Entscheidungsstichwort (Thema)

(Pensionsrückstellung: Aufschiebend bedingte Zusage auf Witwenversorgung an den Ehegatten - Regelungsbereich des § 6a Abs.3 Satz 1 Nr.1 Satz 4 EStG)

 

Leitsatz (amtlich)

Verspricht ein Einzelunternehmer seinem Arbeitnehmer-Ehegatten im Rahmen einer im übrigen steuerlich anzuerkennenden Pensionszusage eine Witwenversorgung oder Witwerversorgung unter der Voraussetzung, daß der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versorgungsfalles nicht mehr Inhaber des Unternehmens ist, so ist die Anwartschaft auf diese Versorgung nur dann in die Bildung der Rückstellung für die Pensionsverbindlichkeit einzubeziehen, wenn bei einer Betriebsveräußerung durch den Arbeitgeber-Ehegatten mit einer Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch den Erwerber zu rechnen ist.

 

Orientierungssatz

1. § 6a Abs.3 Satz 1 Nr.1 Satz 4 EStG regelt spätere Veränderungen in der Höhe einer dem Grunde nach anzuerkennenden Pensionszusage, nicht aber den qualitativen Umfang des Pensionsversprechens.

2. Eine aufschiebende Leistungsbedingung bei einem Pensionsversprechen muß das Entstehen einer Pensionsverpflichtung und damit die Bildung einer Pensionsrückstellung dann nicht hindern, wenn ihr Eintritt bzw. ihr Fortfall auch für den Arbeitgeber ungewiß ist und nicht von dessen freiem Belieben abhängt.

 

Normenkette

EStG 1981 § 6a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 S. 4

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Die Klägerin bezieht als Einzelunternehmerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Kläger ist in dem Betrieb als Geschäftsführer angestellt.

Mit schriftlicher Vereinbarung vom 15. November 1981 sagte die Klägerin dem Kläger neben einem Ruhegeld als Altersrente oder vorzeitiger Altersrente auch eine Witwenrente für die hinterbliebene Ehefrau zu. Der Anspruch auf die Witwenrente ist danach davon abhängig, daß die Ehefrau im Zeitpunkt des Todes des Klägers nicht mehr Inhaberin des Unternehmens ist. In den Steuerbilanzen der Streitjahre (1982 bis 1984) wurden dementsprechend (auch) für die zugesagte Witwenversorgung gewinnmindernde Pensionsrückstellungen in Höhe von 14 714 DM (1982), 15 493 DM (1983) sowie 19 569 DM (1984) ausgewiesen.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Zusage der Witwenrente sei steuerlich nicht anzuerkennen, weil bei Eintritt des Versorgungsfalles die Klägerin zugleich Verpflichtete und Berechtigte wäre. Es ergingen deshalb --unter gewinnerhöhender Auflösung der für die Witwenversorgung gebildeten Rückstellungen-- geänderte Einkommensteuerbescheide.

Einsprüche und Klage der Kläger blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging zwar aufgrund einer tatsächlichen Verständigung unter den Beteiligten davon aus, daß das zwischen der Klägerin und dem Kläger geschlossene Arbeitsverhältnis steuerlich anzuerkennen sei. Es war jedoch der Auffassung, die Witwenversorgung könne --der Höhe nach-- nicht über eine Pensionsrückstellung berücksichtigt werden. Anzusetzen sei die Rückstellung mit dem Teilwert (§ 6a Abs.3 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Erhöhungen oder Verminderungen der Pensionsleistungen nach dem Schluß des Wirtschaftsjahres, die hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfanges ungewiß seien, seien bei der Berechnung des Barwertes der künftigen Pensionsleistungen erst zu erfassen, wenn sie eingetreten seien (§ 6a Abs.3 Satz 2 Nr.2 i.V.m. Nr.1 Satz 4 EStG). Bei der von der Klägerin sich selbst versprochenen Witwenversorgung seien aber --anders als bei der Alters- und Invalidenversorgung zugunsten des Klägers-- sowohl der Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens als auch ihres Grundes ungewiß. Denn die Versorgung sei davon abhängig, daß die Klägerin nicht mehr Betriebsinhaberin sei.

