Leitsatz (amtlich)
Werden Forderungen zwischen Schwestergesellschaften einerseits aus Pacht, andererseits aus Warenlieferungen über ein Kontokorrentkonto abgerechnet, ist eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann gegeben, wenn die zinsfreie Abrechnung einen klaren Vorteil für die eine oder andere der beiden Gesellschaften beinhaltet.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - und die E.-GmbH sind Schwesterunternehmen. Die Anteile beider Gesellschaften werden zu 70 v. H. von den gleichen Gesellschaftern gehalten; in die restlichen 30 v. H. teilen sich, was die Klägerin betrifft, die Gesellschafter H. (Vater) und K. (Sohn), während die restlichen 30 v. H. des Stammkapitals der E.-GmbH von K. allein gehalten werden. Die Klägerin ließ in den Streitjahren (1957 bis 1961) als Patentinhaberin von der E.-GmbH in Lizenz und unter Benutzung der ihr gehörenden, an die E.-GmbH verpachteten Anlagen arbeiten. Der Pachtzins für das gesamte Anlagevermögen setzte sich aus einer Festpacht (in Höhe von 3 v. H. des Einheitswerts der verpachteten Vermögensgegenstände als Verzinsung des in sie investierten Kapitals) und einer gleitenden Pacht (in Höhe der Absetzungen für Abnutzung - AfA - auf die verpachteten Vermögensgegenstände als Ausgleich für die Wertminderung) zusammen. Der Pachtzins, dessen Höhe nicht streitig ist, wurde nach den Feststellungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) nachträglich für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr am 1. Dezember 1958, 9. März 1959, 31. Oktober 1960, 31. Oktober 1961 und 28. Juni 1962 verrechnet; im Laufe der einzelnen Pachtjahre wurden Abschlagszahlungen oder Pachtzinsraten nicht gezahlt.
Das FA sah in dem Verzicht der Klägerin auf die zeitnahe Zahlung angemessener Abschlagszahlungen auf die Jahrespacht und in dem der E.-GmbH damit gewährten Zinsvorteil eine verdeckte Gewinnausschüttung. Es ging dabei davon aus, daß ein fremder Verpächter Abschlagszahlungen jeweils in Höhe der Hälfte der Vorjahrespacht am 1. Juli und am 1. Dezember eines jeden Pachtjahres verlangt haben würde.
Einspruch und Klage blieben in diesem Streitpunkt ohne Erfolg. Das FG führte aus: Angesichts der rechtlichen Selbständigkeit der Klägerin und ihrer Pächterin könne das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht wegen des schließlichen Ausgleichs der beiderseitigen Leistungen verneint werden. Daß den Pachtzinsforderungen der Klägerin Zahlungsverpflichtungen aus Warenlieferungen der E.-GmbH in einer die Pachtzinsen noch übersteigenden Höhe gegenübergestanden hätten und daß deshalb jederzeit eine Teilabrechnung möglich gewesen sei, sei nicht entscheidend, da mit den Warenlieferungen nicht (auch nicht teilweise) der Verzicht der Klägerin auf angemessene Abschlagszahlungen auf den Pachtzins habe abgegolten werden sollen. Mit Recht habe das FA ausgeführt, daß der E.-GmbH aus ihren Forderungen aus Warenlieferung angesichts der pünktlichen Zahlung der Klägerin tatsächlich kein Zinsvorteil habe erwachsen können, während ohne Zweifel der Klägerin durch die unter Fremden nicht übliche späte Zahlung der Pacht ein Zinsverlust entstanden sei. Auch fehle es für die Annahme einer zulässigen Saldierung am Vorliegen entsprechender eindeutiger Vereinbarungen über die beiderseitigen Leistungen und an ihrem zeitlichen Zusammenhang (Urteil des BFH vom 22. April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370).
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin. Zur Begründung läßt sie vortragen:
FA und FG hätten - entgegen den Vorschriften der §§ 204 AO und 76 Abs. 1 FGO der Besteuerung statt des wirklichen einen fiktiven Sachverhalt zugrunde gelegt. Die Klägerin und die E.-GmbH hätten ihre gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten über ein Kontokorrentkonto abgewickelt. Die Verbuchung der täglich erfolgten Lieferungen der E.-GmbH sei einmal im Monat (jeweils am 15. des den Lieferungen folgenden Monats), die der Pachtzinsen einmal im Jahr erfolgt (sobald man die Werte für die Abrechnung der Pachtzinsen vorliegen gehabt habe, was aus technischen Gründen oft erst nach mehreren Monaten der Fall gewesen sei).
