Entscheidungsstichwort (Thema)
Umgestaltung einer Dachterrasse zu einem Wintergarten
Leitsatz (NV)
Entsteht durch die Umgestaltung einer Dachterrasse zu einem Wintergarten ganzjährig nutzbarer zusätzlicher Wohnraum, sind die Umbaukosten als Herstellungskosten zu beurteilen.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7; HGB § 255 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem Mietwohngrundstück. Das terrassenförmige Flachdachgebäude war ursprünglich im rückwärtigen Teil dreigeschossig, im vorderen Teil zweigeschossig. Auf dem Dach des vorderen Teils befand sich eine Terrasse für die im dritten Stock des rückwärtigen Teils gelegene Wohnung. Im Streitjahr behob der Kläger die Undichtigkeit des Flachdachs und der Terrasse, indem er auf dem rückwärtigen dreigeschossigen Gebäudeteil ein Walmdach errichten und auf dem vorderen zweigeschossigen Gebäudeteil die Dachterrasse zu einem geschlossenen Wintergarten umgestalten ließ. Der Wintergarten ist mit Isolierglas vollverglast und verfügt über einen Dachlüfter; die Fenster sind zu öffnen; der ehemalige Terrassenboden wurde mit Teppichboden belegt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zog die Aufwendungen für das Walmdach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Klägers ab. Hingegen beurteilte er die Aufwendungen für das Erstellen des Wintergartens als nachträgliche Herstellungskosten. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 308 abgedruckt.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1990 dahin abzuändern, daß die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von ... DM herabgesetzt wird sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der während des Revisionsverfahrens aus anderen, hier nicht strittigen Gründen erlassene Änderungsbescheid vom 1. Februar 1996 ist auf Antrag des Klägers gemäß §§68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§126 Abs. 2 FGO). Das Finanzgericht (FG) hat die strittigen Aufwendungen für die Errichtung des Wintergartens zu Recht als Herstellungskosten beurteilt.
1. Herstellungskosten sind nach §255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Nach dieser auch für das Steuerrecht maßgebenden Begriffsbestimmung sind Aufwendungen für die Erweiterung eines Gebäudes stets als nachträgliche Herstellungskosten zu beurteilen, auch wenn die Erweiterung nur geringfügig ist (Senatsurteile vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BFHE 178, 32, BStBl II 1996, 628; IX R 69/92, BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630). Eine solche Erweiterung liegt u.a. vor, wenn die nutzbare Fläche eines Gebäudes vergrößert wird, z.B. wenn ein schadhaftes Flachdach durch ein Satteldach ersetzt wird und dadurch erstmals ein für Wohnzwecke ausbaufähiges Dachgeschoß entsteht (Senatsurteil vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BFHE 165, 355, BStBl II 1992, 73); wenn die Wohnfläche im Dachgeschoß durch breitere und höhere Dachgauben und die nutzbare Fläche im Kellergeschoß durch eine unterkellerte Terrasse vergrößert wird (Senatsurteil in BFHE 178, 32, BStBl II 1996, 628), oder wenn in dem nur teilweise mit Kammern ausgebauten Dachgeschoß Dachgauben neu errichtet und zwei neue abgeschlossene Wohnungen geschaffen werden (Senatsurteil in BFHE 178, 36, BStBl II 1996, 630).
2. Nach diesen Maßstäben hat das FG die Errichtung des Wintergartens zutreffend als Gebäudeerweiterung i.S. des §255 Abs. 2 Satz 1 HGB beurteilt. Es hat dazu in tatsächlicher Hinsicht folgendes bindend (vgl. §118 Abs. 2 FGO) festgestellt: Der Kläger hat den Wintergarten nicht nur als Witterungsschutz, sondern auch als voll nutzbaren Wohnraum errichtet, weil er zu öffnende Fenster und einen Dachlüfter eingebaut sowie Teppichboden verlegt hat. Dies indiziere eine ganzjährige Nutzung zu Wohnzwecken, obwohl der Wintergarten über keine zusätzliche Heizung verfüge. Durch die Verwendung von Isolierglas und die Verbindung zu den bisherigen Wohnräumen sei eine ausreichende Raumtemperatur gewährleistet. Wenn das FG diese Feststellungen dahin würdigt, der Kläger habe anstelle der zuvor vorhandenen Dachterrasse ganzjährig nutzbaren zusätzlichen Wohnraum geschaffen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die dagegen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch. Soweit der Kläger die tatsächlichen Schlußfolgerungen des FG mit der Behauptung angreift, mit Rücksicht auf die Größe der Dachterrasse sei keine ausreichende Raumtemperatur gewährleistet, mangels Heizung sei kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen worden, eine ganzjährige Nutzung zu Wohnzwecken sei nicht möglich, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Die aus §118 Abs. 2 FGO folgende Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen und tatsächlichen Schlußfolgerungen des FG entfällt nur dann, wenn diese verfahrensfehlerhaft zustande gekommen oder durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungsgrundsätzen beeinflußt sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522). Für derartige Ausnahmen von der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.
Eine abweichende Beurteilung des Streitfalls folgt auch nicht aus dem Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 122/79 (BFHE 133, 41, BStBl II 1981, 468). In jenem Fall hatten die zuvor offenen Wohnungszugänge durch die Verglasung ihre Funktion nicht geändert. Im Streitfall ist hingegen ganzjährig nutzbarer neuer Wohnraum geschaffen worden. Schließlich folgt auch aus den Urteilen vom 13. Dezember 1984 VIII R 273/81 (BFHE 143, 238, BStBl II 1985, 394) und vom 19. Juli 1985 III R 170/80 (BFH/NV 1986, 24) keine andere Beurteilung des Streitfalles. In jenen Fällen war zwar (durch Anhebung des ersetzten Daches einer Fabrikhalle bzw. durch den Ersatz eines Dachflächenfensters durch eine Gaube) die Raumhöhe vergrößert worden, im Gegensatz zum Streitfall aber keine erweiterte Nutzungsmöglichkeit und kein neuer Wohnraum geschaffen worden. Zu Unrecht beruft sich der Kläger ferner auf das Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 23. November 1994 12 K 276/91 (EFG 1995, 612). Es ist nicht erkennbar, ob dieses Urteil der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entspricht, weil nach dem dort wiedergegebenen Sachverhalt unklar bleibt, ob in jenem Fall durch die Errichtung des Glasdaches lediglich der Witterungsschutz in anderer Form erneuert oder aber ganzjährig nutzbarer Wohnraum geschaffen worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 55541 |
BFH/NV 1999, 605 |
HFR 1999, 367 |