Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Gesamtvermögens bei Wirtschaftsgütern, für die ein Einheitswert festzustellen ist; Abziehbarkeit von Einkommensteuerschulden bei Ermittlung des Gesamtvermögens
Leitsatz (NV)
1. Wirtschaftsgüter, die in die Bewertung eines Betriebsvermögens eingegangen sind, sind für vermögensteuerliche Zwecke bei der Ermittlung des Gesamtvermögens neben dem Einheitswert des Betriebsvermögens nicht ein weiteres Mal mit ihrem Einheitswert anzusetzen.
2. Die zur Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens vom Rohvermögen abziehbaren, vor dem Veranlagungszeitpunkt entstandenen Einkommensteuerschulden sind nicht um den zu erwartenden Anspruch auf anrechenbare Körperschaftsteuer, der auf einem erst nach dem Veranlagungszeitpunkt gefaßten Gewinnverteilungsbeschluß beruht, zu mindern. Eine Abzinsung der abziehbaren Einkommensteuerschuld kommt nicht in Betracht.
Normenkette
VStG § 4 Abs. 1 Nr. 1; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1992 § 12 Abs. 3; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1992 § 105 Abs. 1; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1992 § 114 Abs. 3; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des StÄndG 1992 § 118 Abs. 1 Nr. 1 (nunmehr § 118 Abs. 1 Nr. 1 i.d.F. des StÄndG 1992)
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 9. September 1988 im Wege der Neuveranlagung die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1981 zunächst auf ... DM und schließlich im Einspruchsverfahren mit Entscheidung vom 8. August 1990 ausgehend von einem Gesamtvermögen von nunmehr ... DM auf ... DM fest. Dabei wurde der Einheitswert des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens des Klägers, einer geschäftsleitenden Holding, mit ... DM angesetzt. In dem Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers wurde der auf den Kläger entfallende anteilige Einheitswert einer Beteiligung an der N-KG unter Bezugnahme auf die Ergebnisse einer für das Einzelunternehmen des Klägers durchgeführten Außenprüfung mit ./. ... DM berücksichtigt. Daneben ließ das FA rückständige Einkommensteuerschulden für zurückliegende Jahre in Höhe von insgesamt ... DM zum Abzug vom Rohvermögen zu. In diesem Betrag ist enthalten eine Einkommensteuerschuld für den Veranlagungszeitraum 1980 unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Anrechnung von Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM aus einem nach dem Veranlagungszeitpunkt im Dezember 1981 erfolgten Gewinnausschüttungsbeschluß einer Beteiligungsgesellschft des klägerischen Einzelunternehmens. Die abzugsfähige Einkommensteuerschuld 1980 setzte das FA nach Abzug von Zwischenzinsen und Zinseszinsen nach Maßgabe der dem Bewertungsgesetz (BewG) in der zum Stichtag gültigen Fassung beigefügten Hilfstafel 1 mit 72,525 v. H. des Nennbetrages in Höhe von ... DM mit ... DM an.
Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Aufhebung des angefochtenen Vermögensteuerbescheids auf den 1. Januar 1981. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer sei neben dem Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers zusätzlich noch der Einheitswertanteil des Klägers an der N-KG in Höhe von ./. ... DM zu erfassen. Darauf, daß der negative Einheitswertanteil der Beteiligung an der N-KG bereits in dem Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers miterfaßt worden sei, komme es nicht an, da dies zu Unrecht geschehen sei. Die Einkommensteuerschuld 1980 sei zum Stichtag 1. Januar 1981 auch noch um die angerechnete Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM zu erhöhen. Denn die anrechenbare Körperschaftsteuer beruhe auf einem erst nach dem Stichtag gefaßten Gewinnverteilungsbeschluß.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Das FA habe die Beteiligung des Klägers an der N-KG zutreffend als wirtschaftliche Untereinheit des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens des Klägers angesehen und daher nicht gesondert bei der Ermittlung des Gesamtvermögens der Kläger berücksichtigt.
