Leitsatz (amtlich)
Die Einlage eines Wirtschaftsguts aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen ist keine Anschaffung i. S. von § 6b EStG und keine Ersatzbeschaffung i. S. von Abschn. 35 EStR. Die den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage nach § 6b EStG oder Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Abschn. 35 EStR kann daher nicht von dem Teilwert eines aus dem Privatvermögen eingelegten Wirtschaftsguts abgezogen werden.
Normenkette
EStG § 6b; EStR Abschn. 35
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin ihres 1974 verstorbenen Ehemannes (Steuerpflichtiger). Dieser betrieb ein Bauunternehmen. Er war neben der Stadt M in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer eines Grundstücks in M. Dieses diente dem Bauunternehmen als Lagerplatz. Im Jahre 1966 nahm die Stadt M das Grundstück, das den alleinigen Gegenstand des ungeteilten Nachlasses bildete, für Bauzwecke in Anspruch. Sie drohte dem Steuerpflichtigen die Zwangsversteigerung des Grundstücks zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft und - für den Fall, daß er das Grundstück ersteigern sollte - die Enteignung an. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. März 1968 verkaufte der Steuerpflichtige seinen zum Betriebsvermögen gehörenden Miterbenanteil für 450 000 DM an die Stadt M. In der Bilanz zum 31. Dezember 1968 wies er eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 443 635,85 DM aus.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren seit 1963 je zur Hälfte Miteigentümer von Grundstücken, die zu ihrem Privatvermögen gehörten. Im Jahre 1970 legte der Steuerpflichtige aus diesen Grundstücken eine Teilfläche in das Unternehmen ein. Diese wurde ebenfalls als Lagerplatz des Bauunternehmens genutzt. Den Einlagewert der Teilfläche berechnete der Steuerpflichtige mit 450 000 DM (3 000 qm 150 DM) und übertrug darauf die Rücklage.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) löste diese Rücklage zum 31. Dezember 1970 gewinnerhöhend auf, weil in der Einlage keine Anschaffung i. S. des § 6b EStG zu sehen sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 507 veröffentlichten Entscheidung im wesentlichen aus, die Einlage eines Wirtschaftsguts sei keine Anschaffung eines Reinvestitionsobjekts i. S. des § 6b EStG. Ebenso sei ein eingelegtes Wirtschaftsgut auch kein Ersatzwirtschaftsgut i. S. des Abschn. 35 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR).
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des Rechtsinstituts der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Abschn. 35 EStR. Es sei insbesondere rechtsfehlerhaft, die zu § 6b EStG entwickelten Rechtsgrundsätze auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung zu übertragen; denn dieser lägen vollkommen andere Motive und Zielrichtungen zugrunde als der in § 6b EStG erwähnten Rücklage. Sähe man die Einlage eines Ersatzwirtschaftsguts nicht als begünstigte Ersatzbeschaffung an, so führe dies gerade bei kapitalschwachen Unternehmen, die häufig die Entschädigung zur Rückzahlung der durch das enteignete Grundstück gesicherten Betriebsmittelkredite verwendeten, zu besonderen Härten. Es erscheine auch bedenklich, den Abschn. 35 EStR als gewohnheitsrechtlichen Grundsatz nach seinem Wortlaut auszulegen. Die grundlegenden Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (RFH) seien zur Brandentschädigung ergangen. Bei diesem Sachverhalt hätten sich zwangsläufig nur Anschaffungs- oder Herstellungskosten ergeben, auf die die Rücklage habe verrechnet werden können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer 1970 auf X DM und die Ergänzungsabgabe hierzu auf Y DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat mit zutreffender Begründung die vom FA vorgenommene Auflösung der Rücklage zum 31. Dezember 1970 für Rechtens erklärt, weil die Einlage des Grundstücks in das Betriebsvermögen weder eine Anschaffung i. S. des § 6b EStG noch eine Ersatzbeschaffung i. S. des Abschn. 35 EStR darstellt.
Der Senat kann offenlassen, ob es im Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen (vgl. hierzu Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 6b Tz. 14) zulässig ist, eine nach § 6b EStG gebildete Rücklage wahlweise auch als Rücklage für Ersatzbeschaffung i. S. von Abschn. 35 EStR zu behandeln. Weder in dem einen noch in dem anderen Fall hat die Revision Erfolg.
Die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG in der Bilanz zum 31. Dezember 1968 war zulässig. Der Steuerpflichtige hat durch den Verkauf seines nur aus seinem Anteil an dem Grundstück bestehenden Miterbenanteils das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an dem durch § 6b Abs. 1 EStG begünstigten Objekt "Grund und Boden" an die Stadt veräußert.
Die Rücklage war gemäß § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG in der Bilanz zum 31. Dezember 1970 gewinnerhöhend aufzulösen. Denn der Steuerpflichtige hat nicht in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren nach Bildung der Rücklage ein Reinvestitionsobjekt angeschafft (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG). § 6b EStG begünstigt nur die Anschaffung oder Herstellung eines der in dieser Vorschrift benannten Wirtschaftsgüter. Die Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen ist jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Januar 1981 IV R 111/77, BFHE 132, 534, BStBl II 1981, 430 , und vom 19. Januar 1984 IV R 224/80, BFHE 140, 270, BStBl II 1984, 312 ), der sich der Senat anschließt, und der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6b EStG Anm. 146, mit weiteren Nachweisen; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., § 6b Anm. 58; Schmidt/Seeger, a. a. O., § 6b Anm. 11) keine Anschaffung i. S. des § 6b EStG, da insoweit kein entgeltlicher Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut gegeben ist.
