Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerrechtliche Prüfung bei gleichzeitiger Übertragung von Grundstücken und anderen -- nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden -- Gegenständen
Leitsatz (NV)
1. Werden zusammen mit einem Grundstück weitere Gegenstände (körperliche Gegenstände oder Rechte) gegen Entgelt veräußert, die nicht unter den Grundstücksbegriff des §2 GrEStG 1983 fallen, ist der Aufwand für diesen Erwerb regelmäßig nicht zur Gegenleistung zu rechnen, weil insoweit keine Leistung für den Erwerb eines Grundstücks vorliegt. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob die Vertragschließenden eine Gesamtgegenleistung oder Einzelpreise vereinbart haben.
2. Liegt eine Gesamtgegenleistung vor, ist diese nach dem Verhältnis der Verkehrswerte des Grundstücks und der sonstigen Gegenstände aufzuteilen (vgl. Senatsentscheidung vom 13. März 1993 II R 82/89, BFH/NV 1993, 574, 575). Bei der verhältnismäßigen Aufteilung sind grundsätzlich auch Geschäfts- bzw. Firmenwerte zu berücksichtigen, soweit sie mit den übertragenen Gegenständen zusammenhängen und einen bestimmten immateriellen Wert abgelten (vgl. Senatsentscheidung vom 31. Oktober 1973 II R 97/66, BFHE 111, 356, BStBl II 1974, 250).
3. Liegt eine Vereinbarung von Einzelpreisen vor, ist zu prüfen, ob diese in der Zuordnung zu den einzelnen Gegenständen objektiv angemessen erscheinen und steuerlich unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmißbrauchs (§42 AO 1977) anerkannt werden können. Ist einer möglichen Einzelpreisvereinbarung die steuerliche Anerkennung zu versagen, ist -- wie bei einer Gesamtgegenleistung -- eine verhältnismäßige Aufteilung vorzunehmen.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1, §§ 2, 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 123 S. 2, § 68; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloß mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus A sowie B, am 5. Februar 1992 einen notariell beurkundeten Vertrag. Unter Ziff. I. dieses Vertrages heißt es u. a.:
"Gegenstand dieses Vertrages ist die gesamte Beteiligung des ... (Kläger) an der beim Finanzamt X unter dem Namen ,CD` geführten Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, in der bisher ... (Kläger) mit -Anteil, A mit - Anteil beteiligt ist.
Die genannte Beteiligung verkauft ... (Kläger) den dies annehmenden Herren A und B in Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Zum Firmenvermögen gehört der im Grundbuch von Y Blatt ... verzeichnete Grundbesitz: ...
Der -Anteil des Verkäufers (Kläger) wird zu Eigentum den Herren A und B in Gesellschaft Bürgerlichen Rechts übertragen.
...
Für den Anteil des ... (Kläger) an den Grundstücken ... zahlen die Käufer (A und B) einen Kaufpreis von ... insgesamt 42 000 DM.
Gegenstand der Anteilsübertragung ist darüber hinaus der Firmenwert, der sich an dem Gewinn orientiert, der sich dadurch ergibt, daß der Grundbesitz mit zu errichtenden Eigentumswohnungen im time-sharing-Verfahren verkauft wird. Für den Firmenwert -- nachdem der Anteil am Grundbesitz gesondert bezahlt ist -- zahlen die Käufer an den Verkäufer zinslos bis zum 31. Dezember 1994 einen Betrag von DM 4.000.000.
In der Zusammenfassung von Firmenwert und Grundbesitzanteil errechnet sich für jeden der Käufer für das erworbene Gesellschaftsrecht ein Wert von DM 2.021.000."
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte durch Bescheid vom 13. Mai 1992 Grunderwerbsteuer in Höhe von 73 072 DM gegen den Kläger fest.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger u. a. geltend, der -- vom FA in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogene -- "Firmenwert" sei nicht mit den Grundstücken, sondern mit seinem persönlichen Verhandlungsgeschick verbunden. Dieses werde mit der Zahlung abgegolten.
Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer auf 69 323 DM herab und wies den Einspruch im übrigen als unbegründet zurück. Zur Gegenleistung rechnete es dabei den Kaufpreis für die Miteigentumsanteile in Höhe von 42 000 DM sowie als sonstige Leistung die Zahlungen auf den "Firmenwert" abgezinst wegen der zinslosen Stundung bis zum 31. Dezember 1994 auf 3 424 160 DM. Die Zahlungen auf den "Firmenwert" seien Gegenleistung für die Grundstücke, da dieser nach seiner Beschaffenheit unlösbar mit dem Grundbesitz verbunden sei.
