Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Entnahme
Leitsatz (NV)
- Betrieblich vereinnahmte Entgelte gehören mit ihrem Zugang zum Betriebsvermögen.
- Gehört ein Geldbetrag zum Betriebsvermögen, so bedarf es einer Entnahme, um ihn in das Privatvermögen zu überführen.
- Eine Entnahme erfordert regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen wird. Der Willensentschluss des Steuerpflichtigen muss klar und eindeutig zum Ausdruck kommen.
- Hierfür wird ein Verhalten vorausgesetzt, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern fortan nur noch zur Erzielung von Privateinnahmen oder einkommensteuerrechtlich neutralen Zwecken einzusetzen. Die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betriebsvermögen muss unmissverständlich gelöst werden.
Normenkette
FGO § 68; EStG § 4
Verfahrensgang
Thüringer FG (EFG 2000, 1053) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 1991 bis 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte unter anderem gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Apotheke. Sie unterhielt Konten bei der Sparkasse und ab Ende 1991 bei der A-Bank. Von dem laufenden Geschäftskonto bei der A-Bank buchte sie Gelder auf Unterkonten zum Geschäftskonto und legte sie als Festgeld an. Nach dem von der Klägerin unterschriebenen Auszahlplan sollten die Rückzahlungen aus Kapital und Zinsen auf das Betriebskonto erfolgen; vorzeitige Verfügungen waren ausgeschlossen. Dementsprechend wurden die Gelder einschließlich der Guthabenzinsen nach Ablauf der unterschiedlichen Laufzeiten ―von zwei Monaten bis zu über einem Jahr― wieder auf das Geschäftskonto gebucht.
In der Buchführung behandelte die Klägerin die Vorgänge als Entnahmen bzw. Einlagen. Die in den Jahren 1991 bis 1994 erhaltenen Guthabenzinsen in Höhe von zwischen … DM und … DM erklärte sie als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Außerdem legten die Kläger für ihren minderjährigen Sohn B weitere Beträge als Festgeld an. Die angefallenen Zinsen für 1993 und 1994 in Höhe von … DM bzw. … DM wurden ebenfalls dem betrieblichen Konto gutgeschrieben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) behandelte alle Zinseinnahmen als betriebliche Einkünfte, da die angelegten Festgelder nicht i.S. von § 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entnommen worden seien. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, für eine steuerlich anzuerkennende Entnahme von Betriebskapital reiche es nicht aus, wenn dieses nur vorübergehend für einige Monate auf einem als privat deklarierten Konto geführt werde, Kapital und Zinsen nach deren Zufluss aber automatisch wieder auf das betriebliche Konto gebucht würden. Die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1053.
Die Kläger machen mit ihrer Revision im Wesentlichen geltend, die auch in der Buchhaltung nachzuvollziehenden Entnahmehandlungen stellten eine endgültige und unwiderrufliche Entscheidung zur Trennung der fest angelegten Geldbeträge vom Betriebsvermögen dar. Die eindeutige und zweifelsfreie Entnahmehandlung könne nicht allein deshalb umgedeutet werden, weil die Girokonten bei der A-Bank auf Grund technischer Besonderheiten unter einer gleichen Stammnummer geführt und die zuvor aus dem Betriebsvermögen ausgesonderten Wirtschaftsgüter deshalb bei Fälligkeit automatisch wieder auf dem betrieblichen Konto gutgeschrieben worden seien. Dies habe sich ihrem Einfluss entzogen. Die Würdigung des FG, die als Privatentnahmen gebuchten Vorgänge seien als formaler Buchungsakt zur Beweisführung unzureichend, sei unverständlich.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 26. Juli 2000 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1991, 1993 und 1994 erlassen. Den Bescheiden fehlte der Hinweis auf die Monatsfrist des § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. Die Kläger legten gegen die Bescheide zunächst Einspruch ein, am 8. September 2000 beantragten sie, die Bescheide zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen.
Die Kläger beantragen die Aufhebung der Vorentscheidung und die Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheides 1992 vom 13. Dezember 1996 und der geänderten Einkommensteuerbescheide 1991, 1993 und 1994 vom 26. Juli 2000 durch Zuordnung der Zinseinnahmen als Einnahmen aus Kapitalvermögen und Minderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb für 1993 um … DM und für 1994 um … DM.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Zutreffend hat das FG eine Entnahme der Geldbeträge zum Zeitpunkt der Festgeldanlagen verneint.
