Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung bei Streit über Sonderbetriebsausgabenabzug
Leitsatz (NV)
Betrifft der Rechtsstreit einer Personengesellschaft (KG) die Frage, ob Darlehenszinsen als Sonderbetriebsausgaben den Gewinnanteil des Komplementärs oder die Gewinnanteile der Kommanditistin an der Gesellschaft mindern dürfen, so sind die Gesellschafter klagebefugt und notwendig beizuladen, sofern sie nicht selbst Kläger sind.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 3 S. 2; EStG §§ 15, 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie ermittelt ihren Gewinn nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für den Zeitraum 1. Juli bis 30. Juni. Gesellschafter der Klägerin sind Mitglieder der Familienstämme X und Z je zur Hälfte. Komplementäre der Klägerin sind A. X. und B. X. Da im Jahre 1970 ein Mitglied des Stammes X, die Kommanditistin B (Hafteinlage 45 000 DM) ausscheiden wollte, setzte sich A. X. dafür ein, daß der Stamm X diesen Anteil erwirbt, damit die Beteiligungsverhältnisse der beiden Familienstämme auch weiterhin je 50 v. H. an der Klägerin betragen. Gleichzeitig entschloß er sich, seine beiden minderjährigen Kinder C. X. und D. X. mit in die Klägerin aufzunehmen. Zu diesem Zweck nahm er bei der Sparkasse Y ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 220 000 DM auf. Die Mittel aus diesem Darlehen überließ er seinen Kindern zum Erwerb des Kommanditanteils der ausscheidenden Gesellschafterin, und zwar in Höhe von insgesamt 160 000 DM als zinsfreies Darlehen und in Höhe von insgesamt 60 000 DM als Schenkung. C. X. und D. X. kauften und erwarben mit Wirkung vom 1. Juli 1970 durch notariell beurkundeten und vormundschaftsgerichtlich genehmigten (Beschluß des Amtsgerichts vom 7. August 1970) Vertrag vom 5. Juni 1970 den Kommanditanteil der ausscheidenden Gesellschafterin zum Kaufpreis von etwa 220 000 DM in der Weise, daß jeder mit je 22 500 DM Hafteinlage selbständiger Kommanditist der Klägerin wurde. A. X. übernahm dabei gegenüber der Verkäuferin die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Kaufpreiseingang. Außerdem verpflichtete sich A. X. seinen Kindern C. X. und D. X. gegenüber zur Zahlung des Kaufpreises. Weiterhin wurde vereinbart, daß die zinslosen Darlehen von je 80 000 DM nur durch Abführung der tatsächlichen Gewinne aus den übertragenen Anteilen zu tilgen sind, und daß die Tilgungspflicht ruht, wenn keine Gewinne erzielt werden. Zur Sicherstellung der Ansprüche aus dem Darlehen verpfändeten C. X. und D. X. ihre Kommanditanteile an ihren Vater. Außerdem bevollmächtigten sie ihn unter Befreiung von der Vorschrift des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), bis zur Rückzahlung der gewährten Kaufpreisdarlehen, in jedem Falle jedoch bis zur Erreichung des 21. Lebensjahres des betreffenden Vollmachtgebers, für sie auf Gesellschafterversammlungen die Beteiligungsrechte wahrzunehmen und namentlich das Stimmrecht auszuüben. Die Vollmacht gab nicht die Befugnis zur Übertragung oder Belastung der Anteile. Mit Wirkung vom 1. Juli 1975 schied C. X. wieder aus der Klägerin aus. Sie übertrug ihren Kommanditanteil auf ihren Vater.
Die Klägerin behandelte die Zinsen, die A. X. für das Darlehen an die Sparkasse Y zahlte, in den Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Streitjahre 1974 bis 1976 als Sonderbetriebsausgaben des Komplementärs A. X. Die Zinsen beliefen sich im Streitjahr 1974 auf . . . DM, 1975 auf . . . DM und 1976 auf . . . DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt die Zinsaufwendungen dagegen nicht für betrieblich veranlaßt. Er versagte deshalb den Sonderbetriebsausgabenabzug der Darlehenszinsen bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Klägerin in den Streitjahren 1974, 1975 und 1976 (erstmalige Bescheide vom 29. Juni 1978). Der Einspruch hatte für das Streitjahr 1976 teilweise Erfolg. Das FA ließ nunmehr die Hälfte der Zinsen als Sonderbetriebsausgaben bei A. X. zum Abzug zu. Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 1981 änderte das FA den Gewinnfeststellungsbescheid 1976 vom 29. Juni 1978 entsprechend und wies im übrigen den Einspruch betreffend die Streitjahre 1974 und 1975 als unbegründet zurück.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, und zwar die unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie unzureichende Sachaufklärung und die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 91 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie meint, die streitigen Zinsen seien Sonderbetriebsausgaben des A. X. Falls man jedoch den Sonderbetriebsausgabenabzug der streitigen Zinsen bei A. X. unter den gegebenen Umständen verneine, seien die Zinsen zumindest je zur Hälfte Sonderbetriebsausgaben bei C. X. und D. X. Das FG habe aber auch gegen die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen, da die von der Klägerin am 10. März 1985 beim Finanzgericht (FG) beantragte Akteneinsicht nicht gewährt worden sei.
