Entscheidungsstichwort (Thema)
Unentgeltliche Übertragung eines Kapitalanteils an einer OHG von der Mutter auf den Sohn
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der objektiven bzw. subjektiven Bereicherung, wenn ein Kapitalanteil an einer OHG von der Mutter auf den Sohn übertragen wird. Die vom neuen Teilhaber eingebrachte Arbeitskraft kann nicht zur Verneinung der subjektiven Voraussetzung der freiwilligen Zuwendung und damit zur Steuerfreiheit führen. Im Streitfall war zu entscheiden, ob eine freigebige Zuwendung oder die Erfüllung einer früher begründeten Verbindlichkeit vorlag.
Normenkette
ErbStG 1951 § 3 Abs. 1 Nr. 2
Gründe
Im Jahre … hatte der Vater des Bf. zu 1 (des Herrn L. X. = Sohn) mit seinem Bruder eine OHG gegründet. Nach dem Testament vom …, in dem der Vater des Bf. zu 1 und seine (des Vaters) Ehefrau – die Bfin. zu 2 (Frau G. X. – Mutter) – sich gegenseitig und ihre Kinder als Erben des längstlebenden Ehegatten eingesetzt hatten, ist die Bfin. zu 2 Alleinerbin geworden. Im Vollzug des Testaments schloß die Bfin. zu 2 mit ihrem Schwager, dem Kaufmann P. X., „unter Beitritt” des Bf. zu 1 am … 1941 einen ergänzenden Vertrag (Gesellschaftsvertrag), nach dessen Einleitung die „Absicht” bestand, späterhin den Bf. zu 1 als Gesellschafter in die OHG aufzunehmen.
Die im Streitfall wesentlichen Bestimmungen dieses Vertrags lauten:
§a
„Es ist in Aussicht genommen, Herrn L. X., den Sohn des bisherigen Gesellschafters E. X. und der jetzigen Gesellschafterin, Frau G. X., als persönlich haftenden vertretungsberechtigten Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen. …
Wenn Herr L. X. das 30. Lebensjahr erreicht hat, tritt er mit diesem Tage als persönlich haftender vertretungsberechtigter Gesellschafter in die Firma ein.
Seine Mutter wird ein Drittel ihres Kapitalguthabens mit der dem abgezweigten Teil anhängenden Gewinnbeteiligung zu seinen Gunsten abzweigen zu Bedingungen, die sie mit ihrem Sohne selbst zu vereinbaren hat. Frau G. X. tritt mit dem Eintritt ihres Sohnes L. X. aus der Gesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin aus und wird fortan mit ihrem restlichen Kapitalanteil als stille Gesellschafterin unter Fortbestand des auf diesen stillen Geschäftsanteil entfallenden Gewinnbezuges und des Entnahmerechtes weiterhin beteiligt.
…
Für den Fall des vorzeitigen Todes von Herrn P. X. hat Herr L. X. das Recht des sofortigen Eintritt als Gesellschafter nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen.”
Dementsprechend schloß die Bfin. zu 2 mit ihren drei Söhnen – darunter also auch dem Bf. zu 1 – am … 1956 einen Vertrag (internen Vertrag), u.a. mit folgenden Vereinbarungen:
„§b
Frau G. X. war früher an der offenen Handelsgesellschaft in Firma Gebrüder L. X. als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt. Sie ist nach dem Eintritt ihres Sohnes L. X. in dieser Eigenschaft aus der Gesellschaft ausgeschieden. Herr L. X. ist seit … 1949 als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft eingetreten. Frau G. X. ist seit dieser Zeit als stille Gesellschafterin an der Gesellschaft beteiligt.
Bei dem Eintritt von Herrn L. X. hat Frau G. X. von ihrem damaligen Kapitalanteil in Gemäßheit des damals bestehenden Gesellschaftsvertrages ein Drittel mit der anhängenden Gewinnbeteiligung zugunsten ihres Sohnes L. X. abgezweigt.
