Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Ehegatten- Betriebsgemeinschaften.
Führen Ehegatten, die beide Zahnärzte sind, jeder eine selbständige Praxis, so liegt eine ordnungsmäßige Buchführung im Sinne von § 10 a EStG nur vor, wenn die Ehegatten getrennte Bücher führen und vor allem ihre tatsächlichen Entnahmen und Einlagen getrennt festhalten.
Dem obsiegenden Steuerpflichtigen können die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach § 307 Abs. 3 AO nur auferlegt werden, wenn ihn an dem verspäteten Vorbringen ein Verschulden trifft.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 10a; AO §§ 161, 307 Abs. 3, § 252
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Ehegatten (Bf.) sind Zahnärzte und betreiben ihre Praxis getrennt. Zu Beginn des Jahres 1959 sind sie von der Gewinnermittlung durch überschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG übergegangen. Ihre Einnahmen buchten sie getrennt; die Betriebsausgaben buchten sie für beide Betriebe gemeinsam und teilten sie am Jahresende im Verhältnis der Einnahmen auf; getrennte Kapitalkonten führten sie nicht; die Entnahmen und Einlagen wurden über ein gemeinsames Privatkonto gebucht; eine Anfangsbilanz wurde nicht eingereicht.
Die Bf. wurden zur Einkommensteuer für das Jahr 1959 ihrem Antrag entsprechend vom Finanzamt getrennt veranlagt. Die Bf. hatten ihre Privatentnahmen zunächst dem Ehemann allein zugerechnet, dann aber ihren Einnahmen entsprechend aufgeteilt. Das Finanzamt versagte ihnen die beantragte Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns im Sinne von § 10 a EStG.
Die Sprungberufung hatte insofern Erfolg, als das Finanzgericht dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Zusammenveranlagung stattgab. Im Hauptpunkt blieb aber die Berufung erfolglos. Mit dem Finanzamt hielt auch das Finanzgericht die Buchführung der Bf. im Jahre 1959 für nicht ordnungsmäßig.
Mit ihrer Rb. rügen die Bf. Verletzung des bestehenden Rechts und machen geltend: Das Finanzgericht berücksichtige nicht, daß es der Sinn einer Unkostengemeinschaft sei, zwar die Einnahmen zu trennen, die Ausgaben aber gemeinsam zu tragen. Außerdem handele es sich hier nicht nur um eine Unkostengemeinschaft, sondern auch um eine Ehegemeinschaft. Ohne Rücksicht auf die Einnahmen des einzelnen Ehegatten gehörten darum Gewinne und Vermögen beider Ehegatten gemeinsam. Schließlich sei, weil sie die Zusammenveranlagung gewählt hätten, auch die Frage der Einzelbilanz ohne Bedeutung. In der mündlichen Verhandlung haben die Bf. nochmals darauf hingewiesen, daß ihre Buchführung ordnungsmäßig sei. Es genüge, daß die Einnahmen getrennt und die Ausgaben gemeinsam erfaßt seien. Sie seien eben Ehegatten und hätten auch die Zusammenveranlagung beantragt. Im übrigen dürften an die Gewinnermittlung nach § 4 EStG nicht dieselben Anforderungen gestellt werden wie an die Gewinnermittlung nach § 5 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Das Finanzgericht hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die Bf. ihren Gewinn für das Jahr 1959 durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt haben. Die Art der Aufzeichnungen, insbesondere die Einreichung der Schlußbilanz und der Hauptabschlußübersicht, die Erklärungen der Bf. und nicht zuletzt der Antrag, ihnen die Steuerermäßigung des nicht entnommenen Gewinns gemäß § 10 a EStG zu gewähren, sprechen eindeutig für den Willen der Bf., den Weg der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu wählen. Da die Bf. diesen Weg in zulässiger Weise gewählt haben, ist der so ermittelte Gewinn auch der Veranlagung zugrunde zu legen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, ist darum kein Raum für den Hilfsantrag der Bf., die von ihnen gewählte Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 1 EStG in eine überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG umzudeuten mit dem Ziele, die Außenstände zum 31. Dezember 1959 von der Besteuerung auszunehmen (Urteile des Bundesfinanzhofs I 47/58 U vom 24. November 1959, BStBl 1960 III S. 188, Slg. Bd. 70 S. 499, und IV 226/58 S vom 28. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 291, Slg. Bd. 71 S. 111).
