Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Einem britischen Staatsangehörigen, der sich eine Kriegsbeschädigung im Jahre 1944 in Burma im Kampf gegen Japan zugezogen hat, kann die Steuervergünstigung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1955 nicht gewährt werden.
Normenkette
KraftStG § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2; GG Art. 3, 25
Tatbestand
Der Kläger ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) britischer Staatsangehöriger und in seiner Erwerbsfähigkeit wegen Beinverletzung um 50 v. H. gemindert. Seine Kriegsbeschädigung hat er 1944 in Burma im Kriege gegen Japan erlitten.
Den beantragten Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer für ein im deutschen Zulassungsverfahren zugelassenes Personenkraftfahrzeug für die Zeit vom 1. Dezember 1957 bis 30. November 1959 lehnte das Finanzamt (FA) durch Verfügung vom 28. Mai 1962 ab, da der Kläger nicht Schwerbeschädigter im Sinne des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG -) sei und auch nicht zu dem sonst durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1955 begünstigten Personenkreis zähle.
Die Sprungberufung stützte der Kläger darauf, daß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG nach dessen Sinn und Zweck und unter Beachtung des auf ihn anzuwendenden Gleichheitssatzes des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) auszulegen sei; überdies falle er unter § 7 Nr. 3 BVG.
Das FG wies die Berufung zurück. Mit der Rb. - jetzt Revision - macht der Kläger im wesentlichen noch geltend, daß der Gesetzgeber auch einem nicht in Europa kriegsbeschädigten alliierten Soldaten die Steuervergünstigung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG nicht bewußt habe versagen wollen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt - wenn auch aus anderen als den vorgetragenen Gründen - zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Steuervergünstigung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1955 kann nur "Schwerbeschädigten im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes und Personen, die den Körperschaden infolge nationalsozialistischer Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen erlitten haben," gewährt werden. Diese Vorschrift ist, wie der Kläger offenbar selbst nicht verkennt, nach ihrem Wortlaut auf ihn nicht anwendbar. Der Senat vertritt zwar in ständiger Rechtsprechung, gerade auch zu § 3 KraftStG, die Auffassung, daß Steuerbegünstigungsvorschriften nicht eng, sondern in Würdigung des jeweils mit der Vergünstigung erstrebten Sinns und Zwecks auszulegen sind (Urteile des BFH II 9/63 U vom 10. November 1965, BFH 83, 602, BStBl III 1965, 718; II 89/64 vom 16. Februar 1966, BFH 85, 302, BStBl III 1966, 319). Der eindeutige Gesetzeswortlaut läßt aber für den Streitfall - wie die folgenden Ausführungen zeigen - Zweifel nicht offen. Eine ausdehnende Auslegung entgegen dem Wortlaut wäre, da die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nur ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn die wörtliche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich widersprechen und erkennbar zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (BFH-Urteile IV 26/62 S vom 21. Februar 1964 zu II 2, BFH 78, 490, BStBl III 1964, 188; II 154/61 U vom 16. Dezember 1964 zu II 1, BFH 81, 374, BStBl III 1965, 134; II 116/63 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 91, BStBl III 1967, 29). Auch dies vermag der Senat - trotz Würdigung der besonderen Umstände des Falles - nicht zu bejahen.
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG setzt zwar nicht voraus, daß der Schwerbeschädigte eine Versorgung nach dem BVG tatsächlich beantragt oder erhalten hat. Es ist vielmehr ausreichend, daß er zu den Personenkreisen gehört, die grundsätzlich Ansprüche nach dem BVG (in der jeweils geltenden Fassung; z. B. in der Fassung vom 7. August 1953 bzw. vom 6. Juni 1956, BGBl I 1953 S. 866 bzw. 1956 S. 469) geltend machen können (konnten). Soweit das BVG nicht ausdrücklich auf deutschen militärischen oder militärähnlichen Dienst abstellt (§ 1 , § 2 Abs. 1, §§ 3, 4 BVG), sind die Ausnahmen genau umgrenzt: Z. B. für Vertriebene im fremden Wehrdienst durch § 2 Abs. 2 BVG, für Deutsche bei Verbündeten durch § 2 Abs. 3 BVG, bei unmittelbaren Kriegseinwirkungen einschließlich Folgewirkungen durch § 1 Abs. 2, § 5 BVG. Danach muß bei Ausländern - außer im Dienst der deutschen Wehrmacht oder im militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation - der Körperschaden in einem von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten sein (§ 7 Nr. 3 BVG = § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG i. d. F. vom 21. Februar 1964, BGBl I 1964 S. 101). Angesichts dieser genauen Umgrenzung des persönlichen Geltungsbereichs des BVG kann nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber sei sich bei der Bezugnahme auf das BVG in § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG der zugleich hierin liegenden genauen Festlegung des kraftfahrzeugsteuerrechtlichen begünstigten Kreises der Schwerbeschädigten nicht bewußt gewesen. Auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift (Begründung zum Entwurf des Verkehrsfinanzgesetzes 1954 - 1955 - Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Drucksache 573 zu Art. 1 in Verbindung mit den änderungsvorschlägen zu Entschließungen des Bundesrats zu Abschn. 1 Abs. 2 einschließlich Drucksache 614 zu Abschn. I Art. 1 Nr. 2 mit Begründung zu II 1) ist hierfür nichts zu entnehmen.
