Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld, Berufsausbildung, Zivildienst
Leitsatz (NV)
Dem Tatbestand der Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) steht ‐ bei Vorliegen der allgemein hierfür erforderlichen Merkmale ‐ nicht entgegen, dass das Kind noch Zivildienst leistet.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 2001, 222) |
Tatbestand
I. Der Sohn (G) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde für die Zeit von 1. September 1998 bis 30. September 1999 zum Zivildienst herangezogen. Aufgrund einer nach § 33 des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (ZDG) erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung begann er während seines Erholungsurlaubs am Ende des Zivildiensts (1. August 1999) mit der Ausbildung zum Steuerfachgehilfen in der H-GmbH Steuerberatungsgesellschaft.
Sein Zivildienstsold betrug für die Monate August/September 1999 ―einschließlich des im September ausbezahlten Entlassungsgelds (1500 DM)― 3 421,50 DM; die Ausbildungsvergütung für die Monate August bis Dezember 1999 belief sich auf brutto 5 258 DM.
Den Antrag auf Festsetzung von Kindergeld lehnte der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) mit Bescheid vom 19. November 1999 ab, weil die Einkünfte des G in den (Ausbildungs-)Monaten Oktober bis Dezember 1999 unter Berücksichtigung des Entlassungsgelds (insgesamt: 4 162 DM) den anteiligen Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1999 (EStG 1999) voraussichtlich überschreiten würden (3/12 aus 13 020 DM = 3 255 DM).
Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die Einkünfte seines Sohnes beliefen sich lediglich auf 3 165 DM (3 x monatliche Ausbildungsvergütung in Höhe von jeweils 1 055 DM), wurde vom Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, G habe sich bereits ab August 1999 in Berufsausbildung mit der Folge befunden, dass die mit insgesamt 6 546,50 DM anzusetzenden Einkünfte und Bezüge (Ausbildungs- und Zivildienstvergütung: 8 696,50 DM, abzüglich Arbeitnehmerpauschbetrag 2 000 DM und anteilige Kostenpauschale 150 DM) höher seien als der maßgebliche Grenzwert nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG 1999 (5 425 DM = 5/12 aus 13 020 DM).
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) schließt das formelle Bestehen des Zivildienstverhältnisses den Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mit der Folge aus, dass der Kläger für die Monate Oktober bis Dezember 1999 Anspruch auf Kindergeld habe (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 222).
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt der Beklagte sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Vorinstanz hat zwar zutreffend angenommen, dass die Klage lediglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung von Kindergeld für die Monate Oktober bis Dezember 1999 gerichtet und es deshalb dem Gericht nach §§ 96 Abs. 1 Satz 2, 101 FGO verwehrt ist, den Verpflichtungsausspruch auf die vorangegangenen Monate (August und September 1999) zu erstrecken (vgl. zu Verpflichtungsklagen Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz. 192; zur Teilbarkeit von Kindergeldfestsetzungen entsprechend dem Monatsprinzip vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174).
2. Die Vorinstanz hat jedoch verkannt, dass sich G bereits ab dem 1. August 1999 in Berufsausbildung befand (hier: Ausbildung zum Steuerfachgehilfen). Dem steht ―wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage (Verfahren VIII R 61/01, juris) entschieden hat― nicht entgegen, dass zu diesem Zeitpunkt das Zivildienstverhältnis noch nicht beendet war (insoweit gl.A. Abschn. 63.3.2.6 Abs. 3 Satz 4 der Überarbeitung der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs vom 12. Mai 2000 ―DA-FamEStG―, BStBl I 2000, 636). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der erkennende Senat auf die Begründung des Urteils vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, juris, Bezug.
Hieraus folgt zugleich, dass ―entgegen der Berechung des FG im erstinstanzlichen Verfahren― in die Prüfung der anteiligen Jahresbetragsgrenze (hier: 5 425 DM = 5/12 aus 13 020 DM) nach § 32 Abs. 4 Sätze 6 und 7 i.V.m. Satz 2 EStG die auf die Monate August bis Dezember 1999 entfallenden Einkünfte und Bezüge einzubeziehen sind. Diese werden vom FG im zweiten Rechtsgang ―unter Berücksichtigung etwaiger besonderer Ausbildungskosten des G (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491)― festzustellen sein. Zur wirtschaftlichen Zurechnung des Entlassungsgelds verweist der Senat auf das Urteil vom heutigen Tage zum Verfahren VIII R 57/00, juris.
Fundstellen
Haufe-Index 840435 |
BFH/NV 2002, 1552 |