Das FA bezieht sich im wesentlichen auf das FG-Urteil und meint, die Darlehenszinsen seien weder beim Mitunternehmer A. X. noch bei seinen Kindern C. X. und D. X. als Sonderbetriebsausgaben abzugsfähig. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sei auch nicht verletzt worden, weil die Klägerin ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht gehabt habe. Sie habe aber davon keinen Gebrauch gemacht.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das angefochtene Urteil hätte ohne vorherige Beiladung der Gesellschafter A. X., C. X. und D. X. nicht ergehen dürfen (§ 60 Abs. 3 i. V. m. § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO).
a) Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung nur dann in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
b) Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die streitigen Darlehenszinsen als Sonderbetriebsausgaben den Gewinnanteil des Komplementärs A. X. oder die Gewinnanteile der Kommanditisten C. X. und D. X. an der Klägerin mindern können. Das ist zweifellos eine Frage, die den A. X., die C. X. und D. X. persönlich angeht (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO). Nachdem nur die KG Klage erhoben hat - die Auslegung der Klageschrift ergibt keine Anhaltspunkte dafür, daß auch A. X., C. X. und D. X. persönlich Klage erhoben haben -, hätte das FG A. X., C. X. und D. X. gemäß § 60 Abs. 3 FGO beiladen müssen, weil die Gesellschafter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO klagebefugt waren (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juni 1988 VIII R 93/87, BFH/NV 1989, 589).
c) Auf die notwendige Beiladung kann unter den gegebenen Umständen auch nicht verzichtet werden. Die Beiladung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632) oder wenn die nicht klagenden Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt steuerrechtlich betroffen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1990 VIII R 120/86, BFHE 160, 558, BStBl II 1990, 780). Beide Ausnahmetatbestände treffen auf den Streitfall nicht zu.
d) Die notwendige Beiladung betrifft die Grundordnung des Verfahrens. Das Unterlassen der notwendigen Beiladung ist ein Verfahrensmangel. Da der BFH die Beiladung in der Revisionsinstanz nicht nachholen kann (§ 123 FGO), führt das Unterlassen der notwendigen Beiladung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. August 1988 IV R 78/86, BFH/NV 1989, 281). Dies gilt auch dann, wenn die Notwendigkeit einer Beiladung vom FG nicht nachgeprüft worden ist, obwohl - wie im Streitfall - der Sachverhalt eine solche Prüfung verlangt hätte (vgl. z. B. Urteil in BFH/NV 1989, 589).
Das FG wird die versäumte Beiladung der Gesellschafter A. X., C. X. und D. X. nachholen müssen. Die fehlende (ebenfalls notwendige) Hinzuziehung von A. X., C. X. und D. X. im Vorverfahren (§ 360 Abs. 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -) dürfte nach der bisherigen Verfahrenslage unbeachtlich sein. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH heilt die Beiladung im gerichtlichen Verfahren eine im Vorverfahren unterlassene notwendige Hinzuziehung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 5. Februar 1985 VIII R 272/81, BFH/NV 1985, 89 m. w. N.).
Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die beizuladenden A. X., C. X. und D. X. muß aber noch nachgeholt werden, um die einheitliche Wirkung der Einspruchsentscheidung gegenüber allen am Verfahren zu beteiligenden Personen herbeizuführen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1986 II R 59/86, BFHE 148, 420, BStBl II 1987, 302). Zu diesem Zweck wird das FG das Klageverfahren nach Zurückverweisung auszusetzen haben, damit das FA die Einspruchsentscheidung den gemäß § 360 Abs. 3 AO 1977 notwendig hinzuzuziehenden A. X., C. X. und D. X. nachträglich zustellen kann (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 II R 228/82, BFHE 144, 155, BStBl II 1985, 675). Erst danach darf ein Sachurteil ergehen (BFH-Urteil in BFHE 148, 420, BStBl II 1987, 302).
2. Zu der strittigen Frage, ob die Darlehenszinsen als Sonderbetriebsausgaben den Gewinnanteil des Komplementärs A. X. oder die Gewinnanteile der Kommanditisten C. X. und D. X. an der Klägerin mindern können, bemerkt der Senat, ohne damit das FG für seine erneute Entscheidung binden zu können, wegen der Länge der Verfahrensdauer aus prozeßökonomischen Gründen folgendes:
Schulden zwecks Finanzierung der Beteiligung an einer Personengesellschaft können nur dann passives Sonderbetriebsvermögen sein, die in der Sonderbilanz dieses Gesellschafters ihren Niederschlag finden, wenn die Kreditmittel zur Finanzierung der eigenen Beteiligung vewendet werden, weil nur dann ein unmittelbarer Zusammenhang mit seiner gewerblichen Betätigung und seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb besteht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1966 VI 273/65, BFHE 86, 576, BStBl III 1966, 582). Nur unter diesen Voraussetzungen können auch entsprechende Kreditzinsen Sonderbetriebsausgaben sein.
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall erweist sich die Entscheidung des FG, die streitigen Zinsen weder bei A. X. noch bei C. X. und D. X. in den Streitjahren zum Abzug als Sonderbetriebsausgaben zuzulassen, im Ergebnis jedenfalls als zutreffend. Nachdem die Kreditmittel des A. X. im Jahre 1970 unmittelbar nicht zur Finanzierung einer eigenen, sondern einer gewerblichen Betätigung Dritter (für C. X. und D. X.) verwendet wurden, konnte diese Darlehensverbindlichkeit nicht passives Sonderbetriebsvermögen des Kreditnehmers A. X. sein mit der Folge, daß die in diesem Zusammenhang in den Streitjahren 1974, 1975 und 1976 jedenfalls zur Hälfte gezahlten Zinsen bei ihm auch keine Sonderbetriebsausgaben sein können. Auch C. X. und D. X. können den streitigen Zinsaufwand nicht als Sonderbetriebsausgabe abziehen, weil die Darlehensverbindlichkeit, mit der die Zinszahlungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, in den Streitjahren nicht zu deren passiven Sonderbetriebsvermögen gehörte.
Fundstellen
Haufe-Index 417687 |
BFH/NV 1992, 46 |