Entscheidungsstichwort (Thema)
Adressierung eines Steuerbescheids im Falle einer atypischen stillen Gesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Ein Steuerbescheid ist nichtig, wenn er entgegen § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, wer als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden soll.
2. Eine stille Gesellschaft kann nicht Schuldnerin der Gewerbesteuer sein. Als Schuldner kommt nur der Geschäftsinhaber in Betracht. Ein Gewerbesteuermeßbescheid muß sich deshalb gegen den Geschäftsinhaber richten.
Normenkette
AO 1977 § 125 Abs. 1, § 157 Abs. 1 S. 2; GewStG 1977 § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts; er tritt unter der Firma X auf. Im Jahre 1978 schloß er mit seiner Tochter einen Vertrag über die Eingehung einer atypisch stillen Gesellschaft ab, der vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit steuerlicher Wirkung anerkannt worden ist. Der Gesellschaftsvertrag wurde auch bei Berechnung der Gewerbesteuermeßbeträge berücksichtigt. Die Gewerbesteuermeßbescheide 1979 (geänderter Bescheid vom 7. September 1982) und 1980 (geänderter Bescheid vom 1. August 1984) sind an die steuerlichen Berater des Klägers als Zustellungsbevollmächtigte mit dem Zusatz ,,Für Firma A und B X atypisch stille Gesellschaft, . . .straße . . ., X" gerichtet. Die Bescheide wurde bestandskräftig.
Im Jahre 1987 beantragte der Kläger, die Nichtigkeit der Gewerbesteuermeßbescheide festzustellen, weil Steuerschuldnerin nicht die Gesellschaft, sondern allein der Kläger sei. Der Antrag und die Klage zum Finanzgericht (FG) blieben jedoch erfolglos; das FG ging davon aus, daß die atypisch stille Gesellschaft Schuldnerin der Gewerbesteuer, der Bescheid mithin zutreffend adressiert sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Gewerbesteuermeßbescheide 1979 und 1980 für nichtig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Kläger ist im Ergebnis unbegründet.
1. Der Kläger will die Nichtigkeit der Gewerbesteuermeßbescheide 1979 und 1980 festgestellt sehen, um danach die Aufhebung der Gewerbesteuerbescheide für diese Jahre zu erreichen. Er hat damit ein berechtigtes Interesse für die Nichtigkeitsklage dargetan (§ 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ohne daß es darauf ankäme, wie er die Aufhebung der Folgebescheide nach erfolgreicher Feststellungsklage erreichen kann. Die genannten Gewerbesteuermeßbescheide sind jedoch nicht nichtig.
Ein Steuerbescheid erweist sich als nichtig, wenn er entgegen § 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen läßt, wer als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1983 I R 55/80, BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63; vom 28. März 1979 I R 219/78, BFHE 128, 14, BStBl II 1979, 718). Das gilt in entsprechender Weise auch für einen Bescheid, der Steuermeßbeträge festsetzt; in ihm wird auch über die persönliche Steuerpflicht entschieden (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Richtet sich der Gewerbesteuermeßbescheid gegen ein Gebilde, das persönlich nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden kann, ist der Bescheid nichtig (vgl. BFH in BFHE 139, 291, BStBl II 1984, 63).
2. Das FG hat angenommen, daß die Gewerbesteuermeßbescheide gegenüber der aus dem Kläger und seiner Tochter bestehenden atypisch stillen Gesellschaft erlassen worden seien und daß hiergegen keine Einwände beständen, weil ihr Betrieb nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung als Gewerbebetrieb anzusehen gewesen sei und weil § 5 Abs. 1 Satz 3 für diese Fälle die Gesellschaft als Steuerschuldner bezeichnet habe. Dem ist jedoch nicht zuzustimmen.
