Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Auf den Geschäftswert eines gewerblichen Betriebes können Absetzungen für Abnutzung nicht vorgenommen werden. Die für die Abschreibung des Praxiswertes der freien Berufe durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze können auf den Geschäftswert eines gewerblichen Betriebes nicht übertragen werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2, § 7
Tatbestand
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) richtet sich dagegen, daß die Vorinstanzen bei der Gewinnfeststellung 1953 eine Abschreibung von 25 v. H. auf einen im vorhergehenden Jahre erworbenen anteiligen Firmenwert versagt haben.
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine offene Handelsgesellschaft, die ein Tuchgeschäft und eine Maßschneiderei betreibt. Sie bestand bis zum 31. Oktober 1952 aus zwei Gesellschaftern. Ein Gesellschafter schied am 1. April 1952 aus. Gleichzeitig trat der bisher als Angestellter der Firma tätige Sohn des anderen Gesellschafters ein. Der ausscheidende Gesellschafter erhielt u. a. eine Abfindung, die sein Kapitalkonto um 24 233 DM überstieg. Diesen Betrag verrechnete die Bfin. zunächst mit 3500 DM auf stille Rücklagen. Sie setzte ferner in die Bilanz einen mit "Firmenwert" bezeichneten Betrag von 10 000 DM ein, der nach der Erläuterung zur Auseinandersetzungsbilanz eine Abgeltung für den anteiligen Wert der Firma, des Kundenstamms usw. sein sollte. Der überschießende Betrag von 10 733 DM wurde als Abfindung eines lästigen Gesellschafters über Verlust abgebucht.
Schon im folgenden Jahre 1953, dem Streitjahr, machte die Bfin. in der Schlußbilanz eine Abschreibung von 25 v. H. 2500 DM auf den aktivierten Firmenwert. Das Finanzamt ließ die Abschreibung nicht zu. Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht stützte seine Entscheidung in erster Linie auf das Abschreibungsverbot des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Auch eine Gleichstellung mit dem Praxiswert der freien Berufe, für den die Rechtsprechung eine laufende Abschreibung zugelassen hat, lehnte das Finanzgericht ab.
Im Hinblick auf die nicht unerhebliche Gewinnerhöhung hielt das Finanzgericht auch eine Teilwertabschreibung nicht für zulässig.
Mit der Rb. wird geltend gemacht, es verstoße gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) enthaltenen Grundsatz gleicher Rechtsanwendung, wenn Gewerbetreibende hinsichtlich der Absetzung für Abnutzung auf den Geschäftswert anders behandelt würden als die Angehörigen freier Berufe. Maßgebend dürfe nur der Grad der Verflüchtigung des Geschäftswerts sein. Der von der Bfin. übernommene Geschäftswert sei in der Person des ausscheidenden Gesellschafters begründet gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, daß er in unmittelbarer Nähe des Betriebes der Bfin. einen Konkurrenzbetrieb eröffnet und bereits 55 Stammkunden der Firma mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von rd. 20 000 DM an sich gezogen habe. Der Standpunkt der Rechtsprechung, daß sich ein entgeltlich erworbener Geschäftswert dann nicht verflüchtige, wenn an seine Stelle ein originärer, das heißt selbstgeschaffener Geschäftswert trete, verstoße gegen das Verbot der Aktivierung des originären Geschäftswerts. Mindestens müsse eine Teilwertabschreibung in der beantragten Höhe zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Im Gegensatz zum Handelsrecht verbietet das Steuerrecht in § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG laufende Absetzungen auf den aktivierten Geschäftswert und läßt nur ein Herabgehen auf einen niedrigeren Teilwert zu. Der Einwand der Bfin., daß der erworbene Geschäftswert nach dem übergang des Geschäfts schwinde und ein neuer originärer Geschäftswert an seine Stelle trete, ist nicht stichhaltig. Es besteht an sich durchaus die Möglichkeit, daß die Umstände, die zur Bildung eines entgeltlich erworbenen Geschäftswerts geführt haben, in ihrer Wirkungskraft nachlassen, ja vielleicht völlig schwinden, daß aber der Erwerber seinerseits durch geeignete Maßnahmen wie Umorganisation, Kundenwerbung usw. den Geschäftswert auf der gleichen Höhe hält. Es widerspricht dem Wesen des Geschäftswerts, hier zwei voneinander getrennte Geschäftswerte, einen schwindenden derivativen und einen gleichzeitig neu entstehenden originären Geschäftswert anzunehmen. Der Geschäftswert ist, wie der Oberste Finanzgerichtshof im Urteil IV 3/48 vom 23. November 1948 (abgedruckt in "Deutsche Steuer-Zeitung" - Eildienst - 1949 S. 91) ausführt, der Mehrwert, der einem Unternehmen über die sonstigen aktivierten Wirtschaftsgüter (abzüglich der Schulden) hinaus innewohnt und dessen Bedeutung darin liegt, daß auf Grund der in ihm enthaltenen Vorteile (Ruf der Firma, Kundenkreis, Absatzorganisation usw.), die Erträgnisse des Unternehmens höher oder zumindest gesicherter erscheinen als bei einem anderen Unternehmen mit sonst gleichen Wirtschaftsgütern, bei dem jene Vorteile fehlen. Dieser Mehrwert ist ein einheitliches Wirtschaftsgut, das nicht zerlegt werden kann, auch wenn die Umstände, auf denen es beruht, im Laufe der Zeit wechseln (Einheitstheorie, vgl. insbesondere das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1265/29 vom 29. Juli 1931, Slg. Bd. 29 S. 221, Reichssteuerblatt 1931 S. 852). Der erkennende Senat hält an dieser Auffassung fest. Das Verbot, Absetzungen für Abnutzung vorzunehmen, gilt daher uneingeschränkt für den ganzen einmal aktivierten Geschäftswert.
