Leitsatz (amtlich)

Die Verwendung der Bausparsumme vor Ablauf der Sperrfrist zur Finanzierung des Wohnungsbaus eines Angehörigen im Sinne von § 10 StAnpG ist auch dann prämienunschädlich, wenn der Bausparer nicht selbst der Bauherr ist.

 

Normenkette

WoPG 1960 § 2 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat im Dezember 1962 einen Bausparvertrag abgeschlossen und für die Jahre 1962 bis 1966 jeweils 400 DM (insgesamt 2 000 DM) Wohnungsbau-Prämie nach dem WoPG beantragt und erhalten. Sie ist mit ihrem Ehemann Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem der Ehemann eine Bäckerei betreibt. Im Jahre 1965 erteilte der Ehemann der Klägerin dem Sohn schriftlich sein Einverständnis, das Bäckereigebäude aufzustocken, um für sich und seine Familie eine Wohnung zu schaffen, für die ihm ein Dauerwohnrecht eingeräumt werden sollte. Der Sohn beantragte und erhielt die erforderliche Baugenehmigung und nahm zur Finanzierung bei der örtlichen Spar- und Darlehnskasse (Spardaka) ein Darlehen bis zur Höhe von 60 000 DM auf. Zur Sicherung des Kredits wurde eine Grundschuld auf dem Grundstück der Eltern eingetragen. Der Sohn bezog mit seiner Familie die Wohnung und bewohnt sie heute noch. Anläßlich der Aufstockung des Bäckereigebäudes rief die Klägerin die Bausparsumme ab und bat um Überweisung auf das Darlehnskonto ihres Sohnes bei der Spardaka. Als Verwendungszweck gab sie Entschuldung, als Grundstückseigentümer ihren Ehemann und als Wohnungseigentümer ihren Sohn an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sah in der Überweisung der Bausparsumme auf das Darlehnskonto des Sohnes eine prämienschädliche Verwendung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG und forderte die gewährten Wohnungsbau-Prämien zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG führte im wesentlichen folgendes aus: Die Auszahlung der Bausparsumme wäre nur dann nach § 2 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz WoPG unschädlich gewesen, wenn die Klägerin die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet hätte. Das habe sie nicht getan, denn die Überweisung des Geldes auf das Konto ihres Sohnes erfülle die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht. Das hätte allenfalls angenommen werden können, wenn der Sohn als Treuhänder seiner Eltern von diesem Konto deren Baurechnungen bezahlt hätte. Gegen eine derartige Annahme spräche aber der gesamte Geschehensablauf. Der Sohn der Klägerin sei nämlich als Bauherr der Wohnung anzusehen, die er für sich geschaffen habe. So habe er den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung gestellt, der Bauschein habe auf ihn gelautet und das zur Finanzierung der Wohnung erforderliche Darlehen sei ihm gewährt worden. Das zivilrechtliche Eigentum am Grundstück reiche nicht aus, um dem Eigentümer auch die Bauherrneigenschaft zuzusprechen, wenn ihm das eigene wohnwirtschaftliche Interesse fehle und wenn im übrigen die gesamte Initiative zum Bau von einem anderen ausginge. Auch der dinglichen Absicherung des Kredits durch Eintragung einer Grundschuld auf dem Grundstück der Eltern komme keine entscheidende Bedeutung zu. Daher stelle die Weitergabe der Bausparsumme an den Sohn nur eine mittelbare Verwendung der Beträge zum Wohnungsbau dar, und zwar gleichgültig, ob es sich dabei um ein Darlehen oder um eine Schenkung handele.

Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG. Dem Sohn fehle entgegen der Annahme des FG die Bauherrneigenschaft, denn er könne nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks angesehen werden. Das sei aber allein entscheidungserheblich. Sie habe die empfangene Bausparsumme unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbauverwendet. Die von der Bausparkasse ausgezahlten Mittel seien sofort auf das eigens für die Finanzierung eingerichtete Darlehnskonto eingezahlt worden. Durch die Einzahlung sei die Darlehnsschuld reduziert worden. Diese Schuldentilgung genüge den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WoPG. Die Klägerin sei zwar gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin des Grundstücks. Für die Frage der unverzüglichen und unmittelbaren Verwendung ausgezahlter Bausparsummen seien aber die Eheleute als eine Einheit anzusehen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und den Rückforderungsbescheid des FA aufzuheben.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Klägerin waren das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und der Rückforderungsbescheid aufzuheben; denn die vorzeitige Auszahlung der Bausparsumme aus dem Bausparvertrag an die Klägerin ist unschädlich, weil sie die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet hat (§ 2 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz WoPG).

Mit Urteil vom 4. Juni 1969 VI R 277/67 (BFHE 96, 293, BStBl II 1969, 639) hat der BFH entschieden, daß eine prämienunschädliche Verwendung von Bausparbeiträgen auch dann vorliege, wenn sich der Bausparer vor Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist an der Finanzierung des Erwerbs eines Mehrfamilienhauses beteilige, damit Angehörige im Sinn des § 10 StAnpG in dem erworbenen Haus unverzüglich eine Wohnung beziehen können. Ausschlaggebend war dabei die Überlegung, daß es keinen vernünftigen Grund dafür gibt, dem Abtretungsempfänger den prämienunschädlichen Wohnungsbau für Angehörige des Bausparers zu gestatten, es aber als prämienschädlich anzusehen, wenn der Bausparer sich an der Finanzierung des Baues eines Mehrfamilienhauses mit dem Ziel beteiligt, darin eine Wohnung für seine Angehörigen zu erhalten. Danach ist es auch prämienunschädlich, daß die Klägerin die Aufstockung des Hauses nicht für ihre eigenen Wohnzwecke, sondern für die ihres Sohnes mitfinanzierte. Die Untersuchungen und die Feststellungen des FG zur Frage der Bauherrneigenschaft des Sohnes sind durch das BFH-Urteil VI R 277/67 unerheblich für die Entscheidung geworden. Soweit sie auf dem BFH-Urteil vom 30. April 1965 VI 29/64 (BFHE 86, 507, BStBl III 1966, 533) beruhen, hält der Senat an den in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätzen nicht mehr fest. Da im übrigen die Entschuldung im Zusammenhang mit der Schaffung von Wohnraum unschädlich ist, mußte die Revision der Klägerin Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413342

BStBl II 1973, 719

BFHE 1973, 491

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