Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Dem durch eine Todesfallversicherung begünstigten Dritten fällt grundsätzlich der Erwerb in Gestalt des vollen Wertes der Versicherungssumme auch dann erst mit dem Tode des Versicherungsnehmers an, wenn dieser zu seinen Lebzeiten die Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Begünstigten abgetreten hat.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Ziff. 4, § 2/1/3, § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Bruder der Steuerpflichtigen (Stpfl.), der zu seinen Lebzeiten als Angestellter der X.-Versicherungs AG tätig war, schloß bei dieser mehrere sogenannte Beamtenlebensversicherungsverträge über insgesamt 18.000 DM ab, wobei seine Schwester widerruflich als die Begünstigte bezeichnet war. Der Bruder der Stpfl. zahlte die Prämien für diese Versicherung bis an sein Lebensende aus seinen eigenen Mitteln. Als er am 4. September 1950 verstarb, wurde die gesamte Versicherungssumme an die Stpfl. ausgezahlt.
Das Finanzamt hat sie daraufhin durch vorläufigen Steuerbescheid vom 30. März 1951 nach § 2 Abs. I Ziff. 4 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) zu einer Erbschaftsteuer in Höhe von 2.520 DM herangezogen. Der Einspruch, mit dem die Stpfl. geltend gemacht hat, sie sei nicht erbschaftsteuerpflichtig, weil der Bruder ihr die Versicherungsscheine sofort nach Abschluß der Verträge übergeben und damit die Versicherungsforderung unter Lebenden an sie abgetreten habe, blieb ohne Erfolg.
Gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts legte die Stpfl. Berufung ein. Das Finanzgericht sah die Abtretung der Versicherungsforderungen auf Grund der Auskunft des Organisationsdirektors der X.-Versicherung für erwiesen an und behandelte diese Abtretung entsprechend den Ausführungen des Urteils des Reichsfinanzhofs III 147/42 vom 17. Dezember 1942 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1943, S. 251) als Zuwendung unter Lebenden. Es hat deshalb die Vorentscheidung aufgehoben und die Stpfl. gemäß § 17b Abs. 2 Ziff. 1 ErbStG von der Erbschaftsteuer freigestellt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts. Er vertritt die Auffassung, daß die Bereicherung im vorliegenden Falle nicht in der Summe der vom Bruder der Stpfl. geleisteten Prämienzahlung, sondern in der von dieser selbst vereinnahmten Versicherungssumme besteht. Das Finanzamt zweifelt im übrigen an, daß die Stpfl. durch bloße Aushändigung der Versicherungsscheine sofort und ohne weiteres die unwiderrufliche Berechtigung aus dem Versicherungsvertrag erlangt habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Das Finanzgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung auf Rechtsausführungen Bezug genommen, die der Reichsfinanzhof in seinem Urteil vom 17. Dezember 1942 zu der hier anhängigen Streitfrage gemacht hat. Der Reichsfinanzhof ist bei der Abfassung seiner damaligen Entscheidung von rein zivilrechtlichen Vorstellungen ausgegangen und hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß im Falle der Abtretung der Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag lediglich der Wert dieser Rechte im Zeitpunkt der Abtretung unter Lebenden zugewendet angesehen werden könne. Der Reichsfinanzhof hat diese Ansicht ausgesprochen, ohne auf die besondere Ausgestaltung einzugehen, die diese Frage in steuerlicher Beziehung durch das Erbschaftsteuergesetz gefunden hat. Nach der Fassung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG geht nämlich das Erbschaftsteuergesetz davon aus, daß der steuerpflichtige Empfang des durch einen Lebensversicherungsvertrag Begünstigten in der gesamten Versicherungssumme besteht, die beim Tode des Versicherungsnehmers ausgezahlt wird. Im Gegensatz dazu behandelt das bürgerliche Recht den Lebensversicherungsvertrag zugunsten eines Dritten stets als einen Vertrag unter Lebenden, bei dem nach der von Lehre und Rechtsprechung vertretenen Ansicht die Zuwendung des Versicherungsnehmers in der einzelnen Prämienzahlung oder gegebenenfalls in der Summe der Prämienzahlung besteht. Das bürgerliche Recht löst also die Zuwendung des Versicherungsnehmers zugunsten des Begünstigten in eine Fülle von Einzelzuwendungen, nämlich die jeweils fällig werdenden Prämienleistungen auf. Diese Lösung des bürgerlichen Rechts ist vom