Mit Recht hat auch das Finanzgericht den Bf. die beantragte Steuervergünstigung des § 10 a EStG versagt, die voraussetzt, daß der Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden ist. Ob eine Buchführung ordnungsmäßig ist, kann für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG - entgegen der Auffassung der Bf. - nicht anders beurteilt werden als bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG. Will ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger die Steuervergünstigung des § 10 a EStG in Anspruch nehmen, so muß er seine Buchführung so einrichten, daß sie den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung entspricht und eine einwandfreie Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermöglicht (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 296/53 U vom 24. Juni 1954, BStBl 1954 III S. 282, Slg. Bd. 59 S. 187; Urteil des Senats VI 241/62 U vom 14. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 381). Auch unter Würdigung der von den Bf. geltend gemachten Gründe sieht der Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Die Voraussetzungen der Ordnungsmäßigkeit, wie sie danach erforderlich sind, hat das Finanzgericht für die Buchführung der Bf. mit Recht verneint. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Buchführung schon deswegen nicht ordnungsmäßig war, weil die durch Barzahlung erledigten Geschäftsvorfälle nicht laufend verbucht und die Forderungen zu Beginn des Jahres 1959, als die Bf. zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergingen, nicht festgestellt wurden. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Finanzgericht ausgeführt hat, der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit um deswillen fehlt, weil die Bf., obwohl sie ihre Praxis getrennt führten, nur eine gemeinsame Buchführung haben. Denn die Ordnungsmäßigkeit ist jedenfalls hier wegen der von den Bf. begehrten Vergünstigung schon deswegen zu verneinen, weil nicht die Entnahmen jedes Ehegatten in ihrer tatsächlichen Höhe aufgezeichnet worden sind (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 294/53 U vom 30. September 1954, BStBl 1954 III S. 344, Slg. Bd. 59 S. 345, betreffend die Aufzeichnungspflicht hinsichtlich der Entnahmen der Gesellschafter einer OHG). Es reicht auch bei Ehegatten nicht aus, wenn die Entnahmen und Einlagen gemeinsam verbucht und später schlüsselmäßig aufgeteilt werden. Die Vergünstigung des § 10 a EStG steht jedem Ehegatten-Unternehmer, der die Voraussetzungen erfüllt, selbständig zu. Bei der Anweisung des § 10 a EStG ist aber die Ermittlung der tatsächlichen Entnahmen und Einlagen jedes Begünstigten und die buchmäßige Festlegung ein entscheidendes Merkmal. Stehen die tatsächlichen Entnahmen oder Einlagen nicht fest, so sind die Voraussetzungen des § 10 a EStG nicht feststellbar. Eine Buchführung, die in dieser Hinsicht wesentliche Mängel aufweist, kann darum bei der Anwendung von § 10 a EStG nicht als ordnungsmäßig anerkannt werden. Für Ehegatten- Gemeinschaften gilt dabei nichts Besonderes. Ob die Eheleute die getrennte Veranlagung oder die Zusammenveranlagung beantragen, ist ohne Bedeutung; denn von diesem Antrag hängt nur die Art der Besteuerung ab. Mit der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung hat der Antrag nichts zu tun.
Das Finanzgericht hat den Bf. die Kosten nicht auferlegt, obgleich die Steuer nur wegen der erst im Berufungsverfahren beantragten Zusammenveranlagung ermäßigt werden mußte. Daß der Antrag auf Zusammenveranlagung erst in der Berufungsinstanz gestellt wurde, rechtfertigt nach der Auffassung des Finanzgerichts nicht die Anwendung des § 307 Abs. 3 AO. Nach dieser Vorschrift können einem Steuerpflichtigen trotz Obsiegens die Kosten auferlegt werden, wenn die zum Obsiegen führenden Tatsachen hätten früher geltend gemacht werden können und müssen. Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß der Fall, daß ein Steuerpflichtiger erst im Rechtsmittelverfahren von etwaigen ihm zustehenden Wahlmöglichkeiten Gebrauch macht, von § 307 Abs. 3 AO, wenn man nur den Wortlaut der Vorschrift zugrunde legt, nicht getroffen wird. Ob bei Fällen dieser Art nicht aber eine entsprechende Anwendung geboten ist, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Auferlegung der Kosten nach § 307 Abs. 3 AO ein Verschulden des Steuerpflichtigen voraus (vgl. z. B. das Urteil des Senats VI 142/61 vom 18. Januar 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 307, Rechtsspruch 28 = Wetter-Barske, Leitsatz-Kartei, I 1 § 307, Leitsatz 17). Bei der Kompliziertheit des heutigen Einkommensteuerrechts wird man in Fällen der vorliegenden Art ein Verschulden nur ausnahmsweise bejahen können. Jedenfalls aber bietet der Streitfall keinen Anlaß, den Bf. ein Verschulden vorzuwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 411070 |
BStBl III 1964, 185 |
BFHE 1964, 481 |
BFHE 78, 481 |