Entscheidungsstichwort (Thema)
Damnum
Leitsatz (NV)
Die Grundsätze, die der Große Senat des BFH im Beschluß vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S (BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144) zur Abziehbarkeit eines Damnums als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entwickelt hat, gelten auch dann, wenn das Damnum erst anläßlich der Kreditverlängerung vereinbart wird.
Normenkette
EStG §§ 9, 11, 21
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind gemeinschaftlich Eigentümer eines vermieteten Grundstücks, dessen Erwerb sie 1981 durch Darlehen finanziert hatten. Die erste Festzinsperiode für diese Darlehen (11,4 v. H. Zinsen) lief ein Jahr nach der Darlehensaufnahme, im Februar 1982, ab; zu diesem Zeitpunkt valutierten die Darlehen noch mit 360 000 DM und 40 000 DM. Die Kläger vereinbarten mit der Darlehensgläubigerin, die Darlehensschuldverhältnisse fortzusetzen, und zwar zu einem bis zum Februar 1987 geltenden Festzinssatz von 8 v. H. und einer Tilgung von 1 v. H. Die Kläger sollten außerdem 9,5 v. H. (= 38 000 DM) "Geldbeschaffungskosten" zahlen, "zu begleichen durch ein langfristiges Disagio-Zusatzdarlehen". Dazu bewilligte die Gläubigerin ein weiteres Darlehen von 41 988 DM, das sie mit 90,5 v. H. (= 38 000 DM) auszahlte. In dem Schreiben der Darlehensgläubigerin vom 9. März 1982 heißt es dazu: "Das Darlehen ist zweckgebunden und dient zur Begleichung der im Rahmen der Zinsanpassung per 28. Februar 1982 für die Darlehen über ursprünglich DM 360 000 und DM 40 000 ... angefallenen Geldbeschaffungskosten in Höhe von DM 38 000."
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1982 machten die Kläger 41 988 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) vertrat die Auffassung, daß es sich bei der Vereinbarung des Zusatzdarlehens über 41 988 DM um ein sog. Tilgungsstreckungsdarlehen handele, und berücksichtigte deshalb lediglich das Damnum von 3 988 DM sowie hinsichtlich des weiteren Betrages von 38 000 DM die hierauf nach seiner Berechnung entfallende Tilgung von 315 DM.
Die Klage, mit der die Kläger beantragten, den gesamten Darlehensbetrag von 38 000 DM als Werbungskosten abzuziehen, hatte Erfolg.
Dagegen wendet sich das FA mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision, mit der es Verletzung des § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Sie geht zu Unrecht davon aus, daß ein Damnum auch dann sofort als Werbungskosten abziehbar ist, wenn es mit Hilfe eines Tilgungsstreckungsdarlehens getilgt wird.
1. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt es bei einem Damnum für den Zeitpunkt der Leistung auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt werden. Haben die Vertragspar teien vereinbart, daß bei Auszahlung der Darlehenssumme ein Teil als Damnum einbehalten wird, so ist das Damnum in dem Zeitpunkt geleistet, in dem das gekürzte Darlehenskapital dem Darlehensnehmer zufließt. Hat sich der Darlehensnehmer dagegen, um die volle Auszahlung eines Baudarlehens zu erreichen, für das vereinbarte Damnum vom Gläubiger ein zusätzliches Darlehen gewähren lassen, so kann er, wenn die Vereinbarung eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit bildet, nur die zur Tilgung des Zusatzdarlehens geleisteten Teilbeträge gleich einem Damnum als Werbungskosten abziehen. Die sonst bei Darlehensauszahlung fällige Damnumsschuld ist in den Fällen der Tilgungsstreckung gestundet (zuletzt Senatsurteile vom 8. November 1988 IX R 177/85, BFH/NV 1989, 298, und IX R 96/84, BFH/NV 1989, 496; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Oktober 1989 VII R 1/87, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198). Diese Rechtsprechung geht auf die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S (BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144) zurück, in der dieser zwischen der Begleichung eines Damnums durch Verrechnung und der Stundung des Damnums durch Aufnahme eines Tilgungsstreckungsdarlehens unterscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 105/70, BFHE 114, 412, BStBl II 1975, 330). Der Beschluß des Großen Senats ist für den erkennenden Senat bindend (Beschluß des Großen Senats vom 18. Januar 1971 GrS 4/70, BFHE 101, 13, BStBl II 1971, 207; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 11 Anm. 16). Neue rechtliche Gesichtspunkte, die eine erneute Anrufung des Großen Senats rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben. Auch der Hinweis des FG, der BFH habe zwischenzeitlich im Urteil vom 10. Juni 1988 III R 248/83 (BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814) entschieden, daß außergewöhnliche Belastungen, die der Steuerpflichtige mit Kredit bezahlt, im Zeitpunkt der Verausgabung und nicht erst im Zeitpunkt der Rückzahlung des Kredits abziehbar sind, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen; denn im Bereich der Werbungskosten, um die es hier geht, war seit jeher unbestritten, daß kreditierte Ausgaben schon im Zeitpunkt der Bezahlung der Ausgaben geleistet und damit abziehbar sind (vgl. Urteil des Reichs finanzhofs vom 10. Februar 1937 VI A 111/37, RFHE 41, 50, RStBl 1937, 898; BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 209/69, BFHE 104, 235, BStBl II 1972, 250; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl. 1964, § 9 Anm. 6).
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrund sätze auf den Streitfall ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzu weisen. Das FG hat die Vereinbarung zwischen der Kreditgläubigerin und den Klägern zutreffend als Abrede über ein Damnum ausgelegt, das mit dem neu aufgenommenen Zusatzdarlehen von 41 988 DM finanziert werden sollte. Das Damnum sollte erst mit der Tilgung des Darlehens zurückgezahlt werden. Die Kläger haben das Damnum zwar nicht unmittelbar bei Dar lehensaufnahme vereinbart. Für die recht liche Beurteilung macht es indes keinen Unterschied, ob das Damnum schon bei Darlehensaufnahme oder erst später im Zusammenhang mit einer Neufestlegung des Zinssatzes vereinbart wird. In beiden Fällen erfolgt die Tilgung des Damnums bei Aufnahme eines Zusatzdarlehens -- wenn man die Rechtssgrundsätze des Großen Senats des BFH anwendet -- erst mit der Tilgung des Zusatzdarlehens. Auch dann bilden Hauptdarlehen und Zusatzvereinbarung über das Damnum eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit. Das Damnum gehört zum Gesamtentgelt für die Kapitalnutzung (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1989, 496). Die Vereinbarung des Damnums für das Hauptdarlehen sowie die gleichzeitige Gewährung des Zusatzdarlehens zur Finanzierung des Damnums bilden einen wirtschaftlich einheitlichen Vorgang. Das Damnum sollte im wirtschaftlichen Ergebnis erst mit der Tilgung des Zusatzdarlehens gezahlt werden; denn die Kreditierung des Damnums bewirkte, daß eine tatsächliche Belastung der Kläger erst zu den für die Rückzahlung des Zusatzdarlehens vereinbarten Zeitpunkten eintreten konnte.
Fundstellen
Haufe-Index 65047 |
BFH/NV 1995, 293 |