Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung von Gewinnfeststellungsbescheiden bei Auswechslung des Gesellschafterbestands; Gewinnrealisierung bei der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen
Leitsatz (NV)
Es ist ernstlich zweifelhaft,
a) ob der eine Personenhandelsgesellschaft betreffende Gewinnfeststellungsbescheid gegen die früheren Gesellschafter oder gegen die Gesellschaft zu richten ist,
b) ob und in welcher Höhe bei der Veräußerung von zu erstellenden Eigentumswohnungen in einer Wohnlage der Gewinn verwirklicht wird. Es kommen folgende Möglichkeiten in Betracht: Gewinnverwirklichung zu unterschiedlichen Zeitpunkten entsprechend der Abnahme des verschiedenen Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums; Realisierung des Gewinns aus dem Sondereigentum und aus dem hierauf entfallenden Gemeinschaftseigentum im Zeitpunkt der Abnahme der jeweiligen Eigentumswohnung; Gesamtrealisierung des Gewinns aus der Anlage erst bei Abnahme der letzten Eigentumswohnung.
Normenkette
AO 1977 § 179 Abs. 2, § 183 Abs. 2; EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie waren bis 1981 alleinige Gesellschafter der W-KG; der Ehemann war persönlich haftender Gesellschafter, die Ehefrau Kommanditistin. Im Juni 1981 trat eine GmbH als neuer persönlich haftender Gesellschafter in die KG ein. Die Kläger traten anschließend ihre Geschäftsanteile an eine weitere GmbH ab. Die KG firmiert seither als W GmbH & Co. KG.
Die KG erwarb 1971 ein unbebautes Grundstück. Sie veräußerte 1972/73 eine Teilfläche zwecks Durchführung eines Bauherrenmodells.
Im Jahre 1973 schlossen die KG und die 209 Bauherren sog. Generalunternehmerverträge ab. Gegenstand der einzelnen Verträge war die Erstellung einer bestimmten ,,Eigentumswohnung . . . zuzüglich 1 Tiefgarage und anteiligen Gemeinschaftseigentums" auf dem dem Bauherrn zu Miteigentum gehörigen Grundstück. Der Festpreis war nach einem Zahlungsplan in 9 Raten entsprechend dem Baufortschritt zu entrichten. Die 7. Rate (15 v. H.) war fällig bei Abnahme des schlüsselfertigen Bauwerks, die 8. Rate bei Fertigstellung der Außenanlagen. 207 der 209 Wohnungen wurden vom 15. Oktober bis 31. Dezember 1974 abgenommen und von den Bauherren-Eigentümern oder deren Mietern bezogen. Die beiden restlichen Wohnungen wurden im Jahre 1975 abgenommen. Die Schlußbegehung durch die Lokalbaukommission fand im Dezember 1974 statt. Die Lokalbaukommission erhob am 21. Januar 1975 zahlreiche Beanstandungen. Insbesondere wurde bemängelt, daß die Treppen nicht feuerbeständig seien. Der Schlußabnahmeschein wurde am 8. September 1976 erteilt.
Die KG ging davon aus, daß der Gewinn aus den Generalunternehmerverträgen erst 1976 realisiert worden sei. Sie aktivierte zum 31. Dezember 1974 lediglich halbfertige Arbeiten und passivierte Anzahlungen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm hingegen nach einer Betriebsprüfung eine Gewinnrealisierung bereits im Jahre 1974 an. Der Betriebsprüfer eliminierte die Ansätze für halbfertige Arbeiten und für Anzahlungen und erhöhte die Forderungen. Andererseits passivierte er Rückstellungen für Umsatzsteuer, für noch auszuführende Restarbeiten, für Garantien und für Gewerbesteuer. Die Gewinnerhöhung betrug . . . DM. Es erging ein entsprechender vorbehaltloser Gewinnfeststellungsbescheid für 1974 vom 4. August 1982, der an die beiden Kläger gerichtet war. Das FA hat über den Einspruch der Kläger bisher noch nicht entschieden.
Die Kläger stellten den Antrag, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids auszusetzen. Das FA lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde blieb erfolglos.
Die Klage hatte zu einem geringen Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids 1974 in Höhe von . . . DM auszusetzen, und wies die Klage im übrigen ab. Es bejahte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids in einem Punkt, der im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist. Im verbliebenen Streitpunkt (Gewinnrealisierung) verneinte es ernstliche Zweifel hinsichtlich der Gewinnrealisierung aus 207 Generalunternehmerverträgen, bejahte sie hingegen für 2 Verträge (50 000 DM).