§c
Die Herren L., G. und O. X. sind die zukünftigen gesetzlichen Erben von Frau G. X. Sie vereinbaren hiermit unter Zustimmung ihrer Mutter, der Frau G. X., daß Herr L. X. zum Ausgleich für die ihm von seiner Mutter gemachte Zuwendung bei der künftigen Auseinandersetzung über deren Nachlaß an seine beiden Geschwister G. und O. X. je … DM auszuzahlen hat und zwar in der Weise, wie nach dem hier geltenden Vertrage der den beiden Söhnen G. und O. X. zustehende Anteil an dem Auseinandersetzungsguthaben aus der stillen Beteiligung ihrer Mutter Frau G. X. zur Auszahlung zu bringen und bis zur Auszahlung zu verzinsen ist …, indem dieser Betrag von je … DM dem auf die Herren G. und O. X. auf Grund der Auseinandersetzung zufallenden Anteil an dem Kapitalanteil ihrer Mutter zugeschlagen wird.”
Auf Grund einer Betriebsprüfung im Jahre 1957 bei der OHG sah das FA in der Übertragung eines Teils des Kapitalanteils von der Bfin. zu 2 auf den Bf. zu 1 einen schenkungsteuerptlichtigen Vorgang …
Einspruch und Berufung waren erfolglos.
Auch die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
1. Vorweg sei klargestellt, daß schenkungsteuerrechtlich Gegenstand der Schenkung nicht die Übertragung des (Teils des) OHG-Anteils selbst ist, da die Aufnahme des Bf. zu 1 als Gesellschafter in die OHG auf rein gesellschaftsrechtlichem Gebiet liegt und sich nur durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrags (Umgründung … 1949) zwischen allen Gesellschaftern vollzog. Gegenstand der schenkungsteuerrechtlich allein erheblichen Vermögensverlagerung ist im Streitfall vielmehr … die Übertragung des Kapitalanteils von der Bfin. zu 2 auf den Bf. zu 1, die formlos – wenn auch nur unter Zustimmung aller Gesellschafter – möglich ist. Auf das Urteil des Senats II 207/61 U vom 24. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 442) wird verwiesen. Es ist also zu unterscheiden zwischen Verpflichtungen aus einem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern – z.B. zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters – und möglichen nicht gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen zwischen der Bfin. zu 2 und dem Bf. zu 1 auf Zuwendung des Kapitalanteils an der OHG.
2. Eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1925 setzt objektiv eine Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden und subjektiv nicht die Einigkeit beider Beteiligten, sondern nur den Bereicherungswillen des Zuwendenden voraus, d.h. dessen Bewußtsein, daß der Empfänger auf seine Kosten bereichert werde (RFH III e A 7/32 vom 5. Juli 1934/18. Oktober 1934, RStBl 1935 S. 135, r. Sp.; BFH III 229/52 U vom 25. September 1953, BStBl 1953 III S. 308, 309, 1 Sp.; II 278/58 S vom 22. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 234, 235, 1 Sp. unten). An einer Bereicherung fehlt es, wenn der Bedachte nur das erhält, worauf er einen Anspruch hat. An dem Bereicherungswillen, an der Freigebigkeit fehlt es, wenn der Zuwendende sich zu einer Zuwendung verpflichtet hatte oder doch für verpflichtet halten konnte (RFH V D 6/24 vom 21. November 1924, Slg. Bd. 15. S. 72 ff., 78; BFH II 256/57 U vom 22. Juni 1960, BStBl 1960 III S. 358).
Letzteres gilt aber nur mit der Einschränkung, daß sich die Pflicht nicht auf die Erfüllung eines (noch nicht vollzogenen) Schenkungsversprechens bezieht (RFH V e A 299/27 vom 26. September 1927, Morzek-Kartei, ErbStG 1925, § 3 Abs. 1 Nr. 2 R. 11) oder auch auf eine sonstige rechtliche Verpflichtung, die aber freiwillig und ohne entsprechende Gegenleistung des zu Bedenkenden übernommen worden ist. Denn auch in einem solchen Fall stellt sich die Zuwendung im Enderfolg immer als eine freiwillige dar (RFH V e A 403/27 vom 22. Juli 1927, Mrozek-Kartei, ErbStG 1925, § 3 Abs. 1 Nr. 2 R. 10).