Das FG ist stillschweigend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach Abschn. 35 EStR im Jahre 1968 vorgelegen haben. Bedenken hiergegen könnten sich möglicherweise aus dem Fehlen der Absicht einer Ersatzbeschaffung, d. h. der Anschaffung eines Ersatzgrundstücks ergeben (Abschn. 35 Abs. 4 EStR; BFH-Urteil vom 19. Dezember 1972 VIII R 29/70, BFHE 108, 326, BStBl II 1973, 297 ). Die Rücklage für Ersatzbeschaffung wäre unabhängig davon ebenfalls zum 31. Dezember 1970 gewinnerhöhend aufzulösen, weil der Steuerpflichtige bis zu diesem Zeitpunkt kein Ersatzgrundstück angeschafft hatte (Abschn. 35 Abs. 6 Satz 2 EStR). Gründe, die eine Verlängerung der Zweijahresfrist (vgl. Abschn. 35 Abs. 6 Satz 3 EStR) und damit eine Auflösung der Rücklage zu einem späteren Zeitpunkt als im Streitjahr gerechtfertigt erscheinen ließen, liegen nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht vor.
Die Einlage eines Ersatzwirtschaftsguts in das Betriebsvermögen steht der Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts nicht gleich. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht diese Rechtsauffassung weder auf der Übertragung der zu § 6b EStG entwickelten Rechtsgrundsätze auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung noch auf der wortgetreuen Auslegung des als Gewohnheitsrecht geltenden Abschn. 35 EStR. Sie ergibt sich vielmehr zwangsläufig aus dem von der Rechtsprechung zur Rücklage für Ersatzbeschaffung aus Billigkeitserwägungen entwickelten Grundgedanken, daß die für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter erlangten Beträge ungeschmälert zur Ersatzbeschaffung sollen verwendet werden können, was nicht möglich wäre, wenn sie zum Teil weggesteuert würden (BFH-Urteile vom 29. April 1982 IV R 10/79, BFHE 135, 538, BStBl II 1982, 568 , und vom 24. Mai 1973 IV R 23-24/68, BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582 ). Zweck der Anerkennung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und deren Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut ist nicht allein, die als unbillig empfundene Besteuerung eines Gewinns, der durch die zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven entsteht, zu mildern, sondern es soll dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, die erlangte Entschädigung zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden (so ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 9. Dezember 1982 IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371 ). Diese Überlegungen greifen indessen nicht, wenn ein vorhandenes Wirtschaftsgut in das Betriebsvermögen eingelegt wird.
Es ist zwar richtig, daß sich im Rahmen der steuerlichen Behandlung von Brandentschädigungen (vgl. die Entscheidung des RFH vom 2. April 1930 VI A 514/30, RStBl 1930, 313) das Problem der Einlage eines Ersatzwirtschaftsguts in der Regel nicht stellen konnte. Diese Überlegung rechtfertigt es jedoch nicht, die Einlage eines Ersatzwirtschaftsguts als eine Anschaffung zu werten. Der BFH hat immer wieder herausgestellt, daß es der Zweck des Rechtsinstituts der Rücklage für Ersatzbeschaffung sei, die durch das zwangsweise Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen erlangte Gegenleistung ungeschmälert zur Ersatzbeschaffung verwenden zu können (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1961 I 283/60 S, BFHE 73, 823, BStBl III 1961, 566 ; BFHE 109, 230, BStBl II 1973, 582 ; vom 5. Februar 1981 IV R 87/77, BFHE 132, 549, BStBl II 1981, 432 ).
Diese Zielsetzung der Rücklage für Ersatzbeschaffung läßt für die Erwägungen der Klägerin, daß gerade eigenkapitalschwache Unternehmen benachteiligt werden, wenn die Einlage eines Wirtschaftsguts nicht als begünstigter Ersatzbeschaffungstatbestand anerkannt wird, bei der Entscheidung der Streitsache keinen Raum.
Daß die spätere Erfassung der stillen Reserven bei Übertragung der Rücklage auf ein eingelegtes Ersatzwirtschaftsgut gesichert ist, ist ebenfalls kein Grund, die Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen mit dessen Anschaffung gleichzustellen. Maßgebend für die Gewinnermittlung nach Einkommensteuerrecht sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 4 bis 7 EStG. Die kraft Gewohnheitsrechts hiervon abweichende Regelung der erfolgsneutralen Übertragung stiller Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut nach Abschn. 35 EStR stellt eine lediglich auf Billigkeitsüberlegungen beruhende Ausnahme von den gesetzlichen Vorschriften, die zur Gewinnrealisierung führen, dar (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 1979 IV R 1/75, BFHE 127, 397, BStBl II 1979, 412 ). Einen allgemeingültigen Rechtssatz des Inhalts, daß die Gewinnrealisierung in den Fällen hinausgeschoben werden kann, in denen die spätere Erfassung der stillen Reserven gesichert ist, gibt es nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 426112 |
BStBl II 1985, 250 |
BFHE 1985, 46 |