Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein Unternehmen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden und wählt er ein anderes Wirtschaftsjahr als der bisherige Inhaber, so liegt darin keine "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs. Dies gilt auch dann, wenn er das Unternehmen unentgeltlich erworben hat und daher an die Buchwerte des Veräußerers gebunden ist (§ 7 Abs. 1 EStDV).
Dagegen ist es eine "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs, wenn bei einer aus zwei Personen bestehenden OHG (BFH-Urteil IV 284/63 U vom 18. März 1964, BFH 79, 197, BStBl III 1964, 304) oder bei einer anderen Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (§ 15 Ziff. 2 EStG), nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen allein fortführt und das bisherige Wirtschaftsjahr der Gesellschaft ändert.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 5 Ziff. 2; KStG § 5/2/3
Tatbestand
Der Vater des Revisionsklägers (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) betrieb ein im Handelsregister eingetragenes Einzelhandelsgeschäft mit Lebensmitteln und mit Feinkost. Am 1. Januar 1959 nahm er seinen Sohn, den Stpfl., als Gesellschafter in das Geschäft auf. Durch notariellen Vertrag vom 15. Juli 1960 übertrug der Vater seinem Sohn das bebaute Grundstück, auf dem das Geschäft betrieben wird, und das Geschäft selbst mit sämtlichem Inventar und mit allen Aktiven und Passiven. Dadurch sollte die künftige Erbfolge des Stpfl. vorweggenommen werden.
Am 30. Dezember 1960 teilte der Stpfl. dem Finanzamt (FA) mit, daß sein Geschäftsjahr mit Wirkung vom 15. Juli 1960 jeweils am 1. Juli beginne und mit dem 30. Juni des folgenden Jahres ende. Das FA faßte diese Mitteilung als Antrag auf, die Umstellung des Wirtschaftsjahrs auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum nach § 2 Abs. 5 Ziff. 2 Satz 2 EStG zu genehmigen, und bat um Angabe der Gründe. Der Stpfl. schrieb darauf: "Die übergroße Belastung zum Jahreswechsel, bedingt durch einen sehr großen Personalmangel, weiterhin der große Warenbestand, der bekanntlich zu diesem Zeitpunkt der größte in unserer Saison ist, veranlaßt mich, das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweichen zu lassen. Ich bitte daher nochmal meinem Antrag stattzugeben".
Das FA lehnte den Antrag ab. In der Beschwerde trug der Stpfl. nochmals zusammenfassend die Gründe vor, die zur Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs geführt hätten. Das Sortiment umfasse abweichend von einem normalen Lebensmittelgeschäft 6000 bis 7000 Artikel, so daß die Durchführung der Inventur in besonders großem Maß mit Arbeitsaufwand verbunden sei. In seinem Betrieb bestehe sehr starker Personalmangel, insbesondere seien auch die Eltern als Aushilfskräfte weggefallen. Die Schaufenster müßten gerade am Jahresende umdekoriert werden. Die Monate am Jahresende und am Jahresanfang seien die Hauptsaisonmonate. In dieser Zeit führe er Artikel, die im Sommer nicht vorhanden seien. Gerade am Jahresende sei das Geschäft überlaufen, so daß es während der Geschäftszeit nicht möglich sei, die Inventur durchzuführen. Dies sei in seinem Geschäft besonders deshalb nicht möglich, weil sich das gesamte Warenlager im Verkaufsraum befinde. Infolge Platzmangels habe er keine Möglichkeit, ein zusätzliches Warenlager zu unterhalten.
Außerdem machte der Stpfl. geltend, es liege überhaupt keine "Umstellung", sondern eine Neugründung vor.
Die Revisionsbeklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) ordnete eine Nachschau im Betrieb des Stpfl. an und wies dann die Beschwerde als unbegründet zurück.
Sie gab zu, daß bei Neueröffnung eines Betriebes, der grundsätzlich die Betriebsübernahme gleichzusetzen sei, das Einvernehmen des FA zur Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs nicht erforderlich sei, da es sich nicht um eine "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs handle. Etwas anderes müsse aber gelten, wenn der übertragene und der übernommene Betrieb steuerlich als ein und dasselbe Unternehmen anzusehen seien. Im vorliegenden Fall seien nach § 7 Abs. 1 EStDV die bisherigen Buchwerte der Gesellschaft fortgeführt worden. Diese Regelung sei aber nur gerechtfertigt, wenn zwischen übertragenem und übernommenen Betrieb steuerlich Unternehmensidentität angenommen werde.
