Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1958 in der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 20. Dezember 1958 (BGBl 1958 I S. 972, BStBl 1959 I S. 5) und die Berechnung der Jahreslohnsteuer 1958 nach der Jahreslohnsteuertabelle, die der Verordnung über die Jahreslohnsteuertabelle vom 21. November 1958 (BGBl 1958 I S. 733, BStBl 1958 I S. 754) als Anlage beigefügt ist, enthält keine unzulässige verschärfende rückwirkende steuerliche Regelung, sondern ist verfassungsrechtlich einwandfrei.

 

Normenkette

EStG § 39 Abs. 1, § 52/1

 

Tatbestand

die beiden beschwerdeführenden Eheleute (Bf.) waren im Jahre 1958 Arbeitnehmer. Auf den Antrag der Bf., den gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1958 vorzunehmen, teilte das Finanzamt ihnen mit, daß sich kein erstattungsfähiger Betrag ergebe. Das Finanzamt hatte seiner Lohnsteuerberechnung die Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich (JAV) vom 20. Dezember 1958 (BGBl 1958 I S. 972, BStBl 1959 I S. 5) und die Verordnung über die Jahreslohnsteuertabelle (JLV) vom 21. November 1958 (BGBl 1958 I S. 773, BStBl 1958 I S. 754) zugrunde gelegt. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, für die Berechnung der Jahreslohnsteuer 1958 sei die der JLV als Anlage beigefügte Jahreslohnsteuertabelle 1958 maßgebend; das Finanzamt habe darum nicht, wie die Bf. meinten, für die Zeit bis zum 31. August 1958 die frühere Lohnsteuertabelle anwenden dürfen. Die gesetzliche Regelung des Lohnsteuerjahresausgleichs 1958 sei auch verfassungsrechtlich einwandfrei.

Mit der Rb. verlangen die Bf. weiterhin, beim Lohnsteuer- Jahresausgleich 1958 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 1958 den Lohnsteuertarif anzuwenden, auf Grund dessen bei ihnen die Lohnsteuer bis zum 31. August 1958 berechnet worden war. Die JAV und die JLV verstießen, soweit sie für die Zeit bis zum 31. August 1958 zu einer höheren Lohnsteuer führten, gegen das verfassungsrechtliche Verbot rückwirkender verschärfender Steuergesetze. Die Steuerpflichtigen müßten sich darauf verlassen können, daß die Lohnsteuer, die für abgelaufene Lohnzahlungszeiträume richtig berechnet worden sei, nicht nachträglich erhöht werde. Hätten sie damit rechnen müssen, daß die Lohnsteuer im Laufe des Jahres 1958 erhöht würde, so hätten sie sich die höheren Sonderausgaben bereits zu Anfang des Jahres 1958 auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen; dann hätten sie nur eine geringere Lohnsteuer zu entrichten brauchen. Die JLV verstoße im übrigen gegen § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958, wonach beim Steuerabzug vom Arbeitslohn die Neuregelung erst für Lohnzahlungszeiträume anzuwenden sei, die nach dem 31. August 1958 endeten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Bf. bestreiten nicht, daß das Finanzamt nach der JAV und der Jahreslohnsteuertabelle 1958 ihre Jahreslohnsteuer richtig berechnet hat und daß sie nach dieser Berechnung eine Lohnsteuererstattung nicht ergibt. Sie wenden sich gegen die Regelung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1958 und halten die gesetzlichen Bestimmungen, nach denen das Finanzamt die Jahreslohnsteuer berechnet hat, für verfassungswidrig und nichtig.

Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 betreffend die Nichtigkeit des § 26 EStG a. F. (Entscheidungen der Bundesverfassungsgerichts Bd. 6 S. 55 ff., BStBl 1957 I S. 193 ff.) war eine wesentliche Grundlage für die Einkommensbesteuerung von Ehegatten weggefallen. Der Gesetzgeber füllte die entstandene Lücke dadurch aus, daß er im Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (BGBl 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957 eine übergangsregelung schuf. Im Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412) wurde sodann die Einkommensbesteuerung von Ehegatten endgültig neu geregelt. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1958 ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Neuregelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 1958, das heißt für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1958, anzuwenden. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Juli 1958 war mangels gesetzlicher Vorschriften die Lohnsteuer bei Ehegatten zunächst nach den bisherigen Bestimmungen weiter erhoben worden. Um die für die Arbeitgeber und die Finanzbehörden arbeitstechnisch unmögliche Aufrollung aller Lohnsteuerberechnungen von Ehegatten für die Zeit ab 1. Januar 1958 zu vermeiden, aber auch um aus Billigkeitsgründen bei den betroffenen Arbeitnehmern nicht Steuern für die Vergangenheit nachzufordern, wurde im Ersten Abschnitt Art. 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes vom 18. Juli 1958 (§ 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958) bestimmt, daß beim Steuerabzug vom Arbeitslohn - vorbehaltlich einer anderen Behandlung beim Lohnsteuer- Jahresausgleich oder bei der Veranlagung zur Einkommensteuer - die Neuregelung beim laufenden Arbeitslohn erstmals auf den Arbeitslohn anzuwenden sei, der für einen Lohnzahlungszeitraum gezahlt werde, der nach dem 31. August 1958 ende. Der Steuerfiskus sollte also bei Arbeitnehmern, für die die bisherige Regelung steuerlich günstiger gewesen war, auf eine Nachforderung der Lohnsteuer, die sich nach der Neuregelung ergeben würde, für die abgelaufenen Lohnzahlungszeiträume verzichten. Andererseits sollten Arbeitnehmer, für die die Neuregelung günstiger war als die bisherige Regelung, auch für die abgelaufenen Lohnzahlungszeiträume vom 1. Januar bis 31. August 1958 dadurch in den Genuß der ihnen zugedachten Steuererleichterungen kommen, daß nach Ablauf des Kalenderjahres 1958 der Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt wurde.

Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1958 wurde gemäß § 1 Ziff. 1 JAV die Jahreslohnsteuertabelle zugrunde gelegt, die auf Grund der Ermächtigung des § 51 Abs. 1 Ziff. 3 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 EStG 1958 von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats als Anlage der JLV beigefügt war. Da, wie sich aus § 39 Abs. 1 Satz 3 EStG 1958 ergibt, die Jahreslohnsteuertabelle auf der Grundlage der Einkommensteuertabelle aufgestellt worden ist, sind die darin ausgewiesenen Steuerbeträge so berechnet, als ob die gesetzliche Neuregelung bereits am 1. Januar 1958 gegolten hätte.

Ein Widerspruch zwischen § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 besteht - entgegen der Auffassung der Bf. - nicht, weil in der letztgenannten Vorschrift vom laufenden Steuerabzug durch die Arbeitgeber die Rede ist; dieser wird erst für die Zeit ab September 1958 nach den neuen Vorschriften vorgenommen. Für den Lohnsteuer-Jahresausgleich und die Einkommensteuerveranlagung gilt diese Einschränkung aber nicht, weil das Gesetz insoweit ausdrücklich eine andere Regelung vorbehalten hat.

Der Unterschied in der Besteuerung des laufenden Arbeitslohns und in der Besteuerung beim Lohnsteuer-Jahresausgleich hat einen guten Sinn. Wenn ein Arbeitnehmer im Lohnsteuer-Jahresausgleich die Lohnsteuer für das ganze Jahr berechnet haben will, so besteht kein Anlaß, ihn besserzustellen als einen zu veranlagenden Steuerpflichtigen, dessen Einkommensteuer auch für das ganze Jahr nach dem neuen Einkommensteuertarif berechnet wird. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich führt nicht zu Steuernachforderungen; es wird in diesem Verfahren nur geprüft, ob die Lohnsteuer - auf das Jahr gesehen - überzahlt und darum ganz oder teilweise zu erstatten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 69/55 U vom 12. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 213, Slg. Bd. 61 S. 39). Bei dem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich für die Bf. (§ 7 a JAV) ergab sich eine Jahreslohnsteuer von 990 DM, während die Bf. tatsächlich nur 973 DM an Lohnsteuer gezahlt hatten. Das Finanzamt forderte nicht etwa den Unterschiedsbetrag von 17 DM von den Bf. nach, sondern lehnte nur ab, den Betrag von 97 DM, den die Bf. zuviel gezahlt zu haben glaubten, zu erstatten. Der Unterschied von 17 DM geht wahrscheinlich auch darauf zurück, daß bei Besteuerung des laufenden Arbeitslohns bis zum 31. August 1958 eine günstigere Berechnungsmethode angewandt worden war. Dieser Vorteil soll den Bf., wie § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 vorschreibt, nicht durch eine Steuernachforderung wieder entzogen werden. Das Gesetz will aber nicht - und das ist sachlich gerechtfertigt -, daß Arbeitnehmer Lohnsteuer erstattet wird, die sie bei Anwendung der für alle Steuerpflichtigen geltenden Grundsätze - auf das Jahr gesehen - nicht zu Unrecht gezahlt haben.