Ihre hiergegen gerichtete Revision stützen die Kläger auf Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Rückstellungen für die Hinterbliebenenversorgung anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Bildung einer Rückstellung für die Zusage der Witwenversorgung abgelehnt.

Erteilt ein buchführender Gewerbetreibender einem Arbeitnehmer eine Pensionszusage, so kann er für die ihm aus der Zusage erwachsenden Verpflichtungen nach Maßgabe des § 6a EStG mit gewinnmindernder Wirkung eine Rückstellung bilden. Die Rückstellung umfaßt sowohl die übernommenen Verpflichtungen zur Zahlung einer Alters- und Invaliditätsrente als auch die Verpflichtung zur Zahlung einer Witwenrente. Dies gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Gewerbetreibende seinem Ehegatten, der bei ihm als Arbeitnehmer tätig ist, im Rahmen eines steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses eine Pensionszusage erteilt (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 1970 I R 160/70, BFHE 101, 83, BStBl II 1971, 178; vom 29. Januar 1976 IV R 42/73, BFHE 118, 176, BStBl II 1976, 372; vom 7. Februar 1990 X R 63-65/87, BFH/NV 1991, 80; vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336; vom 10. März 1993 I R 118/91, BFHE 171, 53, BStBl II 1993, 604; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 9. Oktober 1991 1 BvR 1406/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1992, 500). Voraussetzung hierfür ist mit Rücksicht auf die besonderen persönlichen Beziehungen der Vertragspartner allerdings u.a., daß die Pensionszusage ernsthaft gewollt ist, insbesondere, daß der Arbeitgeber auch tatsächlich mit der Inanspruchnahme aus der gegebenen Pensionszusage rechnen muß (BFH-Urteil vom 23. November 1988 I R 363/83, BFH/NV 1989, 628; Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 XI R 2/93, BFHE 172, 382, BStBl II 1994, 111; vgl. auch Abschn.41 Abs.11 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1990). Die Finanzverwaltung vertritt darüber hinaus die Auffassung, daß die Bildung einer Pensionsrückstellung zwischen Ehegatten nur für die Zusage einer Alters- und Invaliditätsrente in Betracht komme. Eine Zusage auf Witwen- oder Witwerversorgung sei im Rahmen von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen nicht rückstellungsfähig, da hier bei Eintritt des Versorgungsfalles Berechtigter und Verpflichteter zusammenfielen (vgl. Abschn.41 Abs.11 Satz 6 EStR 1990). Höchstrichterlich ist bislang nicht entschieden, ob dem zu folgen ist; der BFH hat die Frage ausdrücklich offengelassen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 118, 176, BStBl II 1976, 372; vom 21. April 1988 IV R 80/86, BFHE 153, 555, BStBl II 1988, 883; vgl. aber auch BFH-Urteil vom 29. Mai 1984 VIII R 177/78, BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661, unter 1.b; Senatsurteil in BFHE 172, 382, BStBl II 1994, 111).