Es führte hierzu aus: 207 Wohnungen seien noch 1974 abgenommen worden. Die schlüsselfertige Erstellung der gesamten Wohnanlage sei nicht Gegenstand des einzelnen Generalunternehmervertrags gewesen. Die Fertigstellung der Außenanlagen sei nicht erforderlich gewesen; § 6 Abs. 3 der Generalunternehmerverträge bestimme nämlich, daß Einreden gegen die Bezugsfertigkeit wegen Unfertigkeit der Außenanlagen ausgeschlossen seien. Es bedürfe keiner Prüfung, ob den einzelnen Bauherren wegen Nichtbenutzbarkeit der Wohnanlage nach Art. 98 Abs. 3 Satz 4 der Bayerischen Bauordnung (fehlende Feuersicherheit der Treppen) die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zugestanden habe. Der Mangel, dessen Behebung lediglich etwa 30 000 DM gekostet habe, sei den Bauherren verschwiegen worden. Unerheblich sei, daß die Schlußabnahme erst am 11.Juni 1975 stattgefunden habe und die Garagen und das Gemeinschaftseigentum am 31. Dezember 1974 noch nicht förmlich abgenommen gewesen seien. Entscheidend sei die Abnahme der einzelnen Eigentumswohnung, die zwangsläufig auch wesentliche Teile des anteiligen Gemeinschaftseigentums enthalten müsse.
Die Kläger wenden sich mit der Revision dagegen, daß ernstliche Zweifel an der Annahme einer Gewinnrealisierung der 207 Eigentumswohnungen verneint worden sind. Sie rügen Verletzung des § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und des § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und bringen vor: Die vom FG angeführten Umstände sprächen keineswegs zwingend für die Annahme einer Gewinnrealisierung schon in 1974. Die Zahlung der 7. Rate enthalte, für sich genommen, kein Anerkenntnis einer ordnungsgemäßen Erfüllung; es könne sich auch um Anzahlungen handeln. Die Abnahme einer einzelnen Wohnung führe schon deshalb nicht zur Gewinnrealisierung, weil der Werklohnanspruch vor der Schlußabnahme nicht gesichert erscheine (§ 644 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); in der bloßen Übergabe einzelner Wohneinheiten liege noch keine Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Abnahme von Einzelwohnungen beinhalte nicht zwangsläufig auch die Abnahme des anteiligen Gemeinschaftseigentums. Die Vorentscheidung verletze aber auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung bei schwebenden Geschäften. Am 31. Dezember 1974 sei die Wohnanlage noch nicht schlüsselfertig erstellt gewesen, seien die Außenanlagen noch unfertig und die Treppenhäuser wegen fehlender Feuersicherheit noch nicht benutzbar gewesen. Auch habe die Gebrauchsabnahme noch ausgestanden. Die Fertigstellung des Gemeinschaftseigentums sei aber rechtlich und wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung. Der Wohnungskäufer werde nämlich nur Alleineigentümer der nichttragenden Wände und einiger Installationen, während 80 v. H. oder mehr auf den Erwerb des gemeinschaftlichen Eigentums entfielen. Ausweislich der Übergabeprotokolle ergebe sich keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, soweit diese nicht bereits durch die Vorentscheidung aufgehoben worden sind. Das FA ist zu verpflichten, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids - über die Vorentscheidung hinaus - in Höhe eines weiteren Gewinnbetrags von . . . DM auszusetzen.
1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß in Vollziehungsaussetzungssachen auch das hier eingeschlagene Klageverfahren statthaft ist (BFH-Beschluß vom 24. Juni 1985 GrS 1/84, BFHE 144, 24, BStBl II 1985, 587).
