit, daß das FG den Begriff der Renten verkenne, wenn es die Versorgungsansprüche des Klägers nach § 111 Nr. 3 BewG vermögensteuerfrei lasse. Diese Vorschrift erfasse nur Renten aus Rentenversicherungen. Zu deren Begriff gehöre es, daß Prämien gezahlt würden und die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlende Rente von der Höhe der Prämie abhinge. Diese Voraussetzungen erfülle der Versorgungsanspruch des Klägers nicht, denn dieser habe keine Prämien gezahlt, die für die Höhe der jetzigen Rente maßgeblich wären.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG ist der dem Kläger zustehende Ruhegehaltsanspruch gegenüber der Knappschaft nicht von der Vermögensteuer befreit.
Zu dem der Vermögensteuer nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG) unterliegenden Gesamtvermögen (§§ 114 bis 120 BewG) gehört als sonstiges Vermögen gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG u. a. auch der Kapitalwert von Rechten auf Renten. Hiervon läßt § 111 BewG nur unter bestimmten, im Gesetz im einzelnen aufgeführten Voraussetzungen Ausnahmen zu. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands gemäß § 111 Nr. 3 oder Nr. 4 BewG, die hier allein in Betracht kommen könnten, nicht vor.
1. Zu Recht ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß die Versorgungsansprüche des Klägers gegenüber der Knappschaft nicht nach § 111 Nr. 4 BewG von der Vermögensteuer befreit sind. Denn diese Vorschrift erfaßt nur Ansprüche auf gesetzliche Versorgungsbezüge. Darunter fallen zwar nicht nur Versorgungsbezüge, bei denen Grund, Art und Umfang im einzelnen unmittelbar in einem formellen Gesetz geregelt worden sind, sondern auch die Versorgungsbezüge nach Maßgabe der Satzung einer kassenärztlichen Vereinigung (vgl. hierzu das Senatsurteil vom 14. Oktober 1987 II R 198/84, BFHE 151, 188, BStBl II 1988, 4). Indessen beruht der Honoraranspruch des Klägers, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, weder auf einem formellen Gesetz noch auf einer Satzung, sondern auf einer vertraglichen Vereinbarung, nämlich dem zwischen dem Kläger und der Knappschaft im Februar 1954 geschlossenen und später mehrfach geänderten Knappschaftsarztvertrag.
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Kapitalwert der Versorgungsansprüche des Klägers auch nicht nach § 111 Nr. 3 BewG von der Vermögensteuer befreit. Danach gehören "fällige Ansprüche auf Renten aus Rentenversicherungen" unter den Voraussetzungen des § 111 Nr. 3 BewG nicht zum sonstigen Vermögen. Mit dieser Befreiungsvorschrift sollen die Ansprüche aus privaten Rentenversicherungen den gleichartigen Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung (vgl. § 111 Nr. 1 BewG) und aus der Sozialversicherung (vgl. § 111 Nr. 2 BewG) sowie den gesetzlichen Versorgungsbezügen (vgl. § 111 Nr. 4 BewG) weitgehend gleichgestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1977 III R 29/75, BFHE 121, 497, BStBl II 1977, 450, m. w. N.; Moench/Glier/Knobel/Viskorf, Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 111 BewG Rdnr. 6). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (siehe BFH-Urteile vom 20. Juni 1969 III R 64/66, BFHE 96, 120, BStBl II 1969, 544; vom 25. März 1977 III R 2/76, BFHE 122, 326, BStBl II 1977, 625, und in BFHE 121, 497, BStBl II 1977, 450), an der der Senat festhält, liegt eine Rentenversicherung i. S. des § 111 Nr. 3 BewG jedoch nur dann vor, wenn Prämien gezahlt wurden und die zu zahlende Rente von der Höhe der Prämien abhängt.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
a) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) war der Anspruch des Klägers gegenüber der Knappschaft auf Zahlung des vereinbarten Ruhegehalts bis Ende des Jahres 1971 allein davon abhängig, daß der Kläger die in § 10 des Alt vertrags festgelegten Mindestbeschäftigungsjahre erreichte. Eine Verpflichtung zur Prämienzahlung enthielt dieser Vertrag nicht. Der Kläger hat auch nach den Feststellungen der Vorinstanz keine Prämienzahlungen in dem Sinne geleistet, daß er regelmäßig Geldbeträge an die Knappschaft abgeführt hätte. Ebensowenig sehen die mit der Knappschaft getroffenen Vereinbarungen im Hinblick auf die Alters versorgung eine Kürzung der vereinbarten Honorare vor, so daß insoweit auch eine mittelbare Beitragsleistung im wirtschaft lichen Sinne nicht in Betracht kommt.
b) Aber auch soweit die Versorgungsleistungen der Knappschaft aufgrund der späteren Änderungen des Altvertrags für die Zeit ab 1. Januar 1972 auf eine neue Berechnungsgrundlage gestellt wurden, hängt der Rentenanspruch nicht von einer Prämienzahlung ab.