Die Erklärung des Einvernehmens des FA zur "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs sei eine Ermessensentscheidung. Da mit der "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs in der Regel erhebliche steuerliche Vorteile verbunden seien, hätte das FA das Einvernehmen nur erteilen dürfen, wenn wirtschaftliche Gründe von einigem Gewicht vorgebracht worden wären. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des FA habe sich das Warenlager des Stpfl. zum 31. Dezember 1959 aus rund 3300, zum 14. Juli 1960 aus rund 3100 und zum 30. Juni 1961 aus rund 3200 verschiedenen Artikeln zusammengesetzt. Es sei daher nicht zutreffend, daß 6000 bis 7000 verschiedene Warenartikel geführt würden. In den Wintermonaten würden zwar Wild, Geflügel und einige Feinkostwaren, die im Sommer nicht angeboten würden, geführt. Demgegenüber sei jedoch in den Sommermonaten das Angebot an Obst und Gemüse weitaus reichhaltiger. Wertmäßig sei zum Jahresende der Warenbestand auch nicht wesentlich höher (31. Dezember 1959 = 55.240 DM, 14. Juli 1960 = 49.254 DM, 30. Juni 1961 = 54.549 DM). Die Durchführung der Wareninventur verursache daher am Jahresende grundsätzlich nicht wesentlich mehr Arbeit als in der Mitte des Jahres. Der Stpfl. sei ferner für die Aufnahme seines Warenlagers nicht ausschließlich auf seine Verkaufsräume angewiesen. Im stünden für Lagerzwecke ein großer Keller und zwei kleine Räume hinter dem Verkaufsraum zur Verfügung. Der Stpfl. könne daher die Inventur teilweise hier vorbereiten. Da die Waren im Verkaufsraum, wie der Prüfer bei der Nachschau festgestellt habe, übersichtlich aufgestellt und somit leicht erfassbar seien, sei nicht einzusehen, daß sich die Inventur der dort lagernden Waren tatsächlich so schwierig gestalte, wie es der Stpfl. darstelle. Im übrigen sei an den Tagen, die sich unmittelbar an den 31. Dezember anschlössen und die für die Inventur der im Verkaufsraum lagernden Waren in Betracht kämen, der Umsatz niedriger als an entsprechenden Tagen in der Mitte des Jahres. So habe der Umsatz nach den Ermittlungen des FA am 2. Januar 1961 1.632 DM und am 3. Januar 1961 903 DM betragen, während er sich am 1. Juli 1961 auf 2.723 DM und am 3. Juli 1961 auf 1.171 DM belaufen habe. Die Inventur werde demnach am Jahresschluß durch den laufenden Geschäftsbetrieb nicht wesentlich stärker behindert als um die Jahresmitte. Die von dem Stpfl. vorgetragenen Personalschwierigkeiten seien allgemeiner Art und heute in vielen Betrieben anzutreffen. Entgegen der Behauptung des Stpfl. arbeiteten die Eltern des Stpfl. nach wie vor im Betrieb mit. Im übrigen sei der Mangel an Arbeitskräften Ende Juni / Anfang Juli eines jeden Jahres ebensogroß wie zum Jahresschluß, so daß die Inventur, die nun einmal eine gewisse Arbeitsspitze mit sich bringe, zu dieser Zeit nicht unter geringeren Schwierigkeiten durchgeführt werden könne.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, eine Neugründung liege nicht vor. Allein die Tatsache, daß der Stpfl. vor dem übergang des Unternehmens auf ihn allein bereits an diesem selben Unternehmen als Gesellschafter beteiligt gewesen sei, müsse zu der Feststellung führen, daß hier ein Unternehmen nicht neu eröffnet, sondern weitergeführt worden sei.
Zur Frage, wann das FA sein Einvernehmen mit der "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs zu erteilen habe, vertritt das FG den Standpunkt, daß es beachtliche Gründe sein müßten, die den Stpfl. zur Umstellung bewogen hätten. Das FA und die OFD hätten ohne Ermessensmißbrauch zu der Ansicht kommen können, daß die vom Stpfl. angeführten Gründe in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht derart beachtlich seien, daß die Vermutung der Maßgeblichkeit steuerlicher Gründe für die "Umstellung" auszuschließen gewesen sei.
Dagegen richtet sich die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde des Stpfl. mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den bisherigen Anträgen zu entscheiden. Der Stpfl. rügt, die OFD habe die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Das FG habe die von ihm vorgebrachten Gründe für die Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs nicht vollständig gewürdigt und nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit berührenden steuerlichen Auswirkungen der Umstellung abgewogen. Als einzige Auswirkung, die die Allgemeinheit betreffe, werde angeführt, daß er, der Stpfl., den in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1960 erzielten Gewinn erst im folgenden Kalenderjahr der Einkommensteuer zu unterwerfen habe. Dadurch werde aber die Allgemeinheit nicht betroffen. Denn er zahle durch diese Verschiebung nicht weniger Steuern und auch nicht später, da er ja regelmäßig Vorauszahlungen leiste, die sich im Rahmen der endgültigen Veranlagung bewegten.