2. Eine Beiladung der KG war nicht erforderlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Gesellschaft in einem Gewinnfeststellungs-Hauptsacheverfahren auch dann notwendigerweise beizuladen ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3 FGO), wenn - wie hier bei der KG 1981 - der Gesellschafterbestand vollständig ausgewechselt worden ist. Im Falle der Aussetzung der Vollziehung eines Gewinnfeststellungsbescheids bedarf es nicht der Beiladung der nicht klagenden, aber gemäß § 48 Abs. 1 FGO klagebefugten Gesellschaften oder Gesellschafter (s. für das Beschlußverfahren gemäß § 69 Abs. 3 FGO BFH-Beschlüsse vom 10. August 1978 IV B 41/77, BFHE 125, 356, BStBl II 1978, 584; vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99; vom 5. Mai 1981 VIII B 26/80, BFHE 133, 285, BStBl II 1981, 574). Dies gilt auch für das Klageverfahren (Urteil des erkennenden Senats vom 16. Oktober 1984 VIII R 299/81, nicht veröffentlicht - NV -; ebenso Urteil des FG Hamburg vom 20. August 1980 VI 39/80, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 29; a. A. Urteil des FG Hamburg vom 3. Juli 1980 I 23/80, EFG 1980, 608; Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Rz. 4479/15). Die Erwägung, daß Beschlüsse gemäß § 69 Abs. 3 FGO nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (BFHE 131, 455, 458, BStBl II 1981, 99), betrifft auch Urteile in Vollziehungsaussetzungssachen. Insbesondere rechtfertigt eine Änderung des Sachverhalts sowohl im Beschluß- als im Urteilsverfahren die Neubeurteilung des Aussetzungsbegehrens (BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67, BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199).
3. Es bestehen bereits aus formellen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheids (§ 361 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das FG hat unbeanstandet gelassen, daß das FA den Bescheid gegen die beiden Kläger gerichtet hat. Diese Auffassung begegnet ernstlichen Zweifeln, denen von Amts wegen nachzugehen ist, obwohl die Beteiligten auf Anfrage übereinstimmend einen Adressierungsmangel verneint haben. Das FA hält die von ihm gewählte Adressierung im Hinblick auf § 183 Abs. 2 AO 1977 für zulässig und ausreichend; weder die W GmbH & Co. KG noch die derzeit an der KG beteiligten Gesellschafter seien von dem Gewinnfeststellungsbescheid betroffen. Diesen Ausführungen liegt offensichtlich die Vorstellung zugrunde, daß die KG des Streitjahres 1974 infolge der Ersetzung ihrer Altgesellschafter (= Kläger) durch neue Gesellschafter im Jahre 1981 steuerrechtlich nicht mehr besteht und infolgedessen der Bescheid an die Altgesellschafter selbst gerichtet werden müßte.
Dem könnte entgegengehalten werden: Die KG besteht als solche fort. Ihre Umgestaltung zu einer GmbH & Co. KG hat ihre handelsrechtliche Teilrechtsfähigkeit nicht berührt. Auch steuerrechtlich wird die Personengesellschaft insoweit als Steuerrechtssubjekt angesehen, als sie in der Einheit ihrer Gesellschaft Merkmale eines Besteuerungstatbestands - u. a. das Merkmal der Gewinnerzielung - verwirklicht (BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 426, BStBl II 1984, 751). Hieraus könnte hergeleitet werden, daß die handelsrechtlich fortbestehende KG auch steuerrechtlich weiterhin existent ist und für Gewinnfeststellungsbescheide, die Zeiträume vor der Auswechslung der Gesellschafter betreffen, der richtige oder doch zumindest ein notwendiger Adressat ist.
Ob die Auswechslung der Gesellschafter steuerrechtlich als Beendigung der KG, bestehend aus den ehemaligen Gesellschaftern, und als Neugründung einer KG, bestehend aus den jetzigen Gesellschaftern, beurteilt werden kann, ist nicht zweifelsfrei. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage steht, soweit ersichtlich, aus. Für die Umsatzsteuer wurde zwar früher die Auffassung vertreten, daß bei einem vollständigen Gesellschafterwechsel zwischen einer Altgesellschaft und einer Neugesellschaft zu unterscheiden sei (BFH-Urteil vom 5. März 1970 V R 33/69, BFHE 99, 76, BStBl II 1970, 535, mit Nachweisen). Der V. Senat des BFH hat indessen seine frühere Auffassung unter der Herrschaft des Umsatzsteuergesetzes 1967 als ernstlich zweifelhaft bezeichnet (Urteil vom 13. Januar 1977 V R 94/75, BFHE 122, 364, BStBl II 1977, 654). Für die Grunderwerbsteuer wird ein steuerauslösender Vorgang verneint (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1979 II R 70/75, BFHE 129, 88, BStBl II 1980, 28).