Dem Grunde nach ergeben sich die Rechte des Klägers als Knappschaftsarzt aus § 5 des Vertrags, wonach der Knappschaftsarzt Anspruch auf Honorar sowie auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung hat. Für die Höhe der Versorgungsleistungen sind nach § 21 Abs. 1 i. V. m. § 22 Abs. 1 des Vertrags die vom Knappschaftsarzt erfüllten Pensionsdienstalterjahre und damit begrifflich ein zeitlicher Faktor maßgebend. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß gemäß § 21 Abs. 3 des Vertrags ab 1. Januar 1972 das Pensionsdienstalter aus der Anzahl der abgerechneten Behandlungs- und Überweisungsscheine und der Höhe des nach Anwendung der Kürzungstabellen verbleibenden Einzelleistungshonorars nach Punkten errechnet wird. Denn in dem Umstand, daß die von den Knappschaftsärzten auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte abzurechnenden Leistungen nur nach Vornahme eines prozentualen Abschlags vergütet wurden, während die nicht am Ver sorgungssystem der Bundesknappschaft teilnehmenden Ärzte ein höheres Honorar erhalten haben, kann entgegen der Auf fassung des FG auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine die Höhe des Versorgungsanspruchs in versicherungsmathematischem Sinne bestimmende (mittelbare) Prämienleistung gesehen werden, die eine Vermögensteuerbefreiung des Versorgungsanspruchs des Klägers nach § 111 Nr. 3 BewG rechtfertigen könnte.
Daß es sich bei dem Ruhegehaltsanspruch des Klägers nicht um einen prämienabhängigen Versorgungsanspruch handelt, folgt zum einen daraus, daß das aus der Anzahl der abgerechneten Behandlungs- und Überweisungsscheine und der Höhe des nach Anwendung der Kürzungstabellen verbleibenden Einzelleistungshonorars nach Punkten errechnete Pensionsdienstalter gemäß § 21 Abs. 4 des Vertrags die tatsächlich verbrachte Dienstzeit nicht überschreiten darf. Dies bedeutet, daß jede, das Pensionsdienstalter grundsätzlich erhöhende ärztliche Leistung und damit die der Knappschaft wirtschaftlich zugute kommende Kürzung des Honoraranspruchs bei Überschreiten der tatsächlich verbrachten Dienstzeit ohne Einfluß auf die Höhe des Versorgungsanspruchs bleibt. Zum anderen folgt der fehlende unmittelbare Zusammenhang zwischen dem vom einzelnen Knappschaftsarzt wirtschaftlich zu tragenden Kürzungsbetrag und der Höhe seines Ruhegehalts daraus, daß nach den vom FG in bezug genommenen Vereinbarungen mit der Bundesknappschaft zur Verbesserung des Versorgungssystems ab 1. Januar 1972 für die Errechnung des Pensionsdienstalters die einzelnen Knappschaftsfachärzte eine unterschiedliche Zahl von Behandungs- und Überweisungsscheinen und der entsprechenden Honorarbeträge für die Errechnung von je 200 Punkten erbringen müssen. Das bedeutet, daß der Umfang der Kürzung des Honorars ohne rechnerisch bestimmbare Auswirkung auf die Höhe der (gleichen) Versorgungsbezüge bleibt. Schließlich spricht gegen ein aufgrund eigener Prämienleistung erworbenes (prämienabhängiges) Ruhegehalt, daß die Knappschaft nach § 24 Abs. 3 des Vertrags "auch nach mehr als fünfjähriger knappschaftsärztlicher Tätigkeit in Ausnahmefällen im Benehmen mit dem Bundesverband der Knappschaftsärzte e. V. bei gröblichsten Treuepflichtverletzungen des Knappschaftsarztes die Versorgungsanwartschaft" entschädigungslos widerrufen kann. Denn nach § 24 Abs. 4 des Vertrags findet in diesem Fall eine Kapitalabfindung nicht statt.
3. Die unterschiedliche Besteuerung der "kollektiven" und der "privaten" Altersversorgung verstößt auch nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1992 1 BvR 737/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 129).
4. Die Sache ist spruchreif. Gegen die Höhe des vom FA der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1990 zugrundegelegten Kapitalwerts der Ruhegehaltsansprüche hat der Kläger weder Einwendungen erhoben noch sind sonstige Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Vermögensteuerbescheids ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 422347 |
BFH/NV 1997, 821 |
DStRE 1998, 363 |