1. Der Senat entscheidet auch über die während des Revisionsverfahrens geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 1991, 1993 und 1994 vom 26. Juli 2000. Die Kläger haben die Änderungsbescheide am 8. September 2000 wirksam zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Da in der Rechtsbehelfsbelehrung entgegen § 68 Satz 3 FGO a.F. der Hinweis auf die in § 68 Satz 2 FGO a.F. vorgeschriebene Monatsfrist für die Antragstellung fehlte, war diese in entsprechender Anwendung des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO noch möglich (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteil vom 17. April 1996 X R 98/95, BFH/NV 1996, 900). Dass die Kläger zunächst Einspruch eingelegt hatten, ist unerheblich, weil sie mit ihrem Antrag nach § 68 Satz 1 FGO a.F. inzidenter den Einspruch zurückgenommen haben (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 134/92, BFH/NV 1995, 114, m.w.N.).
2. Die betrieblich vereinnahmten Entgelte der Apotheke gehören mit ihrem Zugang zum Betriebsvermögen der Klägerin (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 20/86, BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128, m.w.N.). Gehört ein Geldbetrag zum Betriebsvermögen, so bedarf es einer Entnahme, um ihn in das Privatvermögen zu überführen.
Eine Entnahme erfordert regelmäßig eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen wird. Hierfür wird ein Verhalten vorausgesetzt, das nach außen den Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern fortan nur noch zur Erzielung von Privateinnahmen oder einkommensteuerrechtlich neutralen Zwecken einzusetzen. Der Willensentschluss des Steuerpflichtigen muss klar und eindeutig zum Ausdruck kommen. Es ist ein Verhalten des Steuerpflichtigen erforderlich, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betriebsvermögen unmissverständlich gelöst wird (BFH in BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128, m.w.N.).
3. Die Klägerin hat zum Zeitpunkt der Festgeldanlagen keine unmissverständliche endgültige Trennung der Geldbeträge vom Betriebsvermögen herbeigeführt. Der möglicherweise hierauf gerichtete Wille alleine genügt nicht, da es im Streitfall an einer entsprechenden Handlung fehlt, durch die dieser Wille erkennbar zum Ausdruck gekommen wäre.
Die Gelder wurden vom laufenden Geschäftskonto auf ein Unterkonto zum Geschäftskonto verbucht. Da die Geldbeträge mit Ablauf der Anlagefrist wieder auf das laufende Geschäftskonto zurückfließen sollten ―so die von den Klägern nicht angegriffenen Feststellungen des FG― und damit ―zumindest zunächst― dort dem Betrieb zur Verfügung stehen sollten, ist zum Zeitpunkt ihrer Anlage auf den Festgeldkonten keine endgültige Trennung vom Betriebsvermögen vorgenommen worden. Mangels vorheriger endgültiger Entnahme stellen die späteren Gutschriften der Geldbeträge und der Zinsen auch keine Einlagehandlungen dar.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag der Kläger. Danach sind im Anschluss an die Gutschriften der fällig gewordenen Gelder auf dem Geschäftskonto diese in der Regel unverzüglich zur weiteren Verwendung im Privatvermögen entnommen worden, es sei denn, zuvor anderweitig getätigte Entnahmen waren zu neutralisieren. Daraus ergibt sich, dass die endgültige Entscheidung über eine Entnahme erst nach Gutschrift der Festgelder und Zinsen erfolgte.
4. Entsprechendes gilt auch für die auf den Namen des Kindes angelegten Geldbeträge. Es fehlt insoweit bereits an einer wirksamen Übertragung, weil der Vorgang im Hinblick auf die vorgesehene Rückbuchung der Gelder nicht lediglich einen Vorteil für das minderjährige Kind mit sich bringt (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 59. Aufl., § 107 Anm. 6) und dieses nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von den Klägern nicht vertreten werden konnte. Die Festgelder sind danach nicht in das Vermögen des Kindes übergegangen (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1990 VIII R 170/83, BFHE 160, 256, BStBl II 1990, 539).
Fundstellen
Haufe-Index 939117 |
BFH/NV 2003, 895 |
HFR 2003, 768 |
BBK 2003, 721 |
EStB 2003, 252 |
StuB 2003, 846 |