Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, in welcher Höhe Kosten der Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort in den Zollwert einzubeziehen sind, wenn die Ware mit Lastkraftwagen durch ein Transportunternehmen durchgehend vom ausländischen Versandort über den Einfuhrort hinaus bis zum inländischen Bestimmungsort befördert wird.
Normenkette
ZG § 53 Abs. 3, § 53b; AO § 217
Tatbestand
I. - Streitig ist, wie bei der Zollwertbemessung die Höhe der Lieferungskosten bis zum Einfuhrort zu ermitteln ist, wenn die Ware vom ausländischen Versandort durch Kraftwagen eines Transportunternehmens bis zum inländischen Bestimmungsort befördert worden ist.
Die Bfin. ließ am 8. Mai 1959 beim Zollamt B. eine Begleitscheinsendung mit 20.580 Liter Traubensaft der Tarifnr. 20.07 - A - 3 - g des Zolltarifs (ZT) 1959 zum freien Verkehr abfertigen, den sie in C. (Frankreich) gekauft und durch eine inländische Speditionsfirma in einem Lastkraftwagen-Tankzug über das Grenzzollamt D. eingeführt hatte. Bei der Zollabfertigung legte sie folgende Frachtrechnung der Speditionsfirma vor:
"Fracht C.-Grenze ------------------ 1.731,20 DM incl. aller Nebenkosten Frachtübernahme ab Grenze, 151 km bis E. DM 2,42 per 100 kg, RKT A 15 ----------------- 534,80 DM Fracht DM 11,- per hl insges. --------------- 2.266,-- DM". Dementsprechend meldete sie als Beförderungskosten bis zum Ort der Einfuhr 1.731,20 DM an. Das Zollamt ging jedoch von den Gesamtbeförderungskosten von 2.266 DM aus und zerlegte sie nach dem Anteil der von ihm auf Grund der Bahnkilometer mit 1.045 km ermittelten ausländischen Beförderungsstrecke an der Gesamtbeförderungsstrecke von 1.196 km. Auf diese Weise gelangte es zu 1.979,80 DM an ausländischen Beförderungskosten.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit ihrer Rb. macht die Bfin. folgendes geltend: Eine Schätzung des auf die ausländische Strecke entfallenden Frachtanteils durch Anwendung des Kilometerschlüssels nach § 217 AO, wie sie die Vorinstanzen vorgenommen haben, sei unzulässig. Die angemeldete Auslandsfracht läge an der Spitze aller einst und jetzt geltenden Tarife, so daß für die Errechnung einer noch höheren Auslandsfracht kein Anlaß bestanden habe. Durch die Anwendung des Kilometerschlüssels trete eine Benachteiligung des Zollbeteiligten ein. Nach § 9 der Wertzollordnung (WertZO) komme es darauf an, wie hoch der Betrag der tatsächlich durch die Beförderung der Ware bis zum Einfuhrort entstandenen Kosten sei. Das sei der ihr für die Beförderung bis Grenze in Rechnung gestellte Betrag. Es sei unerheblich, ob der Spediteur bei Aufstellung seiner Rechnung von einer Gesamtkalkulation für Auslands- und Inlandsstrecke ausgegangen sei, denn es stehe fest, daß der auf die Inlandsstrecke entfallende Anteil den Sätzen entspreche, die der Spediteur auf Grund des § 22 des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 17. Oktober 1952 (BGBl 1952 I S. 697) berechnen müsse. Bei einer solchen Berechnung der Inlandsfracht in der gesetzlich vorgesehenen Höhe sei für eine Schätzung kein Raum. Die Fälle, in denen der Einführer mit dem Spediteur einen Gesamtfrachtvertrag unter Aufteilung und gesonderter Berechnung der Auslands- und Inlandsstrecke abschließe, und diejenigen, in denen der Importeur nur für die Auslandsstrecke abschließe und es seinem inländischen Abnehmer überlasse, für die Inlandsstrecke gesondert abzuschließen, könnten nicht unterschiedlich behandelt werden. Selbst wenn man aber annehme, daß das Zollamt berechtigt gewesen sei, im vorliegenden Falle die Auslandsfracht zu schätzen, dann hätte es dabei die Sätze berücksichtigen müssen, die ein Frachtführer berechnen würde, wenn er die Ware nur bis zum Einfuhrort befördert hätte. Auf das Beweisanerbieten der Bfin., daß eine namhafte Transportfirma noch weniger als den angemeldeten Betrag fordere, sei das Finanzgericht zu Unrecht nicht eingegangen. Auf jeden Fall könne man für Kraftfahrzeugtransporte nicht Bahnkilometerentfernungen zugrunde legen, wenn, wie die Bfin. konkret vorgetragen habe, die Straßenkilometer bedeutend geringer seien. Zu dem von der Bfin. verlangten Abzug der deutschen Beförderungsteuer vor Anwendung des Kilometerschlüssels habe die Vorinstanz nicht Stellung genommen. Da die französische Transportmittelsteuer nur auf ausländische Fahrzeuge erhoben werde, sei es zweifelhaft, ob sie zum Zollwert zu rechnen sei, wenn man von der Unterstellung ausgehe, daß die Ware nur bis zur Grenze geliefert werde. In diesem Falle könne man nicht von der Durchführung des Transports durch eine nichtfranzösische Firma ausgehen.