Leitsatz (amtlich)
Die Steuerermäßigung nach § 34f EStG in der vor Inkrafttreten des WohneigFG geltenden Fassung kann auch für eine vom Steuerpflichtigen mit seiner Familie genutzte Ferien- oder Wochenendwohnung in Anspruch genommen werden.
Orientierungssatz
Das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Objekt muß nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen (Familienwohnsitz) bilden (entgegen Abschn. 213a Abs. 3 EStR 1984; Literatur). Aus dem Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit der Kinder (Begriffsbestimmung) kann nichts anderes hergeleitet werden.
Normenkette
EStG § 34f S. 2 Nr. 1, § 7b; EStR 1984 Abschn. 213a Abs. 3
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 11.12.1987; Aktenzeichen IX 2968/86 E) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie bewohnen mit ihren beiden schulpflichtigen Kindern eine Mietwohnung in D. Beide Kläger sind in D berufstätig. Im Streitjahr 1985 erwarben sie in S ein Einfamilienhaus, für das sie die erhöhten Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch nahmen. Das voll eingerichtete Haus stand den Klägern im Streitjahr ständig zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Sie nutzten es mit ihren beiden Kindern regelmäßig an den Wochenenden, Feiertagen und während der Schulferien. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1985 beantragten die Kläger einen Steuerabzug von 600 DM gemäß § 34f EStG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte die Steuerermäßigung unter Berufung auf Abschn.213a Abs.3 Sätze 1 und 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1984 --EStR 1984--.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 237 veröffentlichten Urteil stattgegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 34f EStG. Es trägt im wesentlichen vor, der Gesetzgeber sei von der tatsächlichen Selbstnutzung ausgegangen, die sich in den Tatbestandsmerkmalen des § 34f EStG widerspiegele. Es werde neben der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken die auf Dauer angelegte Zugehörigkeit mindestens zweier Kinder zum Haushalt des Steuerpflichtigen gefordert. Eine auf Dauer angelegte Haushaltszugehörigkeit sei zu verneinen, wenn der zweite Haushalt in einem Ferienhaus bestehe. Die tatsächliche Selbstnutzung eines Ferienhauses sei auf relativ kurze Zeiträume innerhalb des Jahres beschränkt. Zweck des § 34f EStG sei, den Erwerb von Familienheimen für kinderreiche Steuerpflichtige zu fördern (Hinweis auf Urteil des Niedersächsischen FG vom 30.Januar 1986 XII 430/84, EFG 1986, 343). Die Ergänzung des § 34f EStG um den Abs.2 lasse nicht auf ein geändertes Förderungskonzept ab 1987 schließen, vielmehr habe die Begünstigung von Ferienwohnungen bereits schon durch § 34f EStG in seiner ursprünglichen Fassung ausgeschlossen werden sollen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG den Klägern die Steuerermäßigung nach § 34f EStG gewährt. Nach dieser Vorschrift in der für das Streitjahr geltenden Fassung ermäßigt sich bei Steuerpflichtigen, die erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG in Anspruch nehmen, die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um je 600 DM für das zweite und jedes weitere Kind des Steuerpflichtigen oder seines Ehegatten. Voraussetzung ist 1., daß der Steuerpflichtige das Objekt, bei einem Zweifamilienhaus mindestens eine Wohnung, zu eigenen Wohnzwecken nutzt oder wegen des Wechsels des Arbeitsortes nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen kann und 2., daß es sich einschließlich des ersten Kindes um Kinder i.S. des § 32 Abs.4 Satz 1, Abs.5 bis 7 EStG handelt, die zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören oder in dem für die erhöhten Absetzungen maßgebenden Begünstigungszeitraum gehört haben, wenn diese Zugehörigkeit auf Dauer angelegt ist oder war. Die vom FA entsprechend Abschn.213a Abs.3 EStR 1984 vertretene Auffassung, daß das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Objekt den Mittelpunkt der Lebensinteressen (Familienwohnsitz) bilden müsse (so auch Frost, § 34 Anm.11 in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34f Rz.21; Boeker in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34f Anm.13; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7.Aufl., § 34f Anm.3), wird weder vom Wortlaut noch Sinn und Zweck des Gesetzes gedeckt.
