Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nach § 19 BWGöD für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 gezahlte Entschädigungen sind nach § 3 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1955 steuerpflichtig.
EStG 1955 § 3 Ziff. 7; Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
Normenkette
EStG §§ 19, 3 Ziff. 7, § 3/8; BWGöD § 19 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die dem Bg. im Jahre 1955 und 1956 zugeflossenen Beträge von 5.593,20 DM und 1.516,80 DM nach § 3 Ziff. 7 EStG 1955 steuerfrei sind.
Der Bg. ist Sparkassendirektor gewesen. Wegen seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand durch nationalsozialistische Unterdrückungsmaßnahmen wurden ihm von der zuständigen Behörde für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 gemäß § 19 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD) am 26. Oktober 1955 eine Entschädigung von 5.593,20 DM und auf Grund seiner Beschwerde beim Ministerium am 24. Oktober 1956 eine weitere Entschädigung von 1.516,80 DM gezahlt. Von beiden Beträgen wurde Lohnsteuer einbehalten und abgeführt.
Mit Antrag vom 8. Juni 1957 begehrte der Bg. die Erstattung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge, weil die erhaltene Entschädigung nach § 3 Ziff. 7 EStG 1955 steuerfrei sei. Mit diesem Antrage drang der Bg. beim Finanzamt auch im Einspruchswege nicht durch.
Das Finanzgericht jedoch kam zu dem Ergebnis, daß für die vom Bg. für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 bezogene Entschädigung Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 7 EStG 1955 gegeben sei. Steuerpflicht bestehe nach § 3 Ziff. 7 EStG 1955 nur für Bezüge, die auf einem neu oder wieder begründeten Dienst- oder Versorgungsverhältnis beruhten. Die dem Bg. nach § 19 Abs. 1 BWGöD gewährte Entschädigung beruhe jedoch nicht auf einem neu oder wiederbegründeten Versorgungsverhältnis. Diese Rechtsstellung sei dem Bg. erst ab 1. April 1951 gewährt worden.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 3 Ziff. 7 EStG 1955. Die dem Bg. nach § 19 BWGöD für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 gewährte Entschädigung sei Ausfluß der neubegründeten Rechtsstellung des Bg., des Versorgungsempfängers, und danach nach § 3 Ziff. 7 Satz 2 EStG 1955 steuerpflichtig.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Bg. stützt seinen Erstattungsanspruch auf die Vorschrift des § 3 Ziff. 7 EStG 1955. Nach dieser Vorschrift sind Kapitalentschädigungen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden, steuerfrei. Da der Bg. unbestritten zu dem Kreis der durch nationalsozialistische Unterdrückungsmaßnahmen geschädigten Personen gehört, wäre die Steuerfreiheit anzuerkennen, soweit nicht nach dem Satz 2 der Ziff. 7 des § 3 EStG 1955 eine andere Beurteilung Platz greifen muß. Von der Steuerfreiheit sind nach dieser Vorschrift ausgenommen "Bezüge aus einem aus Wiedergutmachungsgründen neu begründeten oder wieder begründeten Dienstverhältnis sowie von Bezügen aus einem früheren Dienstverhältnis, die aus Wiedergutmachungsgründen neu gewährt oder wieder gewährt werden".
Das Finanzgericht kommt zu dem richtigen Ergebnis, daß dem Bg. die hier streitige Entschädigung und die sich daran anschließenden laufenden Bezüge wegen seines früheren Dienstverhältnisses im öffentlichen Dienst gewährt wurden. Gleichwohl hält es Steuerfreiheit für gegeben, weil die Zahlung auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des BWGöD entfalle, nämlich auf die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951.
Dem kann nicht gefolgt werden. Nach § 19 BWGöD, der die Rechtsgrundlage für die Zahlung an den Bg. bildet, war für die Zeit vom 1. April 1950 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eine Entschädigung in Höhe der sich nach dem Gesetz ergebenden Versorgungsbezüge zu gewähren. Es handelte sich um eine echte Versorgungsleistung, die nur deshalb eine besondere gesetzliche Regelung fand, weil infolge des späten Zustandekommens dieses Gesetzes für das bereits abgelaufene Rechnungsjahr 1950/1951 nachträglich noch eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden mußte, um den zeitlichen Zwischenraum zwischen der bis 31. März 1950 geltenden Regelung im § 38 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) und der ab 1. April 1951 einsetzenden Gehalts- oder Pensionszahlung zu überbrücken. Ein sachlicher Unterschied zwischen der für die Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1951 gezahlten Entschädigung und der von da an einsetzenden Ruhegehaltszahlung ist nicht gegeben. Beide Bezüge sind Einnahmen aus einem aus Wiedergutmachungsgründen neu oder wieder begründeten Versorgungsverhältnis. Auch hinsichtlich der Höhe sind sie den ab 1. April 1951 laufenden Bezügen angeglichen. Der Bg. ist somit schon ab 1. April 1950 wie allen früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes bessergestellt als die Arbeitnehmer des privaten Dienstes. Dem steht gegenüber, daß die Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 7 Satz 2 EStG 1955 entfallen muß (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 371/53 U vom 28. April 1954, BStBl 1954 III S. 289, Slg. Bd. 59 S. 208). Somit sind die dem Bg. zugeflossenen Zahlungen zu Recht der Lohnsteuer unterworfen worden. Ein Anspruch auf Erstattung ist nicht gegeben. Davon geht auch Abschnitt I Ziff. 2 des Erlasses des Finanzministeriums für Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 1955 (BStBl 1955 Teil II S. 110) aus, der insoweit eine zutreffende Gesetzesauslegung enthält.
Die angefochtene Entscheidung, die dies verkannte, ist daher aufzuheben, und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 23. September 1957 ist als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409716 |
BStBl III 1960, 344 |
BFHE 1961, 252 |
BFHE 71, 252 |