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, hat in der mündlichen Verhandlung folgendes ausgeführt: § 9 WertZO stimme mit § 53 des Zollgesetzes (ZG) überein. Man mißverstehe den in § 9 WertZO enthaltenen Begriff der tatsächlich entstandenen Beförderungskosten, wenn man ihn nicht im Zusammenhang mit der Norm sehe und diejenigen Kosten als tatsächlich entstandene ansehen, die die Speditionsfirma für die Beförderung der Ware im Auslande angesetzt habe. § 9 sei eine Vorschrift im Unterabschnitt "Normalpreis" und erläutere diesen. Sie sei nur anzuwenden auf Verträge, die den in § 53 Abs. 2 und 3 ZG gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen entsprächen. § 53 Abs. 3 Ziff. 1 ZG sehe als solche Bedingung vor, daß die Ware dem Käufer im Hafen oder Ort der Einfuhr geliefert werde; Ziff. 2 setze weiter voraus, daß der Verkäufer unter anderem alle Kosten zu tragen habe, die sich auf die Lieferung der Ware bis zum Hafen oder Ort der Einfuhr beziehen. Nur bei Verträgen, die diesen Bedingungen entsprächen, seien die Kosten in tatsächlicher Höhe einzubeziehen. Das sei die Grundlage für § 9 WertZO. Ein Vertrag, der die Lieferung am Einfuhrort vorsehe und die Kosten der Beförderung bis zu diesem Ort ansetze, liege im Streitfalle nicht vor. Es müsse daher ermittelt werden, welche Kosten entstehen würden, wenn am Ort der Einfuhr geliefert würde. Der Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 7. Juni 1957 (Bundeszollblatt - BZBl - 1957 S. 287) habe hierfür ein Schätzungsabkommen empfohlen und zugelassen. Er stelle den Steuerpflichtigen günstiger als die Rechtsvorschriften. Wenn der Steuerpflichtige nicht einverstanden sei, müsse geprüft werden, ob die angemeldeten Kosten die Normalbedingungen erfüllen, wie das der Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 29. Mai 1958 (BZBl 1958 S. 307) vorsehe. Nach Auskunft der französischen Botschaft werde die französische Transportmittelsteuer auch von in Frankreich zugelassenen Kraftfahrzeugen erhoben. Eigentlich müßte man bei der Ermittlung der Frachtkosten die nachgewiesenen Beträge an in- und ausländischer Beförderungsteuer absetzen und die ausländische Steuer dem ausländischen Frachtanteil wieder zuschlagen; fehle ein Nachweis, könne man auch zur Schätzung der ausländischen Steuer die genannten Erlasse anwenden.
Die Bfin. wendet ein, daß praktisch der französische Transportunternehmer besser wegkomme, da er wegen der halbjährigen Pauschalversteuerung pro Tag nur 1/180 des Halbjahressatzes an Transportmittelsteuer zahle, der ausländische Transportunternehmer dagegen für jeden Tag 1/50 des Halbjahressatzes.
Entscheidungsgründe
II. -
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 53 Abs. 3 Ziff. 2 ZG ist bei der Feststellung des Normalpreises zu unterstellen, daß der Verkäufer alle Kosten zu tragen hat, die sich auf die Lieferung der Ware bis zum Hafen oder Ort der Einfuhr beziehen; diese Kosten gehören also auch dann zum Zollwert, wenn sie wie im Streitfalle der Käufer trägt. Das gleiche gilt auch dann, wenn nach § 53b ZG vom Rechnungspreis als Bemessungsgrundlage ausgegangen wird. Diese Unterstellung kann nicht aus ihrem Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des § 53 ZG gelöst werden; wie aus ihm zu entnehmen ist, gehört zu einem der Zollwertnorm entsprechenden Kaufgeschäft auch, daß die Ware dem Käufer im Hafen oder Ort der Einfuhr geliefert wird. Die bei dieser vom Verkäufer am Einfuhrort zu bewirkenden Lieferung tatsächlich entstehenden Kosten sind die zum Zollwert gehörenden Lieferungskosten.
Der vom Gesetz vorgesehene Normalfall liegt nicht vor, wenn eine Ware durch einen Transportunternehmer vom ausländischen Versandort über den Ort der Einfuhr hinaus bis zum inländischen Bestimmungsort befördert wird. Die sich auf die Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort beziehenden Kosten, wie sie § 53 Abs. 3 Ziff. 2 ZG im Auge hat, müssen daher im Falle einer durchgehenden Beförderung ermittelt werden. Nach Auffassung des Senats ist auch hierbei von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles auszugehen, d. h. von den für die tatsächlich zurückgelegte Gesamtstrecke entstandenen Lieferungskosten (Beförderungsentgelt, darin enthaltenen oder gesondert berechneten Steuern, Gebühren u. a.); sie sind der Norm entsprechend aufzuteilen, d. h. es ist festzustellen, welcher Teil der Gesamtkosten auf die Lieferung der Ware bis zum Ort der Einfuhr entfällt.