4. Der Senat hält überdies - entgegen dem FG - für ernstlich zweifelhaft, daß der Gewinn aus den Generalunternehmerverträgen über die Errichtung von 207 Eigentumswohnungen schon 1974 verwirklicht worden ist.
a) Das FG geht zu Recht davon aus, daß auf die Generalunternehmerverträge Werkvertragsrecht - nicht etwa Kaufvertragsrecht - anzuwenden ist. Der Grund und Boden gehörte seinerzeit bereits den Bauherren; die KG hatte sich verpflichtet, auf dem Grundstück Eigentumswohnungen, Tiefgaragen und das Gemeinschaftseigentum zu erstellen. Der Gewinn realisiert sich in Werkvertragsfällen regelmäßig mit der Abnahme des herzustellenden Werks (§ 640 Abs. 1 BGB), ausnahmsweise mit der vorhergehenden Vollendung des Werks (§ 646 BGB), falls die Abnahme nach der Beschaffenheit des Werks ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 28. Januar 1960 IV 226/58 S, BFHE 71, 111, 119, BStBl III 1960, 291).
Demgemäß ist auch bei Bauausführungen die Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der hier möglichen und üblichen Abnahme angenommen worden (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1956 I 84/56 U, BFHE 64, 70, BStBl III 1957, 27). Im übrigen wäre selbst bei Anwendung von Kaufvertragsrecht - im wesentlichen mit dem Vorstehenden übereinstimmend - regelmäßig auf die Übergabe des schlüsselfertig erstellten Objekts nach Eintritt der Bezugsfertigkeit abzustellen (vgl. für Eigentumswohnungen BFH-Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 13/76, BFHE 130, 34, 38, BStBl II 1980, 318).
b) Im Streitfall waren Eigentumswohnungen für Auftraggeber zu errichten, die in einer Bauherrengemeinschaft zusammengeschlossen waren und späterhin eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern werden sollten. Wohnungseigentum besteht aus dem Sondereigentum an einer Wohnung und dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum (§ 1 Abs. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -). Gemeinschaftseigentum sind außer dem Grundstück die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen (§ 1 Abs. 5, § 5 Abs. 3 WEG). Der Anteil des Gemeinschaftseigentums an einem Wohngebäude ist so erheblich, daß er nicht vernachlässigt werden kann. Er macht den überwiegenden Teil der Bausubstanz aus (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Februar 1985 VII ZR 72/84, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 1551). Dahingestellt bleiben kann, ob dieser Anteil, wie die Kläger meinen, sogar 80 v. H. und mehr beträgt.
Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht davon aus, daß Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum getrennt übergeben und abgenommen werden können (BGH-Urteil vom 30. Juni 1983 VII ZR 185/81, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1983, 1104). Für den Fall, daß das gemeinschaftliche Eigentum zusammen mit der Wohnung abgenommen wird, ist das Gemeinschaftseigentum erst mit der Abnahme der letzten Wohnung abgenommen (BGH-Urteil in NJW 1985, 1551).
c) Handels- und steuerrechtlich wird grundsätzlich an die zivilrechtliche Betrachtung anzuknüpfen sein. Die angeführte BGH-Rechtsprechung befaßt sich mit der Abnahme von Gemeinschaftseigentum unter dem Gesichtspunkt, ab wann die Gewährleistungsfristen zu laufen beginnen. Dieser Zeitpunkt ist für die Gewinnrealisierung deswegen von Bedeutung, weil mit der Abnahme die Verpflichtung, das Werk zu erstellen, im wesentlichen erfüllt ist und an ihre Stelle Gewährleistungspflichten treten. Dieser Vorgang kann auch bei vorsichtiger kaufmännischer Wertung so gesehen werden, daß er den Zahlungsanspruch derart sichert, daß er nicht mehr von der Einrede des nichterfüllten Vertrags bedroht ist. Diese Betrachtung schließt allerdings nicht aus, zwecks Vereinfachung des Rechnungsverkehrs gewisse Varianten der zivilrechtlich frei gestaltbaren Abnahme (Teilabnahme) außer acht zu lassen.