3. Das FG hat diese Rechtsgrundsätze nicht verkannt …
Insbesondere konnte das FG aus den Formulierungen des Gesellschaftsvertrags von 1942 … folgern, daß hierdurch dem Bf. zu 1 noch kein (unmittelbarer) Rechtsanspruch erwachsen war. Wenn man aber aus anderen Bestimmungen dieses Vertrags … dem Bf. zu 1 einen unmittelbaren Rechtsanspruch einräumen wollte, so wäre Gegenstand der entsprechenden Rechtspflicht nur der Anspruch des Bf. gegenüber allen Gesellschaftern auf Aufnahme in die OHG überhaupt durch Einräumung eines Gesellschaftsanteils, nicht aber – worauf es allein ankommen kann – darauf, daß seine Mutter ihm einen Teil ihres Kapitalanteils, und zwar unentgeltlich, zu übertragen hatte. Deshalb ist es für die Bejahung der freigebigen Zuwendung unerheblich, daß die Bfin. bei Abzweigung ihres Kapitalanteils nur in Erfüllung einer ihr von ihrem Schwager „aufgezwungenen vertraglichen Pflicht” gehandelt haben will. Ob die Bfin. zu 2 ihrem Sohn diesen Kapitalanteil unentgeltlich oder entgeltlich zur Verfügung stellen wollte, stand in ihrer freien Entscheidung.
Selbst wenn die Bfin. zu 2 sich schon durch den Vertrag von 1942 verpflichtet hätte, an ihren Sohn den Teilkapitalanteil später ohne Gegenleistung abzuzweigen, so konnte diese Verpflichtung der Ausführung der Zuwendung im Jahre 1949 den Charakter der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit nicht nehmen (RFH V e A 403/27 a.a.O.).
Daraus aber, daß bei Ausführung der Zuwendung im Jahre 1949 Vereinbarungen über die Bedingungen der Übertragung des Kapitalanteils unstreitig gerade nicht getroffen wurden, obwohl dies in §a Abs. 3 des Vertrags von 1941 vorgesehen war, also in diesem Zeitpunkt auch keine Gegenleistung festgelegt wurde, konnte das FG ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze folgern, daß eine Gegenleistung zwischen Mutter und Sohn auch nicht beabsichtigt war. Das Fehlen einer ernstlich gewollten Rückzahlungsverpflichtung wird auch durch den internen Vertrag zwischen Mutter und Söhnen von 1956 bestätigt, wonach der Bf. zu 1 gerade wegen der Abzweigung des Kapitalanteils im Rahmen der künftigen Erbauseinandersetzung seinen beiden Brüdern im Interesse der materiellen Gleichstellung entsprechende Ausgleichsbeträge zu zahlen hatte. Die Übertragung des Kapitalanteils diente im Ergebnis der Vorwegbefriedigung künftiger Erbansprüche des Bf. zu 1 und war deshalb als unentgeltliche Zuwendung gedacht. Dies entspricht auch den Erfahrungen des täglichen Lebens. Die gesamten Umstände, nicht zuletzt die vom FG festgestellte gute Ertragslage der Firma im Zeitpunkt der Zuwendung, lassen darauf schließen, daß die Beteiligten sich der wirtschaftlichen Folgen der Zuwendungen bewußt waren, die Bereicherung also subjektiv gewollt haben, da mit dem Übergang der Schuldenhaftung und Mitverantwortung von der Bfin. zu 2 auf den Bf. zu 1 mit Eintritt in die Firma ein insoweit berücksichtigungsfähiges Risiko nicht verbunden war (vgl. RFH III e A 73/33 vom 19. Juni 1935, RStBl 1935 S. 1061). Zwar kann in besonderen Fällen die Übernahme eines Wagnisses den Willen zur Unentgeltlichkeit ausschließen. Der von den Bf. angezogene Fall des Urteils des BFH III 65/51 S vom 15. Mai 1951 (BStBl 1953 III S. 199) besagt wegen des anders