Die Ermittlung dieser Kosten der Lieferung bis zum Einfuhrort bereitet dann keine Schwierigkeiten, wenn für die Auslandsstrecke ein verbindlicher Tarif besteht. In diesem Fall können in dem sich auf Grund des Tarifs ergebenden Betrag (zuzüglich darin nicht enthaltener ausländischer Steuern, Gebühren usw.) die in den Gesamtkosten enthaltenen Kosten der Lieferung bis zum Einfuhrort gesehen werden. Dagegen kann die Ermittlung dieser Kosten nicht etwa in der Weise geschehen, daß von den Gesamtkosten diejenigen Kosten abgesetzt werden, die sich ergeben, wenn für die Beförderung auf der Inlandsstrecke das nach dem Reichskraftwagentarif zu fordernde Entgelt berechnet wird; denn ein solcher Abzug der auf Grund des inländischen Tarifs für eine Teilstrecke errechneten Kosten würde zu einer Verzerrung der Kosten für die Auslandsstrecke, die mit dem inländischen Tarif nichts zu tun haben, führen. Er würde daher nicht die in Wirklichkeit auf die ausländische Strecke entfallenden Kosten ergeben.
Fehlt ein verbindlicher ausländischer Tarif, so wäre an sich eine Aufschlüsselung der Gesamtkosten in der Weise geboten, daß nicht nur das Verhältnis der Längen der ausländischen und der inländischen Beförderungsstrecke berücksichtigt wird, sondern auch der Umstand, daß die auf die Entfernungseinheit entfallenden Kosten mit der Länge der Beförderungsstrecke abnehmen, d. h. daß auf die Auslandsstrecke ein größerer Kostenanteil entfällt als bei einer Aufteilung nur nach den Streckenlängen. Da jedoch ein bestimmter Maßstab für eine solche genaue Berechnung nicht zur Verfügung steht, muß dieser Kostenanteil geschätzt werden (ß 217 AO). Nach Ansicht des Senats bestehen keine Bedenken, wenn bei dieser Schätzung aus Vereinfachungsgründen und im Ergebnis zugunsten des Zollbeteiligten doch von dem jeweiligen Streckenanteil als Grundlage ohne den sich aus der Kostendegression ergebenden Zuschlag ausgegangen wird, wie es auch die Erlasse des Bundesministers der Finanzen vorsehen. Zu einer solchen dem Gesetz entsprechenden Schätzung bedarf es daher auch nicht der Zustimmung des Zollbeteiligten.
Da sich eine Schätzung der Lieferungskosten bis zum Einfuhrort, wie im Vorstehenden dargelegt ist, aus dem Gesetz rechtfertigt, können die in anderen Rechtsmittelverfahren aufgeworfenen Fragen, ob die in § 109 ZG enthaltene Ermächtigung für den Bundesminister der Finanzen, durch Rechtsverordnung nähere Vorschriften über die Wertverzollung zu erlassen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist und sich §§ 9 und 35 WertZO 1957 im Rahmen dieser Ermächtigung halten, dahingestellt bleiben.
Zutreffend macht die Bfin. jedoch geltend, daß bei einer Aufteilung der Kosten der Gesamtbeförderung nach den Streckenlängen zum Zwecke einer möglichst genauen Schätzung zunächst vom Gesamtbetrag die inländische Beförderungsteuer - soweit sie darin enthalten ist - abzuziehen ist. Das gleiche gilt auch für eine der deutschen Beförderungsteuer ähnliche ausländische Steuer, wie z. B. die französische Transportmittelsteuer sowie für Kosten für die ausländische Ausgangsabfertigung. Sie sind ebenfalls zunächst abzuziehen und erst nach Aufteilung dem auf die Auslandsstrecke entfallenden Betrag an reinem Frachtentgelt wieder zuzuzählen, da diese Kosten, soweit sie nicht im Rechnungspreis enthalten sind, ungekürzt zum Zollwert der Ware gehören. Dabei ist es ohne Belang, daß z. B. ein französischer Frachtführer infolge einer Pauschbesteuerung geringere Abgaben zu entrichten hätte als ein nichtfranzösischer, denn die in den Zollwert einzubeziehenden Lieferungskosten richten sich, wie unter 1. gesagt, nach den tatsächlichen Gegebenheiten des einzelnen Falles. Sie sind demgemäß bei Beförderung durch einen nichtfranzösischen Frachtführer infolge höherer Transportmittelsteuer höher.
Zutreffend ist auch der sich gegen die Zugrundelegung von Bahnkilometern richtende Einwand der Bfin. Die Länge der Beförderungsstrecke auf der Landstraße ist eine wichtige tatsächliche Gegebenheit, die als Ausgangspunkt für die Aufteilung der Beförderungskosten dient. Daher ist diese Strecke zugrunde zu legen.
Fundstellen
Haufe-Index 410106 |
BStBl III 1961, 394 |
BFHE 1962, 354 |
BFHE 73, 354 |