Ein begünstigtes Objekt ist nach dem Wortlaut des § 34f Satz 2 Nr.1 EStG jede(s) zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus (bzw. Eigentumswohnung) oder jedes Zweifamilienhaus, in dem eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und für das die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in Anspruch genommen werden. Eine Erweiterung dieser Tatbestandsmerkmale im Sinne der Auffassung des FA läßt sich aus dem Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit der Kinder nach § 34f Satz 2 Nr.2 EStG nicht herleiten. Das Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit bringt lediglich zum Ausdruck, daß ein durch Kinder bedingter erhöhter Wohnbedarf bestehen muß; denn Haushaltszugehörigkeit bedeutet, daß das Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung des Steuerpflichtigen dessen Wohnung teilt oder sich mit Einwilligung des Steuerpflichtigen vorübergehend außerhalb der Wohnung aufhält (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.Oktober 1980 VI B 78/80, BFHE 131, 514, BStBl II 1981, 54). Das Gesetz verlangt darüber hinaus nur, daß die Haushaltszugehörigkeit auf Dauer angelegt ist, der erhöhte Wohnbedarf also voraussichtlich für längere Zeit, also nicht nur vorübergehend, vorhanden sein wird. Da es mithin entscheidend auf den durch die Haushaltszugehörigkeit der Kinder erhöhten Wohnbedarf ankommt, ist ein solches Objekt begünstigt, wenn es geeignet ist, diesen Wohnbedarf des Steuerpflichtigen zu befriedigen. Auch wenn das Objekt darauf angelegt sein muß, vom Steuerpflichtigen mit seinen Kindern bewohnt zu werden, braucht es sich nicht um den den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildenden Familienwohnsitz zu handeln.
Dagegen läßt sich auch nicht § 34f Satz 2 Nr.1 EStG anführen, demzufolge die Nichtnutzung des Objekts wegen Wechsels des Arbeitsorts für die Begünstigung unschädlich ist. Denn hierbei handelt es sich --wie die Gesetzesmaterialien belegen-- lediglich um eine Billigkeitsregelung. In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft, auf den § 34f EStG zurückgeht, heißt es: "Zur Vermeidung von Härten wird es der tatsächlichen Selbstnutzung gleichgeachtet, wenn wegen des Wechsels des Arbeitsortes die Absicht zur Selbstnutzung nicht verwirklicht wird." (BTDrucks 9/843, 10). Aus dieser Regelung zur Vermeidung von Härten können weitergehende Folgerungen nicht gezogen werden.
Die Auslegung, wonach es sich bei den in § 34f EStG genannten Objekten nicht um den Familienwohnsitz zu handeln braucht, wird auch durch den Gesetzeszweck bestätigt. Zielsetzung der Steuerermäßigung nach § 34f EStG war es, Familien mit zwei oder mehr Kindern im Hinblick auf ihren erhöhten Wohnbedarf einen zusätzlichen Anreiz zur Schaffung von Wohneigentum zu geben (vgl. BTDrucks 9/843, 10). Der Zweck, Investitionen im Baubereich durch kinderreiche Familien zu fördern, wird auch bei Erwerb eines weiteren Objekts, das auf den Wohnbedarf der Familie ausgerichtet ist, erfüllt.
Die Vorschrift des § 34f Abs.2 EStG i.d.F. des Wohneigentumsförderungsgesetzes (WohneigFG) vom 15.Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278), nach der durch die Bezugnahme auf § 10e EStG Ferien- und Wochenendwohnungen nicht begünstigt sind, ist im Streitjahr 1985 nicht einschlägig. Sie gilt erstmals für nach dem 31.Dezember 1986 hergestellte oder angeschaffte Objekte (§ 52 Abs.14 EStG 1987). Nach Ansicht des Senats enthält sie --wie sich aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt-- für in Sondergebieten belegene Ferien- und Wochenendwohnungen, die seinerzeit auch nach § 7b EStG in der ab 1977 geltenden Fassung begünstigt waren (vgl. BFH-Urteil vom 8.März 1983 VIII R 111/81, BFHE 138, 215, BStBl II 1983, 498), keine bloße Klarstellung der Rechtslage.
Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 34f Satz 2 Nr.1 EStG setzt voraus, daß das begünstigte Objekt vom Eigentümer tatsächlich selbst zu Wohnzwecken genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 7.April 1987 IX R 133-135/84, BFHE 150, 12, BStBl II 1987, 565). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Begriffe der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und der Selbstnutzung gemäß § 21 Abs.2, § 21a EStG in allen Merkmalen übereinstimmen; denkbar sind wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen der Vorschriften auch unterschiedliche Begriffsbestimmungen. Sie decken sich aber jedenfalls insoweit, als auch die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kein ständiges oder zeitmäßig überwiegendes Bewohnen des begünstigten Objekts erfordert (vgl. zur Selbstnutzung BFH-Urteil vom 10.August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883). Die gegenteilige Auffassung des FA läßt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren. § 34f Satz 2 Nr.1 EStG verlangt, daß der Steuerpflichtige das Objekt zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Aus dem Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit der Kinder kann nichts anderes hergeleitet werden. Andernfalls würde eine intensivere Nutzung durch haushaltszugehörige Kinder als durch den Steuerpflichtigen selbst verlangt werden.
Nach allem ist auch für den Erwerb eines weiteren Objekts die Steuerermäßigung nach § 34f EStG zu gewähren (ebenso Hennemann, Betriebs-Berater 1983, 372; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34f EStG Anm.33; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 34f Rdnr.27).
Fundstellen
Haufe-Index 62935 |
BFH/NV 1989, 38 |
BStBl II 1989, 776 |
BFHE 157, 80 |
BFHE 1990, 80 |
BB 1989, 2166-2167 (LT1) |
DB 1989, 1705-1706 (LT) |
DStR 1989, 518 (KT) |
HFR 1989, 612 (LT) |