teleologischen Gesichtspunkt her zu begreifen; denn für das bürgerliche Recht ist der Gedanke maßgebend, daß die Rechte der eigentlichen Erben, der Pflichtteilsberechtigten und der Nachlaßgläubiger nicht durch die schenkweise erfolgten Prämienleistungen des Erblassers beeinträchtigt werden sollen. Unter diesem Gesichtspunkt werden die Interessen dritter Personen aber hinreichend geschützt, wenn nur die Prämien als solche erfaßt und als Zuwendungen des Erblassers an den Begünstigten behandelt werden, weil nur in Höhe dieser Prämienleistungen das Vermögen des Erblassers gemindert ist (vgl. Boehmer in Staudingers Komm. zum BGB 10. Aufl. 1937 Bd. V 1 Einleitung § 28 "Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall als Schenkung oder als Verfügung von Todes wegen" S. 158 und 160). Diese Lösung des bürgerlichen Rechts, die die Höhe der Zuwendungen von der Seite der vom Erblasser aufgewandten Prämienleistungen her behandelt, ist aber für die steuerrechtliche Behandlung der Frage bedeutungslos und steht sogar im Gegensatz zu ihr, weil das Steuerrecht die Frage von der Seite des Empfängers her behandelt und der Besteuerung dasjenige zugrunde gelegt wissen will, was der Stpfl. tatsächlich auf Grund der Leistungen des Versicherungsnehmers erlangt hat. Es kommt somit für das Steuerrecht nicht darauf an, welche besondere Rechtsstellung der Begünstigte nach bürgerlichem Recht jeweils im Einzelfalle einnimmt, sondern nur darauf, welcher Vermögensempfang ihm insgesamt auf Grund des zu seinen Gunsten geschlossenen Versicherungsvertrages erwächst.
Dementsprechend hat auch der Senat bereits in seinem Urteil III 112/51 S vom 11. Juni 1952 - veröffentlicht im Bundessteuerblatt (BStBl. 1952 III S. 240, Slg. Bd. 56 S. 622 - ausgeführt, daß der Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG der endgültige, mit dem Tode des Erblassers eintretende Erwerb der Versicherungssumme als Ganzes unterliegt. Die Zahlung dieser Versicherungssumme bildet, wie der Senat dort weiterhin dargelegt hat, den eigentlichen Gegenstand der Zuwendung bei der unentgeltlichen Begünstigung eines Dritten aus einem auf den Todesfall abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag, denn der Versicherungsnehmer will, wie übereinstimmend auch das Reichsgericht in dem vom Bundesfinanzhof erwähnten Urteil vom 25. März 1930 (vgl. Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 128 S. 187, 190) ausgeführt hat, dem Bezugsberechtigten eben diese Versicherungssumme verschaffen. Während aber das Reichsgericht trotz des auf die gesamte Versicherungssumme gerichteten Schenkungswillens als tatsächliche Zuwendung in Anbetracht der bereits dargestellten Zweckrichtung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften nur die geleisteten Prämienzahlungen ansieht, hat der erkennende Senat im Hinblick auf die andersgeartete Zweckrichtung des Steuerrechts, die aus der Fassung des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG ersichtlich wird, die gesamte Versicherungssumme als steuerpflichtige Zuwendung behandelt. Allerdings unterscheidet sich der vom Bundesfinanzhof seinerzeit entschiedene Fall in tatsächlicher Hinsicht von den Feststellungen, die das Finanzgericht für den vorliegenden Fall getroffen hat und die letzten Endes darin gipfeln, daß der Bruder der Stpfl. ihr seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag abgetreten habe. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Ermittlungen des Finanzgerichts überhaupt eine derartige Feststellung rechtfertigen. Jedenfalls kann die grundsätzliche Entscheidung, die der Senat damals für einen Fall getroffen hatte, in dem der Bezugsberechtigte von dem Versicherungsnehmer unwiderruflich begünstigt worden war, nicht anders ausfallen, wenn der Versicherungsnehmer seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag überhaupt und ohne Einschränkung an den Bezugsberechtigten abgetreten hat. Zwischen beiden Fällen besteht wirtschaftlich gesehen kein nennenswerter Unterschied, worauf Opitz in Neumanns "Zeitschrift für Versicherungswesen" Jahrgang 1943 S. 129 und Hammerschlag im "Betrieb" Jahrgang 1948 S. 77 zutreffend hingewiesen haben. Allerdings erwirbt der Abtretungsempfänger neben dem unwiderruflichen Recht auf die Versicherungssumme auch die sogenannten Gestaltungsrechte (Recht auf