Zu Recht habe auch das FA die abzugsfähige Einkommensteuerschuld 1980 um die anrechenbare Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM gekürzt.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 114 Abs. 3 und § 118 Abs. 1 Nr. 1 BewG. Bei der Veranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1981 sei der Anteil des Klägers an dem Betriebsvermögen der N-KG noch mit ./. ... DM zu erfassen. Zudem sei das vom FA zugrunde gelegte Gesamtvermögen der Kläger noch um angerechnete Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM zu mindern. Denn bei den zu berücksichtigenden Einkommensteuerschulden hätte die Einkommensteuerschuld für 1980 nicht um die anrechenbare Körperschaft steuergekürzt werden dürfen, da der Anspruch auf anrechenbare Körperschaftsteuer wie auch der Anspruch auf anrechenbare Kapitalertragsteuer auf einem erst nach dem 31. Dezember 1980 gefaßten Gewinnausschüttungsbeschluß beruhe.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1981 vom 9. September 1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 1990 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. a) Die Kläger unterliegen mit ihrem Gesamtvermögen der Vermögensteuer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes -- VStG -- in der zum Veranlagungszeitpunkt gültigen Fassung i. V. m. §§ 114 ff. BewG). Bei der Bewertung des Gesamtvermögens sind nach § 114 Abs. 3 BewG die Wirtschaftsgüter, für die ein Einheitswert festzustellen ist, mit den festgestellten Einheitswerten anzusetzen. Diesem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Einheitswerte wird auch dann entsprochen, wenn Wirtschaftsgüter -- etwa Betriebsgrundstücke oder Beteiligungen an Personengesellschaften -- mit dem für sie festgestellten Einheitswert in den Einheitswert eines Gewerbebetriebs eingehen, der seinerseits der Bewertung des Gesamtvermögens zugrunde gelegt wird. In Abweichung vom Grundsatz der Gesamtbewertung (§ 2 Abs. 1 BewG) ist für die Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens eine Einzelbewertung der anzusetzenden Wirtschaftsgüter vorzunehmen (vgl. § 98 a BewG) und sind Wirtschaftsgüter, für die ein Einheitswert festzustellen ist, mit diesem anzusetzen (§ 109 Abs. 2 BewG). Daher sind Wirtschaftsgüter, die in die Bewertung eines Betriebsvermögens eingegangen sind, für vermögensteuerliche Zwecke bei der Ermittlung des Gesamtvermögens neben dem Einheitswert des Betriebsvermögens nicht ein weiteres Mal mit ihrem Einheitswert anzusetzen, da sie bereits im Einheitswert des Betriebsvermögens enthalten sind.
b) Im Ergebnis zutreffend hat die Vorentscheidung den Einheitswertanteil des Klägers an seiner Beteiligung an der N-KG nicht gesondert neben dem Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers berücksichtigt und damit eine doppelte Erfassung bei der Ermittlung des Gesamtvermögens der Kläger vermieden. Denn der auf den Kläger entfallende Anteil an der N-KG war -- unstreitig -- bereits in dem der Vermögensbesteuerung zugrunde gelegten Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers und damit auch im Gesamtvermögen der Kläger miterfaßt.
c) Entgegen der Revision ist für die vermögensteuerrechtliche Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen ohne Bedeutung, ob der der Bewertung des Gesamtvermögens zugrunde gelegte Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers zutreffend unter Einbeziehung des Werts der Beteiligung des Klägers an der N-KG ermittelt wurde. Dies könnte -- was die Vorentscheidung verkannt hat -- nur in einem Verfahren gegen den den Einheitswert des Einzelunternehmens feststellenden Grundlagenbescheid überprüft werden. Für Zwecke der Vermögensbesteuerung ist der festgestellte Einheitswert des Einzelunternehmens des Klägers bindend (vgl. § 182 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Soweit der Kläger geltend macht, die Beteiligung an der KG sei bei der Ermittlung des Gesamthandsvermögens mit ihrem negativen Einheitswert gesondert zu berücksichtigen, greift er inzidenter auch die mit dem Grundlagenbescheid getroffene Entscheidung, die Beteiligung an der KG gehöre zur wirtschaftlichen Einheit des "Einzelunternehmens", an. Dies ist jedoch im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Folgebescheides unzulässig.