Zu Unrecht beruft sich die Bfin. auf die Ausnahme von dem Abschreibungsverbot, die die Rechtsprechung für den Praxiswert bei den Angehörigen der freien Berufe gemacht hat. Der erkennende Senat schließt sich der in den Urteilen des Reichsfinanzhofs VI A 369/28 vom 30. Januar 1929 (Reichssteuerblatt 1929 S. 326), IV 5/38 vom 28. Juli 1938 (Slg. Bd. 44 S. 286, Reichssteuerblatt 1938 S. 955) und IV 102/43 vom 24. Februar 1944 (Reichssteuerblatt 1944 S. 582) vertretenen Auffassung an, daß der sogenannte Praxiswert der freien Berufe etwas grundsätzlich anderes ist als der Geschäftswert eines gewerblichen Unternehmens. Bei dem letzteren steht in der Regel die Leistungsfähigkeit des Betriebes im Vordergrund, die durch sachliche Maßnahmen und Aufwendungen (Reklame, Organisation, Rationalisierung usw.) besonders gesteigert wurde. Die Person des Inhabers oder deren Wechsel spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Der Wert einer freiberuflichen Praxis ist kein Geschäftswert (Unternehmenswert) in diesem Sinne. Er ist ausschließlich personenbezogen und besteht in der Regel nur aus der Summe von Beziehungen, Aussichten und Möglichkeiten, die in entscheidendem Masse auf dem Vertrauen des einzelnen Auftraggebers zu dem Praxisinhaber beruhen und daher in ihrem Fortbestand eng mit seiner Person verbunden sind. Dieses persönliche Vertrauensverhältnis endigt zwangsläufig mit dem Ausscheiden des Praxisinhabers. Was für den Nachfolger verbleibt, ist die Hoffnung, durch persönliche Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit ein neues Vertrauensverhältnis zu schaffen. Mit dem Geschäftswert eines gewerblichen Unternehmens läßt sich dieser sogenannte Praxiswert nicht vergleichen. Da er ausschließlich personenbezogen ist, verflüchtigt er sich verhältnismäßig rasch. Regelmäßige Absetzungen auf ihn können daher in der Regel nicht versagt werden. Die Verschiedenheit der Entstehungs- und Bestimmungsgründe rechtfertigt die verschiedenartige Behandlung des Praxiswerts gegenüber dem gewerblichen Geschäftswert. Es kann daher darin auch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes liegen.
Die Bfin. wendet unter Bezug auf die Ausführungen von Spitaler in Finanz-Rundschau 1955 S. 506 ein, auch bei einem Gewerbetreibenden könne einmal die Möglichkeit gegeben sein, daß der Geschäftswert ausschließlich oder überwiegend personenbezogen sei und sich deshalb beim Unternehmerwechsel ebenfalls rasch verflüchtige. Das Finanzgericht hat in rechtlich nicht zu beanstandender und deshalb für den Senat gemäß § 288 der Reichsabgabenordnung (AO) bindender Weise festgestellt, daß der strittige Geschäftswert im wesentlichen im Betrieb begründet und auf sachliche Entstehungsgründe zurückzuführen sei. Im übrigen wird auf die obengemachten Ausführungen über die Einheit des Geschäftswerts im Gewerbebetrieb verwiesen. Das Finanzgericht hat mit Recht gemäß § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG die Zulässigkeit von regelmäßigen Absetzungen verneint.
Ohne Rechtsirrtum hat das Finanzgericht auch die Abschreibung auf einen niedrigeren Teilwert versagt. Eine Teilwertabschreibung kann nur erfolgen, wenn der einheitliche Mehrwert des Unternehmens nachweislich eine Minderung erfahren hat. Das Finanzgericht hat festgestellt, daß trotz der Eröffnung eines Konkurrenzbetriebes durch den ausscheidenden Gesellschafter die nicht sehr erheblichen Verluste im alten Kundenstamm durch den Zugang neuer Kunden im wesentlichen wettgemacht wurden und daß die Rentierlichkeit des Betriebes nach dem Ausscheiden dieses Gesellschafters eher gestiegen als gesunken ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht eine Minderung des Geschäftswerts verneint hat. Ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten ist nicht zu erkennen. Der Senat ist gemäß § 288 AO an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden.
Fundstellen
Haufe-Index 409077 |
BStBl III 1958, 330 |
BFHE 1959, 151 |
BFHE 67, 151 |
BB 1958, 800 |
DB 1958, 883 |