Die Klägerin habe zur Widerlegung der Auffassung des FA die Pachtzinsen auf dem Kontokorrentkonto einmal für das Jahr 1958 halbjährlich und für die Jahre 1959 bis 1961 allmonatlich abgerechnet. Dabei habe sich in beiden Fällen ein bedeutender Schuldsaldo der Klägerin ergeben, für den die E.-GmbH - da es sich um ein Kontokorrentkonto handele - keine Zinsen haben ansetzen dürfen, obwohl sie dies nach Auffassung des FA hätte tun können. Die Abrechnung zeige jedoch, daß die E.-GmbH selbst bei monatlicher Abrechnung der Pachtzinsen zu keiner Zeit Pacht schuldig geblieben wäre, so daß die Klägerin ihr auch keinen vermeintlichen Zinsvorteil habe gewährt haben können.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung durch Gewährung eines Zinsvorteils setzt voraus, daß der empfangenden Gesellschaft durch die jeweils gegebene Handhabung der Verrechnung tatsächlich ein Kredit eingeräumt wurde, der untereinander Fremden nicht ohne einen Zinsausgleich hätte erwartet werden können.
Die Vereinbarung eines Kontokorrentverhältnisses nach § 355 HGB schließt weder die Verrechnung von beiderseitigen Zinsansprüchen über das Kontokorrentkonto noch - wie die Klägerin anzunehmen scheint - die Berechnung von beiderseitigen Zinsen auf den jeweils täglich wechselnden Saldostand aus. Das Kontokorrentverhältnis, das einen laufenden Forderungsausgleich (wenn auch ohne täglich, sondern vielmehr periodisch - monatlich, jährlich - erfolgende Saldoanerkennung) begründet, läßt zwar besondere Zinsansprüche, die auf die jeweils einzelne in das Kontokorrentkonto aufgenommene Forderung auch noch nach ihrer Aufnahme in das Konto abstellen, nicht zu; es kennt Zinsansprüche vielmehr nur noch in Ansehung des jeweiligen - entweder täglich festzustellenden (indes nicht auch gesondert anzuerkennenden) oder periodisch anzuerkennenden - Saldos.
Entscheidend ist jedoch, ob die Klägerin und die E.-GmbH ein Kontokorrentverhältnis bezüglich ihrer beiderseitigen Ansprüche aus Pacht und Warenlieferungen vereinbart und was sie im Rahmen dieser Vereinbarung hinsichtlich gegenseitiger Zinszahlungsverpflichtungen ausgemacht hatten. Die Klägerin hatte vor dem FG das Vorliegen eines Kontokorrentverhältnisses behauptet. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, diese Behauptung als unzutreffend ansehen zu können.
2. Wie im Schriftsatz vom 5. Dezember 1969 vor dem FG ausgeführt wurde, fanden die Rechtsbeziehungen der Klägerin und der E.-GmbH zwar in der Bilanz - der Übersichtlichkeit halber - auf zwei Konten ihren Niederschlag. Andererseits sei aber in den Pachtvertrag keine Bestimmung über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Pachtzinszahlung(en) aufgenommen worden, weil die Klägerin jederzeit eine Verrechnung ihrer Pachtzinsforderung mit ihren Warenschulden habe vornehmen können wollen. Demgemäß habe die Klägerin - nach dem Schriftsatz vom 20. November 1970 - "alles als ein Schuldverhältnis betrachtet und behandelt". Es seien niemals zwei Konten miteinander verrechnet worden.
Das FG ist dieser Behauptung nicht nachgegangen. Es hat sich mit der Feststellung begnügt, daß den beiderseitigen Forderungen zwei wirtschaftlich und rechtlich verschiedene Sachverhalte zugrunde lägen und man von einem laufenden Kontokorrentverkehr zwischen den beiden Gesellschaften nicht sprechen könne (BFH-Urteile I 62/61 U und vom 4. Mai 1965 I 130/62 U, BFHE 83, 273, BStBl III 1965, 598).
Die Prüfung, ob die beiderseitigen Forderungen über ein Kontokorrentkonto abgerechnet wurden und welche Zinsvorteile die beiden Gesellschaften dabei einander etwa gewährt haben, wird nachzuholen sein. Erweist sich die Behauptung der Klägerin als richtig, waren die Pachtzinsforderungen in das Kontokorrent und dessen Saldo in die Bilanz einzustellen (nicht die beiderseitigen Forderungen). Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist nur dann gegeben, wenn die zinsfreie Abrechnung einen klaren Vorteil für die Klägerin bedeutet.
3. Soweit die Ausführungen der Klägerin, insbesondere ihre Verweisungen auf frühere Betriebsprüfungsberichte, dahin verstanden werden sollen, daß die E.-GmbH als Organgesellschaft der Klägerin anzusehen sei, fehlt es an der für die finanzielle Eingliederung erforderlichen Unmittelbarkeit des Beteiligungsverhältnisses (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1960 I 62/59 S, BFHE 72, 185, BStBl III 1961, 69).
Fundstellen
Haufe-Index 71138 |
BStBl II 1975, 21 |
BFHE 1975, 20 |