gelagerten Sachverhalts für den Streitfall nichts, zumal der Senat damals bereits Einschränkungen bei Vorliegen verwandtschaftlicher Beziehungen mit mutmaßlicher Erbfolge gemacht hat (a.a.O. S. 201, 1 Sp. Mitte). Auch die Einbringung der Arbeitskraft kann – abgesehen davon, daß die Arbeitsleistung der OHG und nicht der Zuwendenden geschuldet wird – jedenfalls dann nicht objektiv den Wert der Bereicherung mindern oder subjektiv die Bereicherungsabsicht ausschließen, wenn dem Bedachten außer der Beteiligung am Gewinn auch eine solche am Betriebs vermögen eingeräumt wird. Denn der Pflicht zur Mitarbeit, Mitverantwortung und Mithaftung steht als Äquivalent bereits die Gewinnerzielungsmöglichkeit gegenüber (RFH III e 18/40 vom 7. November 1940, RStBl 1941 S. 71). Deshalb hat es der RFH für nicht angängig erklärt, daß bei Einräumung einer Beteiligung am Gesamt vermögen die vom neuen Teilhaber eingebrachte Arbeitskraft als wertmindernd abgezogen wird (RFH III e A 7/32 vom 5. Juli/28. Oktober 1934, RStBl 1935 S. 134, 137, 1 Sp. a. E.). Erst recht kann mit dieser Begründung nicht die subjektive Voraussetzung der freigebigen Zuwendung verneint und damit die Steuerfreiheit erreicht werden.
4. Bei der Schenkungsteuer als Stichtagsteuer richtet sich die Ermittlung des Wertes der Zuwendung ausschließlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld, also im Streitfall nach dem Zeitpunkt der Ausführung im … 1949 (§§ 21, 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1925). Spätere Ereignisse, die zu einer Verringerung des Wertes der Zuwendung führen können, müssen unberücksichtigt bleiben.
Schon deshalb mußte das FG im Ergebnis zutreffend die Behauptung der Bf., gemäß mündlicher Vereinbarung im Jahr 1953 solle die Kapitalabzweigung als zinsloses Darlehen behandelt werden, unberücksichtigt lassen. Daß aber dieses „Darlehen” als rückwirkend ab … 1949 vereinbart gelten soll, haben die Bf. selbst nicht behauptet; einer solchen Rückbeziehung müßte auch jedenfalls für die Erbschaftsteuer die steuerliche Wirkung versagt werden (vgl. auch RFH III e A 21/32 vom 14. Juni 1934, RStBl 1934 S. 955, und BFH II 207/61 U vom 24. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 442, 444 zu II, 2).
Wegen des Stichtagsprinzips der Schenkungsteuer muß es schließlich dahingestellt bleiben, ob die mehr als sechs Jahre nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld durch §c des internen Vertrags von 1956 vereinbarten Ausgleichsansprüche der Brüder des Bf. zu 1 als Nachlaßverbindlichkeiten vorweg aus dem Nachlaß der Bfin. zu 2 zu berücksichtigen sind (wie das FG meint) oder ob es sich um eine eigene, bis zur Erbauseinandersetzung über den Nachlaß der Bfin. zu 2 aufschiebend befristete und deshalb steuerlich nach § 22 ErbStG 1951 in Verbindung mit §§ 8, 6, 5 Abs. 2 BewG vorerst nicht zu berücksichtigenden Last des Bf. zu 1 handelt. Selbst wenn sogar – wie die Bf. geltend machen – diese Last bereits im Jahre 1956 als Schuld des Bf. zu 1 selbst entstanden wäre (mit lediglich bis zur künftigen Erbauseinandersetzung herausgeschobener Fälligkeit), so könnte sie jedenfalls im Streitfall – als im … 1949 noch nicht existent – nicht als die Zuwendung mindernde Schuld berücksichtigt werden. …
Fundstellen