Von einer verfassungswidrigen verbösernden Rückwirkung der gesetzlichen Regelung kann keine Rede sein. Der Senat braucht auf die Frage der Rückwirkung verbösernder Steuergesetze nicht im einzelnen einzugehen (vgl. dazu außer den vom Finanzgericht angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 264, Bd. 2 S. 237, Bd. 3 S. 58, auch die Urteile des Bundesfinanzhofs VI 26/57 U vom 7. März 1958, BStBl 1958 III S. 223, Slg. Bd. 66 S. 577; I 26/57 vom 5. August 1958, "Der Betrieb" 1958 S. 1379; III 158/58 S vom 17. Juli 1959 / 6. November 1959, BStBl 1960 III S. 17, besonders S. 19 und 20; VI 45/59 U vom 17. April 1959, BStBl 1959 III S. 235, Slg. Bd. 68 S. 616). Denn das EStG 1958 hat in der hier streitigen Frage, wahrscheinlich auch um dem Einwand rückwirkender Verböserung von vornherein zu begegnen, in § 52 Abs. 1 Satz 2 EStG 1958 auf die Interessen der Arbeitnehmer alle Rücksicht genommen. Bei Arbeitnehmern, die den Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht beantragen, soll Lohnsteuer nicht nachgefordert werden. Kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Lohnsteuerjahresausgleich zu beantragen. Stellt ein Arbeitnehmer aber einen Erstattungsantrag und schafft er dadurch nach Ablauf des Jahres 1958 eine neue Situation, so bedeutet es keine unzulässige Rückwirkung, wenn das Gesetz für diesen Fall vorschreibt, die Steuerberechnung für das ganze Jahr nach den neuen Vorschriften vorzunehmen und den Erstattungsantrag abzulehnen, wenn sich - auf das Jahr gesehen - keine überzahlung ergibt.

Der Einwand der Bf., sie würden bei dieser Auslegung in ihrem Vertrauen auf eine bestehende gesetzliche Regelung enttäuscht, ist unbegründet. Seit den Diskussionen, die in der öffentlichkeit durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst wurden, wußte jeder Steuerpflichtige, daß die bisherige Rechtsgrundlage für die Besteuerung von Ehegatten beseitigt war und vom Gesetzgeber neues Recht geschaffen werden mußte, das notwendig auch Belastungsverschiebungen mit sich brachte. Eine geringe Mehrbelastung trat insbesondere ein, wenn beide Ehegatten Arbeitnehmer waren, weil solche Ehegatten vorher einen aus dem allgemeinen Rahmen fallenden Steuervorteil gehabt hatten (vgl. dazu die Ausführungen im Urteil des Senats VI 229/58 U vom 3. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 353, Slg. Bd. 69 S. 241). Bei der ungeklärten Situation der Ehegattenbesteuerung, die nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts entstanden war, konnte niemand darauf vertrauen, daß sich die bisherige Besteuerung von Ehegatten in keinem Fall zu ihrem Nachteil verschieden würde. Die gesetzliche Neuregelung hat großzügig die Interessen der Steuerpflichtigen gewahrt, wie der Senat mehrfach betont hat (zum Beispiel Urteile VI 315/58 U vom 20. März 1959, BStBl 1959 III S. 218, Slg. Bd. 68 S. 570; VI 289-290/58 U vom 21. August 1959, BStBl 1959 III S. 409, Slg. Bd. 69 S. 398). Von verfassungswidriger Willkür hat sich der Gesetzgeber jedenfalls ferngehalten; er war bestrebt, die zahlreichen sich überschneidenden Gesichtspunkte, so gut es ging, auszugleichen.

Auch der weitere - im übrigen nicht näher begründete - Einwand der Bf., daß sie, wenn sie die Verschlechterung der gesetzlichen Regelung vorausgesehen hätten, sich rechtzeitig einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 1958 hätten eintragen lassen und dadurch für 1958 weniger an Lohnsteuer gezahlt hätten, ist unbegründet. Die Steuerpflichtigen müssen es selbst vertreten, wenn sie eine vom Gesetz gebotene Möglichkeit nicht ausnutzen und dadurch später einen steuerlichen Nachteil haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409621

BStBl III 1960, 166

BFHE 1960, 442

BFHE 70, 442

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