Mit der Klage wandte sich der Kläger gegen die Einbeziehung der Zahlung auf den "Firmenwert" in die Bemessungsgrundlage und beantragte, die Grunderwerbsteuer auf 823,53 DM herabzusetzen. Hierzu machte der Kläger geltend, zum "Firmenvermögen" der GbR habe neben Grundstücken ein nicht bilanzierter originärer Firmenwert in Form eines grundstücksunabhängigen Finanzierungsmodells gehört. Die Zahlung auf den Firmenwert sei eine Art Gewinnabschöpfung gewesen. Die GbR habe nennenswertes Vermögen über den Grundbesitz hinaus gehabt. Lediglich 2 240 qm des übertragenen Grundbesitzes seien tatsächlich bebaut worden, nämlich die Grundstücke bei Y. 8 260 qm in Z seien hingegen nicht bebaut worden. Die Grundstücke in Z seien nur bei Gelegenheit der Übertragung seines Gesellschaftsanteils mitveräußert worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, der Vertrag vom 5. Februar 1992 unterliege nach §1 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG 1983) in vollem Umfang der Grunderwerbsteuer, da er sich "ganz überwiegend" auf den Verkauf inländischer Grundstücke beziehe und nicht auf einen "Firmenwert" des Gesellschaftsanteils des Klägers gerichtet sei. Ein vom Kläger geschaffener und mit seinem Anteil an der GbR verbundener Firmenwert habe nicht festgestellt werden können.
Das FG-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 722 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Rechtsanwendung des §1 Abs. 1, §8 und §9 GrEStG 1983 und wendet sich gegen die Feststellung des FG, ein "Firmenwert" der GbR sei nicht feststellbar. Die Einbeziehung des auf den "Firmenwert" gezahlten Betrages von 4 Mio. DM in den Grundstückskaufpreis führe zu einem Grundstückspreis von 7 210,71 DM/qm für ein unbebautes Grundstück in abgelegener Lage. Der Gutachterausschuß habe den Grundstückswert in der strittigen Gemarkung mit 70 DM/qm angegeben. Die Beteiligten seien von 67,85 DM/qm ausgegangen. Mit der Zahlung auf den "Firmenwert" sei die Gewinnerwartung aus dem von ihm, dem Kläger, entworfenen Finanzierungsmodell abgegolten worden. Ohne dieses Modell hätte die A- und B-GbR keine Gewinnerwartung gehabt, weil dieses Modell ausschließlich von seiner Bonität abhängig gewesen sei.
Das FG sei seiner Ermittlungspflicht in bezug auf das Vorhandensein des "Firmenwerts" nicht nachgekommen. Hierzu habe er den A ausdrücklich als Zeugen benannt. Diesen Beweisantrag habe das FG übergangen.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das FG habe in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß ein "Firmenwert" nicht vorgelegen habe. In bezug auf diese Feststellung seien keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht worden.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens am 22. Dezember 1997 einen nach §173 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Grunderwerbsteuerbescheid erlassen und die Steuer auf 80 840 DM mit der Begründung heraufgesetzt, der Kaufpreis für den Firmenwert sei ab dem 16. Dezember 1992 mit 8 v. H. verzinst worden. Der Kläger hat beantragt, diesen Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der am 22. Dezember 1997 ergangene Änderungsbescheid, nachdem der Kläger fristgerecht den -- auch im Revisionsverfahren noch zulässigen (vgl. §123 Satz 2 FGO) -- Antrag nach §68 FGO gestellt hat.
Die Schlußfolgerung des FG, die Zahlung auf den "Firmenwert" sei allein auf die mit der Lage des Grundstücks verbundene Gewinnaussicht erfolgt und deshalb neben dem vereinbarten Kaufpreis ebenfalls in vollem Umfang Gegenleistung für den Erwerb der Miteigentumsanteile an den Grundstücken, wird von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht gedeckt.
Zur Gegenleistung i. S. des §8 Abs. 1, §9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks gewährt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH --, zuletzt Urteile vom 19. Juli 1989 II R 95/87, BFHE 157, 248, BStBl II 1989, 685, und vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BFHE 159, 362, BStBl II 1990, 440, jeweils mit Nachweisen). Aus der Gegenleistung scheiden solche Leistungen des Erwerbers aus, die nicht den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang betreffen, insbesondere also für eine andere Leistung aufgewendet werden als für die Verpflichtung, Besitz und Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen (vgl. hierzu Urteil vom 16. Februar 1994 II R 114/90, BFH/NV 1995, 65). Hierbei ist vom grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriff auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1992 II R 67/89, BFHE 169, 533, BStBl II 1993, 308, 311, m. w. N.).
