Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, daß bei der Auszahlung einer Tantiemeforderung Lohnsteuer einzubehalten ist, ist kein besonderer Umstand i. S. des § 12 Abs. 1 BewG 1965, der eine Bewertung der Tantiemeforderung unter dem Nennwert rechtfertigt (Bestätigung des BFH-Urteils vom 15. Dezember 1967 III 225/64, BFHE 91, 423, BStBl II 1968, 338).
2. Die Lohnsteuer kann auch nicht bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens nach § 118 Abs. 1 BewG 1965 als Schuld abgezogen werden.
Normenkette
BewG 1965 § 12 Abs. 1, § 118 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden an den hier streitigen Stichtagen zur Vermögensteuer zusammenveranlagt. Dem Ehemann (Kläger), steuerrechtlich Angestellter der A.B. KG (KG), steht aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 7. November 1974 von dem der KG verbleibenden Gewinn ein Vorab von 50 % zu. Die KG zahlt diese gewinnabhängige Tantieme jeweils erst nach Aufstellung der Bilanz aus und führt die auf die Tantieme entfallende Lohnsteuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ab. An den hier streitigen Stichtagen betrugen die Tantiemeforderungen des Klägers am
1. Januar 1975: 1 142 893 DM
1. Januar 1976: 310 062 DM
1. Januar 1977: 453 494 DM
Das FA erfaßte diese Tantiemeforderungen für das am Stichtag jeweils abgelaufene Wirtschaftsjahr (= Kalenderjahr) bei den Vermögensteuerveranlagungen 1. Januar 1975 bis 1. Januar 1977 jeweils mit dem Nennwert als sonstiges Vermögen, ohne die Belastung der Forderungen mit Lohnsteuer zu berücksichtigen. Das FA entsprach nicht dem Begehren des Klägers, für die im Folgejahr jeweils einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge bei der Ermittlung des Gesamtvermögens Schuldposten abzuziehen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, weder könne die gesetzliche Pflicht zur Abführung der Lohnsteuer eine Bewertung der Tantiemeforderungen unter dem Nennwert rechtfertigen (§ 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes -BewG-), noch dürfe die auf die Tantiemeforderungen entfallende Lohnsteuer an den hier streitigen Stichtagen als Schuld gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG abgezogen werden.
Der Kläger rügt mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen materielles Recht. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG seien zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens die Schulden vom Rohvermögen abzuziehen. Diese Regelung sei hinsichtlich der im Folgejahr auf die Tantiemeforderung jeweils einbehaltenen und abgeführten Lohnsteuern anzuwenden. Dem stehe § 105 Abs. 1 BewG nicht entgegen. Die Lohnsteuer sei keine laufend veranlagte Steuer, so daß die Vorschrift des § 105 Abs. 1 BewG schon ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar sei. Im übrigen sei zu beachten, daß die Vermögensteuer das steuerpflichtige Vermögen erfassen solle. Bei Tantiemeforderungen sei dies der dem Tantiemegläubiger ausgezahlte Betrag. Daß nur der Nettobetrag Bestandteil des Vermögens sei, verdeutliche insbesondere der Umstand, daß es ein Kreditinstitut ablehnen würde, die gesamte Tantiemeforderung zu beleihen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vermögensteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, daß bei der Ermittlung des Gesamtvermögens die einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge als Schuldposten berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 12 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Das FG hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. Dezember 1967 III 225/64, BFHE 91, 423, BStBl II 1968, 338) zutreffend ausgeführt, daß die Belastung der Tantiemeforderungen mit der Lohnsteuerschuld einen Wert unter dem Nennbetrag der Forderungen nicht begründen könne. Dem Gesetz ist allerdings nicht ohne weiteres zu entnehmen, was unter dem Begriff "besondere Umstände" zu verstehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung setzt die Annahme von "besonderen Umständen" i. S. des § 12 Abs. 1 BewG voraus, daß es sich um besondere Eigenschaften der Forderung selbst handelt, daß der besondere Umstand der Forderung selbst innewohnen, ihr immanent sein müsse (BFHE 91, 423, BStBl II 1968, 338). In Anwendung dieses Grundsatzes hat bereits der Reichsfinanzhof mit Urteil vom 11. Juni 1941 III 57/41 (RStBl 1941, 701) entschieden, daß die auf einer Tantiemeforderung lastende Einkommensteuer kein Umstand sei, der der Tantiemeforderung selbst innewohnt. Dies gilt seit Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs und des Verlusts des Objektsteuercharakters entsprechend für die Lohnsteuerbeträge, die auf eine Tantiemeforderung einzubehalten und abzuführen sind (BFHE 91, 423, BStBl II 1968, 338). Nur diese Betrachtungsweise trägt dem Umstand Rechnung, daß die Lohnsteuer lediglich eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer ist (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Denn der Lohnsteuerabzug bei Zufluß eines Geldbetrages ist im Ergebnis nur eine in einem besonderen Verfahren erhobene Einkommensteuer-Vorauszahlung. Die unterschiedliche Erhebungsform bewirkt im wesentlichen nur, daß die Einkommensteuer beim Abzug vom Arbeitslohn zeitnäher erhoben wird, als dies durch Einkommensteuer-Vorauszahlungen gemäß § 37 Abs. 3 EStG regelmäßig geschieht. Dieser Umstand allein vermag eine unterschiedliche vermögensteuerrechtliche Behandlung von Tantiemeforderungen nicht zu rechtfertigen. Entscheidend ist, daß die auf der Tantiemeforderung lastende Lohnsteuerschuld nicht endgültig an die Tantieme gebunden, sondern von dieser unabhängig ist und wirtschaftlich lediglich eine Vorauszahlung auf die sich aus dem (Gesamt-) Einkommen errechnende Einkommensteuerschuld darstellt. Tantiemeforderung und Lohnsteuerschuld sind demnach zwei verschiedene und voneinander unabhängige Rechtstatbestände, von denen nicht der eine ein "besonderer Umstand" des anderen i. S. von § 12 Abs. 1 BewG sein kann. Eine abweichende Beurteilung widerspräche auch der Wertung, die der Regelung des § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. § 105 BewG zugrunde liegt. Dort hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des Abzugs von Schulden aus laufend veranlagten Steuern in einer Weise eingeschränkt, die den Abzug eines Schuldpostens im Streitfall nicht zuläßt (vgl. unten zu 2.).
2. Zu Recht hat es das FG abgelehnt, zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens die auf der Tantiemeforderung lastenden Lohnsteuerabzugsbeträge gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG als Schuld vom Rohvermögen abzuziehen. Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewG ist bei der Bewertung von Schulden aus laufend veranlagten Steuern die Vorschrift des § 105 BewG entsprechend anzuwenden. Die - im Vergleich zum Abzug anderer Schulden - engeren Voraussetzungen des § 105 BewG für den Schuldabzug lagen an den hier streitigen Stichtagen hinsichtlich der auf den Tantiemeforderungen lastenden Lohnsteuerschulden nicht vor.
a) Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, die Lohnsteuer sei keine laufend veranlagte Steuer i. S. von § 105 BewG. Laufend veranlagte Steuern i. S. dieser Vorschrift sind solche Steuern, die nach Zeiträumen festgesetzt und erhoben werden. Dies gilt nach der zutreffenden Ansicht von Gürsching/Stenger (Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 118 BewG Anm. 44) auch für Steuern, die jeweils für bestimmte Zeiträume durch Steuerabzug zu entrichten sind, insbesondere also für die Lohnsteuer. Es wäre vom wirtschaftlichen Ergebnis her auch nicht einleuchtend, die Abziehbarkeit der Lohnsteuerschuld als besonderer Erhebungsform der Einkommensteuer anders zu beurteilen als die Abziehbarkeit der Einkommensteuerschuld selbst.
b) Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. § 105 Abs. 1 BewG sind Schulden aus veranlagten Steuern nur abzuziehen, wenn die Steuern entweder spätestens im Veranlagungszeitpunkt fällig geworden sind oder für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitpunkt geendet hat.
aa) Ein Abzug der Lohnsteuer gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 BewG scheidet im Streitfall offensichtlich deshalb aus, weil die Lohnsteuerschuld an den jeweiligen Stichtagen mangels Entstehens noch nicht fällig sein konnte. Gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG entsteht die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Die Tantiemen flossen dem Kläger jedoch erst nach Aufstellung der Bilanz in dem dem jeweils streitigen Stichtag folgenden Kalenderjahr zu. Die Lohnsteuer entstand mithin jeweils erst nach dem jeweiligen Veranlagungszeitpunkt und konnte demzufolge an den hier streitigen Stichtagen noch nicht fällig sein.
bb) Ein Abzug der Lohnsteuer gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 2 BewG scheitert ebenfalls daran, daß die Lohnsteuer auf die Tantiemeforderungen jeweils nach Zufluß der Tantieme, also erst nach dem jeweils streitigen Veranlagungszeitpunkt entstand. Es fehlt demnach an der Voraussetzung, daß die Lohnsteuer für einen Zeitraum erhoben wurde, der spätestens am Veranlagungszeitpunkt geendet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 75018 |
BStBl II 1984, 539 |
BFHE 1984, 500 |