Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Vereinbarung eines Übergabevertrages
Leitsatz (NV)
Die Anerkennung eines Übergabevertrages setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten im vorhinein - d. h. zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung für die Zukunft - sowie klar und eindeutig vereinbart sind.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1983 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Vater der Klägerin war Eigentümer des Grundstücks X in Y. Im Erbvertrag vom 15. Dezember 1971/20. Juli 1973 war vereinbart, daß die Klägerin, ihre Schwester und ihr Bruder Erben nach ihren Eltern werden sollten. Der Vater traf die Teilungsanordnung, daß nach seinem Tod die Klägerin und ihre Schwester das Grundstück X je zur Hälfte erhalten sollten, während der Mutter der Klägerin ein unentgeltliches Wohnrecht zustand. Die Mutter der Klägerin verzichtete auf einen etwaigen Anspruch auf Zugewinnausgleich. Nach dem Tod des Vaters der Klägerin im Jahre 1982 setzten sich die Beteiligten in dem Teil-Erbauseinandersetzungsvertrag vom 5. April 1983 entsprechend dem Erbvertrag auseinander; das mit jährlich . . . DM bewertete Wohnrecht der Mutter (,,unentgeltliches Wohnrecht") wurde nicht im Grundbuch eingetragen.
Im Jahre 1983 veräußerten die Klägerin und ihre Schwester das Grundstück zum Kaufpreis von . . . DM. Mit notariellem Vertrag vom 13. Juni 1984 verpflichteten sich die Klägerin und ihre Schwester, der im Jahre 1913 geborenen Mutter, ,,zum Ausgleich des Nutzungsentgangs, den (diese) durch den Verkauf und die Löschung des Wohnrechts erlitten" hatte, beginnend mit dem 1. Oktober 1983 je 1000 DM - insgesamt also 2000 DM - brutto monatlich auf Lebenszeit zu zahlen. Weiterhin heißt es in dem Vertrag: ,,Die Rentenbeträge haben Versorgungscharakter; § 323 ZPO ist anwendbar".
Die Klägerin zahlte am 1. Dezember 1983 1000 DM an ihre Mutter. Diesen Betrag machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1983 als dauernde Last geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die steuerliche Anerkennung einer dauernden Last ab. Der Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die strittige Zahlung sei weder als Werbungskosten noch - nach den Grundsätzen über die Verrechnung mit dem Wert einer erbrachten Gegenleistung - als dauernde Last abziehbar: Die Klägerin habe für die Zahlung insofern eine Gegenleistung erhalten, als ihre Mutter auf das Wohnrecht verzichtet habe.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie tragen u. a. vor: Sie, die Klägerin und ihre Schwester, hätten aufgrund einer gesetzlichen ,,Verpflichtung zur Schadloshaltung der Mutter" zunächst - anstelle von Barzahlungen - die Umzugskosten der Mutter getragen und sodann ab dem 1. Dezember 1983 monatliche Zahlungen von je 1000 DM geleistet, die durch den Vertrag vom 13. Juni 1984 - mit zulässiger Rückwirkung zum 1. Dezember 1983 - im einzelnen als dauernde Last geregelt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis unbegründet. Sie ist - aus anderen als den vom FG dargelegten Gründen - zurückzuweisen.
Die Kläger beanspruchen den Abzug des Betrages von 1000 DM als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG. Die Anwendung dieser Vorschrift kommt nur in Betracht bei Leistungen im Rahmen eines Vermögensübergabevertrages, durch den zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge Vermögen gegen Unterhaltsleistungen übertragen wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall Versorgungsleistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Vermögensübertragung im Rahmen einer Teil-Erbauseinandersetzung stehen oder ob der die Töchter begünstigende Verzicht der Mutter auf das Wohnrecht einer Vermögensübertragung gleichgestellt werden kann. Auch wenn unterstellt wird, daß hier ein Vermögensübergabevertrag vorliegt, scheitert die Abziehbarkeit daran, daß die Versorgungsleistungen nicht eindeutig und von Anfang an dem Rechtsgrund eines Vermögensübergabevertrages zugeordnet werden können.
Wiederkehrende Leistungen an einen potentiell Unterhaltsberechtigten sind grundsätzlich nach § 12 Nr. 2 EStG vom Abzug als dauernde Last ausgeschlossen. Anderes gilt für Versorgungsleistungen, die aufgrund eines Vermögensübergabevertrages gezahlt werden: Diese unterscheiden sich durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge von Unterhaltsleistungen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG (Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 329, BStBl II 1990, 847).
Der Übergabevertrag muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juni 1986 IX R 7/82, BFH/NV 1987, 26, unter 3.; vom 28. Januar 1986 IX R 12/80, BFHE 146, 68, 72, BStBl II 1986, 348; vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 83/82, BFHE 155, 114, 116, BStBl II 1989, 281). Eine schuldrechtliche Rückbeziehung kann nach der Rechtsprechung des BFH allenfalls dann einkommensteuerrechtlich anerkannt werden, wenn sie nur von kurzer Zeit ist und lediglich technische Bedeutung hat (BFH-Urteile vom 23. Januar 1986 IV R 335/84, BFHE 146, 236, BStBl II 1986, 623; vom 21. Mai 1987 IV R 80/85, BFHE 150, 342, BStBl II 1987, 710).
An einer solchen Vereinbarung fehlt es hier. Der Vertrag über die laufenden Zahlungen ist erst Mitte des Jahres 1984 rückwirkend geschlossen worden. Das FG hat nicht festgestellt, daß eine inhaltlich dem notariellen Vertrag vom 13. Juni 1984 entsprechende formlose Vereinbarung bereits vor Beginn der Zahlungen geschlossen und wie vereinbart durchgeführt worden wäre. Nach dem eigenen Vortrag der Kläger im Revisionsverfahren sind nach dem 30. September 1983 Zahlungen zunächst nicht zur Abgeltung des der Mutter zustehenden Nutzungsrechts, sondern als ,,Entschädigung" für Umzugskosten gezahlt worden. Damit ist nicht ersichtlich, daß die Zahlung, um deren Abziehbarkeit als dauernde Last es hier geht, bereits im Streitjahr eine im voraus eindeutig vereinbarte Rechtsgrundlage gehabt hätte. Die von den Klägern beanspruchte Rückwirkung des Vertrages vom 13. Juni 1984 findet auch in den Erlassen des Bundesministers der Finanzen zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Nießbrauchs keine Rechtsgrundlage.
Fundstellen
Haufe-Index 417991 |
BFH/NV 1992, 233 |