Wie der VIII. Senat des BFH in seiner Grundsatzentscheidung vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) im einzelnen dargelegt hat, kann als Personengesellschaft i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1977 nur eine Personengesellschaft mit Gesellschaftsvermögen (Außengesellschaft) angesehen werden, weil die Vorschrift die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen habe ermöglichen sollen. Bei der stillen Gesellschaft der §§ 230 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB) n. F. (§§ 335 ff. HGB a. F.) handelt es sich dagegen um ein reines Schuldverhältnis zwischen dem Geschäftsinhaber und dem stillen Gesellschafter, das als Innengesellschaft nicht zur Bildung von Gesellschaftsvermögen führt. Die stille Gesellschaft kann deshalb auch nicht Schuldnerin der Gewerbesteuer sein; ein ihr gegenüber ergangener Gewerbesteuerbescheid ließe sich nicht verwirklichen. Dies kann auch nicht mittels eines Haftungsbescheids gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 geschehen, weil die Gesellschafter der stillen Gesellschaft mangels eines Gesellschaftsvermögens auch nicht für Schulden der Gesellschaft haften. Demgegenüber geht das FG davon aus, daß die atypisch stille Gesellschaft kraft gesetzlicher Entscheidung Steuerschuldnerin sei und damit auch in das zum Handelsgewerbe gehörende Vermögen vollstreckt werden könne. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Wie die §§ 249 ff. AO 1977 ergeben, wird eine steuerliche Geldforderung unter Beachtung der zivilrechtlichen Vermögenszuständigkeiten verwirklicht; gegenüber einer atypisch stillen Gesellschaft läßt sich eine Steuerforderung deshalb nicht durchsetzen. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG die Tätigkeit der atypisch stillen Gesellschaft objektiv steuerpflichtig war und hierin durch die Neufassung durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 (StBereinG) keine Änderung eingetreten ist. Dies besagt für die atypisch stille Gesellschaft jedoch nur, daß die für die Gesellschaft ermittelten Steuermerkmale allein beim Inhaber des Handeslgewerbes im festzusetzenden Gewerbesteuermeßbetrag erfaßt werden (vgl. BFH in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311).
3. Wie der BFH in der vorerwähnten Entscheidung weiter ausgeführt hat, kommt als Schuldner der Gewerbesteuer aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 GewStG nur der Geschäftsinhaber, nicht aber der stille Gesellschafter in Betracht, zumal dieser schon nach der Fassung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG 1965 nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden konnte.
Im Streitfall mußte sich deswegen auch der Gewerbesteuermeßbescheid gegen den Kläger als Geschäftsinhaber richten; wäre als Steuerschuldner und Adressat die atypisch stille Gesellschaft genannt, müßte der Bescheid als nichtig angesehen werden. Tatsächlich richteten sich die Bescheide namentlich an den Kläger und seine Tochter. Darüber hinaus sind auch die atypisch stille Gesellschaft und die Firma des Klägers erwähnt. Dies ist jedoch nicht ausschlaggebend. Auch wenn gegenüber dem Geschäftsinhaber ein Gewerbesteuermeßbescheid ergeht, kann ein Hinweis auf das atypisch stille Gesellschaftsverhältnis angebracht sein, weil dieses die Berechnung des Gewerbesteuermeßbetrags beeinflußt. Durch die Angabe beider Gesellschafter unterscheidet sich der Streitfall vom Sachverhalt der Entscheidung in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311 und des Urteils vom 12. November 1985 VIII R 414/83 (BFH/NV 1987, 393). Die Adressierung ist allerdings insoweit unzutreffend, als die Tochter des Klägers nicht Schuldnerin der Gewerbesteuer und der Meßbescheid insoweit rechtswidrig war. Das führt jedoch nicht zur Nichtigkeit des Bescheids, da beide Personen als Steuerschuldner tauglich waren. Aufgrund dieses Bescheids konnte daher auch die Gewerbesteuer gegenüber dem Kläger durch Folgebescheide der Gemeinde festgesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 416646 |
BFH/NV 1990, 591 |