Kündigung des Versicherungsvertrags, Rücktrittsrecht und ähnliches), die ohne eine vorangegangene Vollabtretung der Rechte selbst im Falle der unwiderruflichen Begünstigung eines Dritten in der Hand des Versicherungsnehmers verbleiben. Doch kommt diesen Gestaltungsrechten ein selbständiger Vermögenswert neben dem eigentlichen Versicherungswert nicht zu; auch wird der Begünstigte an der Ausübung dieser Rechte nur ein sehr geringes Interesse haben, solange der ursprüngliche Versicherungsnehmer die Prämienzahlung auch weiterhin übernimmt und damit die Zuwendung an den Begünstigten fortsetzt. Den eigentlichen Vermögenswert, nämlich die Auszahlung der Versicherungssumme oder - im Falle vorheriger Kündigung - den Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes erlangt jedoch der unwiderruflich Begünstigte in gleicher Weise wie der Zessionar der Versicherungsrechte. Unter diesen Umständen erscheint eine unterschiedliche steuerliche Behandlung beider Fälle auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte nicht vertretbar. Sie wäre aber auch in Anbetracht des dem § 2 Abs. 1 Ziff. 4 innewohnenden gesetzgeberischen Grundgedankens nicht zu rechtfertigen. Denn der Gedanke, daß der Erwerb der Versicherungssumme durch den vertraglich Begünstigten im Todesfalle des Versicherungsnehmers als Erwerb von Todes Wegen zu behandeln und daß die Zuwendung des Erblassers trotz ihrer zivilrechtlichen Aufspaltung steuerlich als ein einheitlicher Gesamtkomplex zu behandeln ist, besteht unberührt davon, ob der Begünstigte die versicherungsvertraglichen Rechte schon vor der Zahlung der Versicherungssumme erworben hat oder nicht. Entscheidend bleibt allein, ob der Erwerb der Versicherungssumme auf Grund der Zuwendung des Erblassers erfolgt, mit anderen Worten, ob sich dieser Erwerb tatsächlich auf Grund der zwischen dem Erblasser und dem Begünstigten bestehenden Rechtsbeziehung vollzogen hat.
Den gegenteiligen Ausführungen des Urteils des Reichsfinanzhofs vom 17. Dezember 1942, die mit der dargelegten Rechtsauffassung des Senats unvereinbar sind, kann deshalb nicht mehr gefolgt werden, weil sie zu Unrecht die zivilrechtliche Behandlung der Abtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag zur Grundlage der steuerlichen Behandlung des dem Begünstigten zufallenden Empfangs der Versicherungssumme machen. Wenn dem damaligen Urteil trotzdem für den dort entschiedenen Fall im Ergebnis beizupflichten wäre, so nur deshalb, weil die Begünstigte damals mit der Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch die weitere Zahlung der Prämien übernommen hatte, so daß von diesem Zeitpunkt an praktisch der bisherige Versicherungsnehmer völlig aus dem bis dahin dreiseitigen Vertragsverhältnis ausgeschieden war. Damit hatten aber auch seine Zuwendungen an seine von ihm begünstigte Ehefrau ihr Ende gefunden, so daß der spätere Erwerb der vollen Versicherungssumme durch die Ehefrau nicht mehr auf der Zuwendung ihres Mannes beruhte.
Im vorliegenden Falle liegen die tatsächlichen Verhältnisse anders, denn der Bruder der Stpfl. hat die Prämienzahlungen bis zu seinem Lebensende fortgesetzt und damit auch nach Abtretung seiner Versicherungsrechte das dreiseitige Vertragsverhältnis aufrechterhalten, welches die Fortsetzung der Zuwendung an die Begünstigte in sich schloß. Die Zahlung der Versicherungssumme an die Stpfl. erfolgte danach ausschließlich auf Grund der vertraglichen Leistungen ihres verstorbenen Bruders. Sie ist daher im ganzen als seine Zuwendung im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 4 ErbStG zu betrachten.
Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wiederherzustellen. Dem Finanzamt bleibt es überlassen, vor Festsetzung des endgültigen Steuerbetrages die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten zu überprüfen.
Ob eine andere rechtliche Beurteilung Platz greifen müßte, wenn der Begünstigte, dem die Rechte aus einem Versicherungsvertrag abgetreten werden, durch Ausübung seiner Gestaltungsrechte den Vertrag vorzeitig zum Erlöschen bringt und wenn sich infolgedessen sein Erwerb auf den Betrag des Rückkaufswerts beschränkt, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 307 ff. der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 407689 |
BStBl III 1953, 247 |
BFHE 1954, 648 |
BFHE 57, 648 |