Auch der Streitfall erfordert hierüber keine abschließende Entscheidung. Soweit sich die dem Kläger gegebene Pensionszusage auf die Witwenversorgung erstreckt, steht sie unter dem Vorbehalt, daß die überlebende Ehefrau bei Eintritt des Versorgungsfalles --der Tod des Klägers-- nicht (mehr) Inhaberin des Einzelunternehmens ist. Das Pensionsversprechen steht insoweit also unter einer (aufschiebenden) Leistungsbedingung, die eine spätere Konfusion von Versorgungsforderung und Versorgungsschuld in der Person der Klägerin gerade ausschließt. Eine solche Bedingung muß das Entstehen einer Pensionsverpflichtung und damit auch die Bildung einer Pensionsrückstellung dann nicht hindern, wenn ihr Eintritt bzw. ihr Fortfall auch für den Arbeitgeber ungewiß ist und nicht von dessen freiem Belieben abhängt (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Kommentar, StR A Rdnr.246 ff.; Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 3.Aufl., 2. Teil Rdnr. 118 f.; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 6a Anm.4; vgl. auch BFH-Urteil vom 6. Oktober 1967 VI 61/64, BFHE 90, 343, BStBl II 1968, 90). Aus der von der Vorinstanz herangezogenen Vorschrift des § 6a Abs.3 Nr.1 Satz 4 EStG folgt nichts anderes. Diese Vorschrift legt lediglich fest, daß Erhöhungen und Verminderungen der Pensionsleistungen nach dem Schluß des Wirtschaftsjahrs, die hinsichtlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens oder ihres Umfanges ungewiß sind, bei der Berechnung des Barwertes der künftigen Pensionsleistungen und der Jahresbeträge erst zu berücksichtigen sind, wenn sie eingetreten sind. Sie bestätigt damit das für die Bewertung der Pensionsrückstellung maßgebliche Stichtagsprinzip (vgl. § 6a Abs.3 Nr.1 Satz 2 Halbsatz 2 EStG), betrifft allerdings lediglich spätere Veränderungen in der Höhe einer dem Grunde nach anzuerkennenden Pensionszusage. Umfaßt diese --neben der Alters- und Invaliditätsversorgung-- auch die Zusage einer Witwenrente, geht es aber nicht um den quantitativen, sondern den qualitativen Umfang des Pensionsversprechens, also um den durch einen bestimmten Versorgungsfall bestimmten Grund der Zusage. Der Regelungsbereich des § 6a Abs.3 Nr.1 Satz 4 EStG bleibt hiervon unberührt.

Eine Leistungsbedingung, die darin besteht, daß der die Versorgung versprechende Arbeitgeber im Zeitpunkt des Versorgungsfalls das Einzelunternehmen nicht mehr betreibt, hat zur Folge, daß der Arbeitgeber --im Streitfall die Klägerin-- in seiner Funktion als Einzelunternehmer zu keinem Zeitpunkt aus der Versorgung --hier die Witwenversorgung-- in Anspruch genommen werden kann. Belastet werden kann hieraus lediglich ein potentieller Nachfolger im Falle einer Betriebsveräußerung. Erfolgt die Betriebsveräußerung in der Weise, daß der Erwerber die Versorgungszusage nicht übernimmt, wird der Betrieb durch diese wirtschaftlich tatsächlich nicht belastet. Wenn in der dem Kläger gegebenen schriftlichen Pensionszusage vom 15. Dezember 1981 die Zahlung der Witwenrente davon abhängig gemacht wird, daß "die hinterbliebene Ehefrau nicht mehr Inhaberin des Betriebes" ist, so ergibt sich hieraus nichts anderes. Diese Formulierung läßt sich nur so verstehen, daß allein die Klägerin, nicht aber --im Falle einer Wiederverheiratung des Klägers-- die neue Ehefrau als Witwe des Klägers begünstigt werden sollte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß bei einer Veräußerung des Betriebs durch den Arbeitgeber-Ehegatten die Verpflichtung aus der Versorgungszusage vom Erwerber übernommen wird, liegen im Urteilsfall nicht vor. Die Verpflichtung der Klägerin erweist sich als wirtschaftlich bedeutungslos und rechtfertigt keine gewinnmindernde Rückstellung in der Bilanz (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 141, 272, BStBl II 1984, 661 für den Fall einer Pensionszusage zugunsten des erheblich jüngeren Arbeitnehmer-Ehegatten).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65349

BFH/NV 1994, 55

BFHE 174, 146

BFHE 1995, 146

BB 1994, 1317

BB 1994, 1317 (LT)

DB 1994, 1400 (LT)

HFR 1994, 585-586 (KT)

StE 1994, 367 (K)

Dieser Inhalt ist unter anderem im Finance Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge