Leitsatz (amtlich)
Werden Kommanditanteile schenkweise mit der Maßgabe übertragen, daß der Schenker ihre Rückübertragung jederzeit ohne Angabe von Gründen einseitig veranlassen kann, dann ist der Beschenkte steuerrechtlich nicht als Mitunternehmer anzusehen.
Orientierungssatz
1. Wenn die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gesellschaftsanteil einerseits und die formelle (zivilrechtliche) Inhaberschaft andererseits auseinanderfallen, dann ist derjenige als Gesellschafter anzusehen, bei dem die tatsächliche Sachherrschaft liegt.
2. Der Begriff des Wirtschaftsguts in § 39 AO 1977 ist weit auszulegen; auch ein Gesellschaftsanteil kann darunterfallen (vgl. BFH-Urteil vom 5.6.1986 IV R 53/82).
3. Das Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit für Verträge zwischen nahen Angehörigen (hier: zwischen Ehegatten) ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfG-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1974 § 15 Nr. 2; GG Art. 3, 6; AO 1977 § 39
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin --eine KG-- (KG) wurde 1971 gegründet. Persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin war die R-GmbH (GmbH --Gesellschafter: N R und die Beigeladenen zu 1, 3 und 5--). Kommanditist war N R und nach seinem Tode im September 1972 dessen drei Söhne --die Beigeladenen zu 1, 3 und 5--. Am 29.Dezember 1972 übertrugen die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 ihre Kommanditanteile mit Wirkung vom 1.Januar 1973 an schenkweise auf ihre Ehefrauen --die Beigeladenen zu 2, 4 und 6--. Die Löhne der bei der GmbH angestellten Beigeladenen zu 1, 3 und 5 wurden in der Folgezeit als Betriebsausgaben der KG behandelt.
In einem anläßlich einer Betriebsprüfung bekanntgewordenen weiteren Vertrag vom 29.Dezember 1972 hatten die Beigeladenen zu 1,3 und 5 jeweils mit ihrer Ehefrau (Beigeladene zu 2, 4 und 6) u.a. folgendes vereinbart:
"Hiermit mache ich meinem vorgenannten Ehemann das unwiderrufliche und unbefristete Angebot, diesen Kommanditanteil unentgeltlich zurückzuübertragen.
Dieses Angebot kann jederzeit ohne Angabe von Gründen von meinem Ehemann angenommen werden."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, daß aufgrund dieser Vereinbarung die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 auch nach dem 1.Januar 1973 noch als Mitunternehmer der KG anzusehen und die Beigeladenen zu 2, 4 und 6 keine Mitunternehmer geworden seien.
Nach vergeblichem Einspruch gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1974 erhob die KG Klage, mit der sie geltend machte, bei Abschluß des Vertrages vom 29.Dezember 1972 seien sich die Beteiligten darüber einig gewesen, daß die Verpflichtung zur Rückübertragung nur für den Fall gelten sollte, daß sich die Eheleute auseinanderlebten oder geschieden würden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die KG Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der angegriffene Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr 1974 ist rechtmäßig; FA und FG gehen zu Recht davon aus, daß die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 Kommanditisten und Mitunternehmer der KG waren und daß die Zahlungen ihrer Gehälter als Angestellte der GmbH Vergütungen i.S. des § 15 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes 1974 (EStG) darstellen.
1. Mitunternehmer kann grundsätzlich nur sein, wer Gesellschafter einer Personengesellschaft ist (BFH-Beschluß vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751, dort auch zu den Ausnahmen). Dabei kommt es letztlich nicht immer auf die zivilrechtliche Lage an; so kann z.B. der Treugeber, der zivilrechtlich nicht Gesellschafter ist, einkommensteuerrechtlich als solcher angesehen werden (Beschluß in BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751). Im Streitfall sind die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 entsprechend § 11 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), § 39 Abs.2 Nr.1 AO 1977 steuerrechtlich als Kommanditisten anzusehen, weil sie trotz der zivilrechtlichen Übertragung ihrer Anteile tatsächlich ihre Stellung als Kommanditisten der KG nicht aufgegeben haben.
Nach § 39 Abs.2 Nr.1 AO 1977 (und bereits nach § 11 StAnpG, vgl. BFH-Urteil vom 26.Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264, 272) sind Wirtschaftsgüter steuerrechtlich demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Sachherrschaft über sie in der Weise ausübt, daß er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Der Begriff des Wirtschaftsguts in § 39 AO 1977 ist weit auszulegen; auch ein Gesellschaftsanteil kann darunter fallen (vgl. BFH-Urteil vom 5.Juni 1986 IV R 53/82, BFHE 147, 139, 145, BStBl II 1986, 798). Es ist bereits fraglich, ob zwischen den Beigeladenen ein zivilrechtlich gültiger Gesellschaftsvertrag zustande gekommen ist, denn die Vereinbarung der Möglichkeit der Beigeladenen zu 1, 3 und 5, ihre Ehefrauen durch Annahme des Rückübertragungsangebots jederzeit ohne wichtigen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, könnte unwirksam sein (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20.Januar 1977 II ZR 217/75, BGHZ 68, 212; vom 13.Juli 1981 II ZR 56/80, BGHZ 81, 263). Darauf kommt es aber in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an, solange die Beigeladenen von der Gültigkeit der Abmachung ausgegangen sind (§ 41 Abs.1 AO 1977). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dies nicht der Fall war. Aufgrund dieser Möglichkeit, die Ehefrauen jederzeit von einer Einwirkung auf ihren Kommanditanteil endgültig auszuschließen, waren die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 jedoch von Anfang an (1.Januar 1973) tatsächlich (wirtschaftlich) in der Lage, ihren Ehefrauen eine Einwirkung auf den Kommanditanteil zu verwehren.
Es kommt entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf an, daß die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BFH-Urteil vom 29.Januar 1976 IV R 73/73, BFHE 118, 189, BStBl II 1976, 324, Mitunternehmerschaft verneinend bei Befristung der Gesellschafterrechte). Die Ehefrauen (Beigeladenen zu 2, 4 und 6) konnten praktisch von den ihnen formell übertragenen Rechten nur insoweit Gebrauch machen, wie die Interessen der Ehemänner (Beigeladenen zu 1, 3 und 5) nicht berührt wurden. Anderenfalls riskierten sie die Annahme des Rückübertragungsangebots. Das läuft darauf hinaus, daß sie nur wie auf Weisung ihrer Ehemänner handeln konnten. Der Umstand, daß ihre Rechte als Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) nicht eingeschränkt waren, fällt demgegenüber nicht ins Gewicht. Der Senat sieht in dieser Sachverhaltsgestaltung einen entscheidenden Unterschied zu der einmaligen Kündigungsmöglichkeit im Falle des Urteils in BFHE 119, 421, BStBl II 1976, 678.
Das FG ist zwar davon ausgegangen, daß das Rückübertragungsrecht nur für den Fall bestand, daß die Eheleute sich auseinanderlebten oder geschieden würden. Diese Einschränkung ist aber steuerrechtlich unbeachtlich, weil die für Vereinbarungen unter nahen Angehörigen erforderliche Eindeutigkeit und Klarheit fehlt (zu dieser Voraussetzung allgemein BFH-Urteil vom 13.November 1986 IV R 322/84, BFHE 148, 168, BStBl II 1987, 121, m.w.N.). Ein Mangel ist in dieser Hinsicht bereits die Formlosigkeit der mündlichen Nebenabrede zu einer im übrigen notariell beurkundeten Vereinbarung, für die nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) keine Begründung vorgetragen ist. Dies fällt um so mehr ins Gewicht, als die notariell beurkundete Vereinbarung durch die mündliche Ergänzung wesentlich eingeschränkt wird. Die mündliche Nebenabrede läßt sich mit der Formulierung "Dieses Angebot kann jederzeit ohne Angabe von Gründen von meinem Ehemann angenommen werden" nicht vereinbaren. Mangelnde Eindeutigkeit ergibt sich weiter --wie das FG zu Recht annimmt-- aus der Undeutlichkeit der Bedingung des "Sichauseinanderlebens" für die Annahme des Angebots. Ob der Begriff familienrechtlich zu verstehen ist --wie die Revision vorträgt-- und ob die Nebenabrede nur den Zweck hatte, fremde Dritte von einem Einfluß auf die KG auszuschließen, hätte im Rahmen der Absprache festgelegt werden müssen. Dafür ist aber nichts vorgetragen oder festgestellt. Nach den Feststellungen des FG ist auch nicht vorgetragen worden, daß die benannten Zeugen dies bestätigen würden.
Mit der Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 76 FGO), weil es die benannten Zeugen nicht vernommen habe, kann die Revision nicht gehört werden. Es ist nicht dargelegt, inwiefern sich die Vernehmung der Zeugen auf die Entscheidung des FG auswirken könnte (zu diesem Erfordernis vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 120 Rdnr.40). Das FG hat im übrigen die Behauptung, daß vom Rückübertragungsanspruch nur Gebrauch gemacht werden sollte, wenn "sich die Eheleute auseinanderlebten oder geschieden werden" als wahr unterstellt. Ob die Zeugen weiteres bekunden sollten, ist weder vorgetragen noch sonst vom FG festgestellt. Ergänzendes Vorbringen kann in diesem Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden (§ 118 Abs.2 FGO).
Entgegen der Ansicht der Revision ist ferner nicht entscheidend, ob ein Mitgesellschafter oder ein "Außenstehender" die Möglichkeit des Hinauskündigens hatte (vgl. BFH-Urteil vom 5.Juli 1979 IV R 27/76, BFHE 128, 375, BStBl II 1979, 670). Wenn die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gesellschaftsanteil einerseits und die formelle (zivilrechtliche) Inhaberschaft andererseits auseinanderfallen, dann ist derjenige als Gesellschafter anzusehen, bei dem die tatsächliche Sachherrschaft liegt. Dieser Umstand macht ihn aus einkommensteuerrechtlicher Sicht zum Gesellschafter; ob er es abgesehen davon bereits war, ist gleichgültig.
2. Waren die Beigeladenen zu 2, 4 und 6 keine Gesellschafter der KG (ein wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis scheidet im Streitfall aus, vgl. dazu Beschluß in BFHE 141, 405, 439, BStBl II 1984, 751), konnten sie auch keine Mitunternehmer im Rahmen der KG sein.
Im übrigen hat der BFH wiederholt darauf hingewiesen, daß Mitunternehmerinitiative und -risiko nicht gegeben sind, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft zu einem beliebigen Zeitpunkt aus der Gesellschaft wieder hinausgekündigt werden kann (Urteile vom 29.April 1981 IV R 131/78, BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663; vom 15.Oktober 1981 IV R 52/79, BFHE 135, 179, BStBl II 1982, 342, und Urteile vom 10.November 1987 VIII R 166/84, BFHE 152, 325, 328, und VIII R 44/85, BFH/NV 1988, 360).
Die Mitunternehmerinitiative war durch die Möglichkeit, das Übertragungsangebot jederzeit anzunehmen, praktisch bis zur Weisungsgebundenheit eingeschränkt. Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Ehemänner (Beigeladene zu 1, 3 und 5) bereits als Geschäftsführer eine sehr starke Stellung innehatten.
Auch das Mitunternehmerrisiko war durch die Verpflichtung zur entschädigungslosen Rückübertragung nach beiden Seiten (Verlust und Gewinn) sehr eingeschränkt. Die Gewinnbeteiligung der Ehefrauen (Beigeladenen zu 2, 4 und 6) gleicht unter diesen Umständen einer Vorwegabtretung des Gewinnanteils, sofern er den Ehefrauen tatsächlich zugeflossen sein sollte. Für die Vereinbarung eines stillen Gesellschaftsverhältnisses (vgl. dazu Urteil in BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663) gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte.
3. Die an die Ehemänner (Beigeladenen zu 1, 3 und 5) gezahlten Gehälter sind keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs.4 EStG), sondern Vergütungen i.S. des § 15 Nr.2 EStG. Nach den Feststellungen des FG waren die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 Angestellte der GmbH und erfüllten als solche die Geschäftsführerverpflichtungen der GmbH gegenüber der KG. Es ist nicht ersichtlich, daß die KG den Beigeladenen gegenüber unmittelbar verpflichtet war, deren Gehälter zu zahlen. Wenn Zahlungen an die Beigeladenen zu 1, 3 und 5 geleistet sein sollten, dann geschah dies in Erfüllung einer Verpflichtung der KG gegenüber der GmbH gemäß § 6 Abs.4 des Gesellschaftsvertrages ("Die geschäftsführende Gesellschafterin erhält für ihre Tätigkeit eine angemessene monatliche Vergütung, ..."). Diese Zahlungen an die persönlich haftende Gesellschafterin der KG konnten deren Gewinn nicht mindern.
4. Das FG hat mit seiner Entscheidung weder Art.3 noch Art.6 GG verletzt. Die Verneinung der Mitunternehmereigenschaft der Beigeladenen zu 2, 4 und 6 gründete nicht in ihrer Eigenschaft als Ehefrauen der Beigeladenen zu 1, 3 und 5, sondern in der Nebenvereinbarung vom 29.Dezember 1972. Diese hätte auch unter fremden Dritten die Mitunternehmerschaft ausgeschlossen. Das Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit für Verträge zwischen nahen Angehörigen ist mit dem GG vereinbar (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22.Juli 1970 1 BvR 285/66 u.a., BVerfGE 29, 104, 118, BStBl II 1970, 652, und vom 2.Oktober 1984 1 BvR 123/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 237).
Fundstellen
Haufe-Index 62525 |
BFH/NV 1989, 46 |
BStBl II 1989, 877 |
BFHE 157, 508 |
BFHE 1990, 508 |
BB 1989, 2236-2237 (LT) |
DB 1989, 2413-2414 (LT) |
DStR 1989, 706 (KT) |
HFR 1990, 83 (LT) |