Den Regeltatbestand für die Kraftfahrzeugsteuerbegünstigung Körperbehinderter enthält § 3 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG. Demgegenüber werden gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG durch geringere Voraussetzungen einerseits und durch Vollerlaß andererseits nur bestimmte Personengruppen begünstigt. Dieser Heraushebung ist gemeinsam, daß die Körperschäden dieser Personengruppen beruhen auf spezifischen Unrechtsakten (nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen) oder - hinsichtlich der Schwerbeschädigten im Sinne des BVG - auf solchen Kriegseinwirkungen, die eine besondere Fürsorgeverpflichtung des deutschen Staates auslösen mußten. Geht man von diesen besonderen Verpflichtungen eines Staates gegenüber seinen Schwerbeschädigten aus, so kann es auch nicht als ein sinnwidriges Ergebnis bezeichnet werden, wenn der deutsche Gesetzgeber die Steuervergünstigung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG ausdrücklich auf einen von ihm in besonderer Weise zu betreuenden Personenkreis beschränkt. Das muß auch deshalb als vertretbar hingenommen werden, weil die nicht durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begünstigten Körperbehinderten immerhin - allerdings bei strengeren Voraussetzungen - einen Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG beantragen können. Sollte dieses Ergebnis gleichwohl für unbefriedigend gehalten werden, so muß eine entsprechende änderung des Gesetzes den für die Gesetzgebung zuständigen Organen vorbehalten bleiben.
Auch der Hinweis des Klägers, die Finanzverwaltung selbst habe § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG auch auf andere Personengruppen ausgedehnt, trifft den Streitfall insofern nicht, als die in den Erlassen der Finanzminister der Länder (vgl. z. B. für Nordrhein- Westfalen den Erlaß vom 19. Juli 1962 S 6100-2 VC 2, Deutsche Verkehrsteuer Rundschau 1962 S. 141, Der Betrieb 1962 S. 1064) bezeichneten Personengruppen nach dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst und dem Häftlingshilfegesetz immerhin in entsprechender Anwendung des BVG zu versorgen sind (vgl. §§ 1, 80 des Soldatenversorgungsgesetzes i. d. F. vom 8. September 1961, BGBl I 1961 S. 1685, §§ 1, 33 des Gesetzes über den zivilen Ersatzdienst i. d. F. vom 13. Januar 1960, BGBl I 1960 S. 10 bzw. §§ 1, 47 dieses Gesetzes i. d. F. vom 16. Juli 1965, BGBl I 1965 S. 984; §§ 1, 4 des Häftlingshilfegesetzes vom 25. Juli 1960, BGBl I 1960 S. 578). über diesen insoweit anders gelagerten Sachverhalt hat der Senat nicht zu entscheiden.
Die Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG durch FA und FG widerspricht auch nicht dem Gleichheitssatz. Zwar gilt Art. 3 GG als allgemeines Menschenrecht auch für Fremde (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG "Alle Menschen" und Art. 3 Abs. 3 GG "Niemand"). Jedoch hat das GG selbst ausdrücklich Differenzierungen in persönlicher Hinsicht nach der Staatsangehörigkeit vorgenommen (vgl. Art. 8, 9. 11, 12 Abs. 1, 33, 38 GG). Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur verbietet Art. 3 GG es dem Gesetzgeber nicht, sachliche Unterschiede zwischen deutschen Staatsangehörigen und Fremden zu machen (vgl. BVerfGE Bd. 18 S. 441, 452, BStBl I 1965 S. 186, 189; BVerfGE Bd. 3 S. 235, 236; BVerwG VII C 180/63 vom 24. September 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 150, 151 rechte Spalte; Bonner Kommentar zum Grundgesetz Art. 3 Anm. II a) und entsprechend Fremden nicht dieselben Vergünstigungen wie deutschen Staatsangehörigen einzuräumen; dies allerdings unter der Voraussetzung, daß eine solche Unterscheidung durch sachgerechte Gründe gerechtfertigt ist (vgl. außer Entscheidung BVerwG VII C 180/63 a. a. O. Entscheidung des Badischen Verwaltungsgerichtshofs 50/51 vom 29. November 1952, Deutsches Verwaltungsblatt 1953 S. 242; Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs OS IV 16/58 vom 16. September 1960, Deutsche Gemeindesteuer-Zeitung 1961 S. 171, 172 rechte Spalte; Urteil des BFH VI 92/62 U vom 16. August 1963, BFH 77, 456, BStBl III 1963, 486; Giese-Schunck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 7. Aufl., Art. 3 Anm. II 1; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Art. 3 Anm. II 7; Ipsen bei Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, II. Bd. S. 111 ff., 134, Fußnote 79).