2. a) Bei der Ermittlung des Werts des Gesamtvermögens sind nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i. V. m. § 105 Abs. 1 Nr. 2 BewG (nunmehr § 118 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 BewG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992, BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) Schulden aus laufend veranlagten Steuern von dem Rohvermögen nur abzuziehen, wenn die Steuern für einen Zeitraum erhoben werden, der spätestens im Feststellungszeitpunkt geendet hat.
Für den Abzug einer Einkommensteuerschuld vom Rohvermögen ist grundsätzlich von der Einkommensteuerschuld auszugehen, die für das dem Veranlagungszeitpunkt (§ 5 Abs. 1 VStG) vorangehende Kalenderjahr festgesetzt wurde. Voraussetzung für den Abzug ist, daß der Steuerpflichtige bereits am Stichtag, also zum Veranlagungszeitpunkt, mit der Steuerbelastung rechnen konnte. Dies ist regelmäßig bei Jahressteuern in Höhe der später veranlagten und nicht durch geleistete Vorauszahlungen gedeckten Steuern der Fall (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1994 II R 124/91, BFHE 176, 35, BStBl II 1995, 45).
Für den Streitfall heißt dies, daß die Kläger die auf dem zu versteuernden Einkommen der Kläger beruhende Einkommensteuer 1980 -- ggf. vermindert um Vorauszahlungen -- bei der Ermittlung ihres Gesamtvermögens als Schuldposten abziehen können.
b) Entgegen der Auffassung des FG ist die Einkommensteuer 1980 nicht um den mit dem Gewinnausschüttungsbeschluß vom Dezember 1981 verbundenen Anspruch auf anrechenbare Körperschaftsteuer zu kürzen. Denn der Anspruch auf die zu erwartende anrechenbare Körperschaftsteuer hat ebenso wie der auf anrechenbare Kapitalertragsteuer zum Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1981 noch nicht bestanden.
Zwar ist auf die veranlagte Einkommensteuer die auf einer Gewinnausschüttung beruhende Körperschaftsteuer anzurechnen (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --). Die Frage der Anrechnung der Körperschaftsteuer berührt aber nicht die Entstehung der nach dem zu versteuernden Einkommen veranlagten Einkommensteuer, sondern allein die Steuererhebung. Zudem setzt die Entstehung des Körperschaftsteueranrechnungsanspruchs einen Gewinnausschüttungsbeschluß voraus. Denn erst mit dem Dividendenanspruch der Anteilseigner entsteht auch der damit gekoppelte Anspruch auf anrechenbare Körperschaftsteuer (BFH in BFHE 176, 35, BStBl II 1995, 45).
Die Einkommensteuerschuld 1980 der Kläger darf daher nicht um die erst zu erwartende anrechenbare Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM gemindert werden. Denn der Gewinnausschüttungsbeschluß ist erst nach dem Veranlagungszeitpunkt im Dezember 1981 gefaßt worden. Dem Kläger stand deshalb der mit dem Dividendenanspruch verbundene Anspruch auf anrechenbare Körperschaftsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG) zum Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1981 noch nicht zu.
3. Der Vorentscheidung liegt eine andere rechtliche Beurteilung zugrunde. Sie ist daher aufzuheben.
a) Die Sache ist nicht spruchreif, da der Wert des Gesamtvermögens des letzten, der Neuveranlagung vorangegangenen Veranlagungszeitpunktes nicht festgestellt ist und deswegen nicht geprüft werden kann, ob die für eine Neuveranlagung notwendigen Wertabweichungen vorliegen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 VStG).
b) Im zweiten Rechtsgang wird das FG zusätzlich zu berücksichtigen haben, daß die abziehbare Einkommensteuerschuld 1980 noch um einen weiteren Betrag von ... DM zu erhöhen ist. Um diesen Betrag hat das FA zu Unrecht die Einkommensteuerschuld 1980 zum Veranlagungszeitpunkt 1. Januar 1981 nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 BewG abgezinst. Denn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (z. B. Steuerschulden) entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (vgl. § 38 AO 1977). Von einem späteren Fälligkeitstermin oder einer "Laufzeit" i. S. des § 12 Abs. 3 BewG kann keine Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 421233 |
BFH/NV 1996, 649 |