Die OFD hat darauf erwidert, der in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember eines jeden Jahres erwirtschaftete Gewinn werde erst im nächsten Jahr versteuert, so daß die Vorauszahlungen auf die sich für diesen Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergebende Steuer auch erst in diesem Veranlagungszeitraum fällig würden, also ein Jahr später gezahlt würden. § 20 Abs. 2 KStG gelte nicht für die Einkommensteuer.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Von einer "Umstellung" des Wirtschaftsjahrs (§ 2 Abs. 5 Ziff. 2 Satz 2 EStG) kann man sicher nicht sprechen, wenn jemand einen Betrieb neu eröffnet. Auch wenn ein Kaufmann sein Handelsgeschäft an einen anderen veräußert, der bisher an dem Unternehmen noch nicht gesellschaftsrechtlich beteiligt war, ist kein Grund vorhanden, der es rechtfertigen könnte, ihn an die Entscheidung des Veräußerers über den Zeitraum, den das Wirtschaftsjahr umfassen soll, zu binden. Das bisher gewählte Wirtschaftsjahr war in keiner rechtlich erheblichen Weise sein Wirtschaftsjahr. Der Erwerber kann daher frei bestimmen, welcher Zeitraum sein Wirtschaftsjahr sein soll, diese Bestimmung ist keine Umstellung des Wirtschaftsjahrs. Dies gilt im Gegensatz zu der Auffassung der OFD auch, wenn der bisherige Unternehmer das Geschäft unentgeltlich auf einen anderen überträgt und der Erwerber daher nach § 7 Abs. 1 EStDV an die Buchwerte des Veräußerers gebunden ist. Denn diese Bindung ist kein Ausdruck einer allumfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge. Die Veräußerung eines Geschäfts bewirkt auch steuerlich nur eine Rechtsnachfolge in einzelnen vom Gesetz jeweils bestimmten Beziehungen. Die Frage, welchen Zeitraum das Wirtschaftsjahr umfassen soll, ist auch nicht so eng mit der Frage der Wertansätze in der Bilanz verknüpft, daß aus der Bindung an die Buchwerte naturnotwendig die Bindung an das gewählte Wirtschaftsjahr folgen müßte.
Dagegen ist es eine Umstellung des Wirtschaftsjahrs, wenn bei einer aus zwei Personen bestehenden OHG nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters der verbleibende Gesellschafter das Unternehmen als Einzelfirma fortführt und das bisherige Wirtschaftsjahr der Gesellschaft ändern will (Urteil des BFH IV 284/63 U vom 18. März 1964, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 79, S. 197, - BFH 79, 197 -, BStBl III 1964, 304). Das gilt nicht nur für die OHG, sondern für jede Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Denn das Unternehmen wurde schon bisher dem übernehmer steuerlich zugerechnet, der übernehmer war Unternehmer (Mitunternehmer) des ganzen Betriebs (§ 15 Ziff. 2, § 16 Abs. 1 Ziff. 2 EStG, § 215 Abs. 2 Ziff. 2, § 216 Abs. 1 Ziff. 2 AO). Er führt das bisherige Unternehmen als Einzelfirma fort. Die Wahl eines anderen Wirtschaftsjahrs ist daher für ihn eine Umstellung des Wirtschaftsjahrs. Im Streitfall war der Stpfl. nach seinem eigenen Vortrag seit 1. Januar 1959 mit seinem Vater in einer Gesellschaft zum Betrieb des Handelsgeschäfts verbunden, die inzwischen das FA auch steuerlich anerkannt hat. Die Umstellung des Wirtschaftsjahres durch den Stpfl. und nunmehrigen Alleininhaber des Geschäfts konnte daher nur im Einvernehmen mit den FA vorgenommen werden (§ 2 Abs. 5 Ziff. 2 Satz 2 EStG). Das FA und die OFD haben das Einvernehmen zur Umstellung des Wirtschaftsjahrs verweigert, ohne dadurch die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen einen falschen Gebrauch gemacht zu haben (§ 102 FGO). Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat und an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), bereitet die Inventur im Geschäft des Stpfl. am Ende des Jahres nicht wesentlich mehr Arbeit und keine wesentlich größeren Schwierigkeiten als in der Mitte des Jahres. Andere beachtliche Gründe für die Umstellung des Wirtschaftsjahrs sind nicht ersichtlich. Es ist auch nicht richtig, daß die Interessen der Allgemeinheit durch die Umstellung des Wirtschaftsjahrs nicht berührt würden. Bei einem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni liegt der im zweiten Kalenderhalbjahr erwirtschaftete Gewinn ein Jahr später der Veranlagung zu Grunde als bei einem Wirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 31. Dezember (§ 2 Abs. 6 Ziff. 2, § 25 EStG). Führt er zu einer Erhöhung des Jahresgewinns, so wird die Verschiebung durch Vorauszahlungen in der Regel nicht ausgeglichen.
Fundstellen
Haufe-Index 412307 |
BStBl III 1967, 86 |
BFHE 1967, 153 |
BFHE 87, 153 |
BB 1967, 106 |
DB 1967, 144 |
DStR 1967, 131 |