Erkennt man an, daß dem durch das BVG festgelegten Kreis der Schwerbeschädigten aus besonderer Verpflichtung des deutschen Staates besondere Fürsorgerechte erwachsen sind, so muß hierin auch die sachliche Rechtfertigung dafür entnommen werden, daß ohne Verstoß gegen Art. 3 GG nur diese Personengruppen durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG in besonderer Weise kraftfahrzeugsteuerrechtlich begünstigt worden sind. Im übrigen handelt es sich, wie der bereits obenangegebene, in §§ 1 - 7 BVG normierte Kreis der Kriegsopfer - auch solcher nicht deutscher Staatsangehörigkeit - zeigt, im Kern nicht um den verfassungsrechtlichen Bereich der Staatsangehörigkeit, sondern - jedenfalls überwiegend - um den der besonderen Beziehungen und Verpflichtungen des deutschen Staates zu diesen Kriegsopfern.
ähnliche Erwägungen wie zu Art. 3 GG greifen Platz hinsichtlich der allgemeinen Regeln des Völkerrechts (als Bestandteil des Bundesrechts; vgl. Art. 25 GG). Auch diese Regeln verlangen nicht eine völlige Gleichstellung der Fremden mit den eigenen Staatsangehörigen (vgl. außer BVerfGE Bd. 18 S. 441, 447 ff., BStBl I 1965 S. 186, 187 rechte Spalte ff; BVerwG VII C 180/63 a. a. O.; Entscheidung des Badischen Verwaltungsgerichtshofs 50/51 a. a. O.; Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs OS IV 16/58 a. a. O.; ferner Berber, Völkerrecht, Bd. I § 58, IV S. 380; von der Heyde, Völkerrecht, Bd. I S. 279; Ipsen, a. a. O.; Verdroß, Völkerrecht, 5. Aufl., S. 320, 362; Wengler, Völkerrecht, Bd. II S. 1002 ff., 1005). Angesichts der Gründe, aus denen bereits ein Verstoß gegen Art. 3 GG verneint werden mußte, kann die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG auch nicht als ein Verstoß des Gesetzgebers gegen das auch völkerrechtlich zu beachtende Willkürverbot bezeichnet werden (vgl. hierzu noch Dahm, Völkerrecht, Bd. I S. 503, 505). - Eine Gleichstellung kann zwischenstaatlich ausdrücklich vereinbart sein. Eine solche zwischenstaatliche Regelung ist für den Streitfall nicht ersichtlich. Art. 21 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13. Dezember 1955 (BGBl II 1959 S. 998) ist schon deshalb im Streitfall nicht anwendbar, weil dieses Abkommen, dem der Deutsche Bundestag durch Gesetz vom 30. September 1959 (BGBl II 1959 S. 997) zugestimmt hat, für die Bundesrepublik Deutschland erst am 23. Februar 1965 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 30. Juli 1965, BGBl II 1965 S. 1099; vgl. auch die Mitteilungen des Europarates Februar/März 1965 Nr. 2/3 S. 29 = Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 67 vom 7. April 1965).
Gegen die Ausführungen des FG, der Kläger habe seinen Körperschaden nicht infolge nationalsozialistischer Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen erlitten, hat der Kläger in der Revisionsinstanz keine ausdrücklichen Einwendungen erhoben. Das FG hat seine Auffassung im wesentlichen damit begründet, daß es sich dabei um Maßnahmen gegen bestimmte Personenkreise "aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen" gehandelt haben müsse, daß die Kriegsführung jedoch durch militärische Gesichtspunkte bedingt sei. Auch bei sehr großzügiger Auslegung des Begriffs dieser Maßnahmen könnten jedenfalls in Kriegsmaßnahmen Japans nicht nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen erblickt werden. Auch diese Ausführungen des FG können nicht beanstandet werden.
Andererseits hat das FG nicht geprüft, ob für den Kläger eine Vergünstigung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG in Betracht kommt. Deshalb war die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412428 |
BStBl III 1967, 269 |
BFHE 1967, 61 |
BFHE 88, 61 |