Danach stellt sich zunächst die Frage, ob die Gewinne aus der Erstellung des verschiedenen Sondereigentums und der Gewinn aus der Erstellung des Gemeinschaftseigentums mit entsprechenden Realisierungszeitpunkten zu unterscheiden sind. Hierfür hat sich Uelner (Deutscher Steuerberatertag 1984, 141 f.) mit der Erwägung ausgesprochen, es handle sich hinsichtlich der einzelnen Eigentumswohnungen (Sondereigentum) und des Gemeinschaftseigentums nebst Außenanlagen um abgrenzbare Teilleistungen; die Gewinne aus diesen Leistungen könnten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgewiesen werden. Wäre dieser Auffassung für den Streitfall zu folgen, könnten zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1974 nur die Gewinne ausgewiesen werden, die auf das Sondereigentum der 207 übergebenen Wohnungen entfallen. Ein Ansatz des Gewinns aus der Erstellung des Gemeinschaftseigentums müßte bei einer summarischen Prüfung selbst dann unterbleiben, wenn eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums schon vor der Abnahme der letzten Eigentumswohnung möglich wäre. Denn die bis zum 31. Dezember 1974 gefertigten Übergabeprotokolle beziehen sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum; sie verzeichnen Mängel am Sondereigentum und vermerken abschließend lediglich, daß die ,,Wohnung" im übrigen im beanstandungsfreien Zustand sei. Sollte § 6 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 der Generalunternehmerverträge so zu verstehen sein, daß eine gleichzeitige Abnahme der Wohnung und des Gemeinschaftseigentums vorgesehen ist, muß nach den Abnahmeprotokollen davon ausgegangen werden, daß eine solche das Gemeinschaftseigentum erfassende Abnahme tatsächlich nicht stattgefunden hat. Nicht eingegangen werden muß auf die Ansicht des FG, daß die Abnahme der Außenanlagen im Hinblick auf § 6 Abs. 3 der Generalunternehmerverträge entbehrlich gewesen sei. Die präsenten Beweismittel lassen nicht erkennen, daß überhaupt Gemeinschaftseigentum bis zum 31. Dezember 1974 übergeben worden ist.
Eine besondere Gewinnrealisierung hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums dürfte der zivilrechtlichen Beurteilung am ehesten entsprechen. Andererseits ergeben sich dann rechnerische Schwierigkeiten. Die meisten Verträge - so auch die Generalunternehmerverträge des Streitfalls - weisen den Zahlungsanspruch des Werkunternehmers in einer Summe aus. Streitigkeiten über die Aufteilung der Vertragssumme sind vorhersehbar. Dem Vereinfachungszweck des Buchungs- und Rechnungsverkehrs würde es besser entsprechen, von einer Aufteilung abzusehen. Es erschiene daher auch vertretbar, wegen der ,,Verzahnung" von Sonder- und Gemeinschaftseigentum (Mundt, Deutscher Steuerberatertag 1984, 141) einen einheitlichen Gewinnrealisierungszeitpunkt für beide Eigentumsarten anzunehmen. Dabei könnte mit dem FG in der Abnahme einer Wohnung eine Gewinnrealisierung auch des auf die Wohnung entfallenden Gemeinschaftseigentums gesehen werden (ebenso Mundt, a. a. O.). Es könnte aber auch im Hinblick auf das kaufmännische Vorsichtsprinzip und die Bedeutung des Gemeinschaftseigentums auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem das Gemeinschaftseigentum zivilrechtlich abgenommen ist, d. h. auf den Zeitpunkt einer gesonderten Abnahme des Gemeinschaftseigentums oder gar auf die Abnahme der letzten Wohnung. Die vorherige Abnahme der anderen Wohnungen bliebe bei dieser Betrachtungsweise ohne Belang.
d) Es besteht kein Anlaß, über die aufgeworfenen Fragen im summarischen Vollziehungsaussetzungsverfahren abschließend zu entscheiden. Es genügt hier die Feststellung, daß die letztgenannte Auffassung als eine mögliche Auffassung zu einer Verneinung auch einer nur anteiligen Gewinnrealisierung in 1974 führen müßte.
5. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben, soweit sie die Klage in der Gewinnfeststellungssache abgewiesen hat. Die Sache ist spruchreif. Aufzuheben sind auch die Verwaltungsentscheidungen, soweit sie in der Gewinnfeststellungssache von der Vorinstanz bestätigt worden sind. Das FA ist antragsgemäß zu verpflichten, die Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheids in Höhe eines weiteren Gewinnbetrags von . . . DM auszusetzen. Die bereits von dem FG gewährte Aussetzung der Vollziehung bleibt unberührt.
Fundstellen
Haufe-Index 60854 |
BFH/NV 1986, 531 |