Werden zusammen mit einem Grundstück weitere Gegenstände (körperliche Gegenstände oder Rechte) gegen Entgelt veräußert, die nicht unter den Grundstücksbegriff des §2 GrEStG 1983 fallen, ist der Aufwand für diesen Erwerb regelmäßig nicht zur Gegenleistung zu rechnen, weil insoweit keine Leistung für den Erwerb eines Grundstücks vorliegt. Für die dafür notwendige Prüfung ist u. a. die Feststellung unumgänglich, welche Gegenstände nach den Vereinbarungen der Vertragsbeteiligten zusammen mit dem Grundstück veräußert werden sollten und tatsächlich auf den Erwerber übergegangen sind. Derartige Feststellungen sind der Vorentscheidung nicht zu entnehmen.
Aus dem notariell beurkundeten Vertrag vom 5. Februar 1992 ergibt sich nämlich nicht mit der erforderlichen Klarheit, wofür der Betrag von 4 Mio. DM gezahlt werden sollte. Das FG hat -- offensichtlich ausgehend von dem insoweit unklaren Wortlaut des Vertrages -- lediglich erörtert, ob ein "Firmenwert" auf die Erwerber übergegangen sein konnte, und dies verneint, ohne zu prüfen, was die Beteiligten mit diesem Begriff gemeint haben, und ohne der Frage nachzugehen, ob der Betrag von 4 Mio. DM möglicherweise (auch) für die Übertragung des Anteils des Klägers an der GbR zwischen ihm und A gezahlt wurde. Für diese Prüfung bestand aber deswegen Veranlassung, weil nach dem Wortlaut des Vertrages (vgl. 1. Absatz des Abschnitts I.) "die gesamte Beteiligung" des Klägers einschließlich des sich am Gewinn orientierenden Firmenwerts (vgl. auch S. 3, 4. Absatz des Vertrages) Vertragsgegenstand sein sollte.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um prüfen zu können, ob die neben dem Grundstückskaufpreis vereinbarte Zahlung von 4 Mio. DM für eine andere Leistung des Klägers aufgewendet wurde als für die Verpflichtung, das Miteigentum an den Grundstücken zu verschaffen (vgl. hierzu Senatsentscheidung vom 8. August 1990 II R 22/88, BFH/NV 1991, 412). Die Feststellung des FG, der Kaufvertrag beziehe sich "ganz überwiegend" auf den Verkauf inländischer Grundstücke, ist insoweit unzureichend.
Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang zunächst festzustellen haben, ob nach den Vereinbarungen der Vertragsbeteiligten neben dem Miteigentum an den Grundstücken Gegenstände, die nicht unter den Grundstücksbegriff des §2 GrEStG 1983 fallen, übertragen werden sollten und tatsächlich auf die A-B-GbR übergegangen sind. Sollte diese Prüfung ergeben, daß neben den Grundstücken keine weiteren Gegenstände an die A-B-GbR veräußert wurden, ist davon auszugehen, daß der Betrag von 4 Mio. DM für den Grundstückserwerb aufgewendet wurde und deshalb als Kaufpreis für die Miteigentumsanteile anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 412).
Sollte die Prüfung ergeben, daß aufgrund des Vertrages vom 5. Februar 1992 neben den Miteigentumsanteilen an den Grundstücken weitere Gegenstände auf die Erwerberin übergegangen sind, ist durch Auslegung des Vertrages (§§133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --; vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Februar 1989 II R 4/86, BFH/NV 1990, 392, 393) zu prüfen, ob die Vertragschließenden für den Übergang der Sachgesamtheit eine -- verhältnismäßig aufzuteilende -- Gesamtgegenleistung (vgl. Senatsentscheidung vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162, 165) oder Einzelpreise vereinbart haben.
Liegt eine Gesamtgegenleistung vor, ist diese nach dem Verhältnis auf die Miteigentumsanteile und die sonstigen Gegenstände zu verteilen, in dem der Wert der Miteigentumsanteile an den Grundstücken zum Wert der sonstigen Gegenstände steht (vgl. Senatsentscheidung vom 13. März 1993 II R 82/89, BFH/NV 1993, 574, 575). Bei der für die verhältnismäßige Aufteilung notwendigen Ermittlung der Verkehrswerte der Grundstücke und derjenigen Gegenstände, die nicht unter §2 GrEStG 1983 fallen, sind grundsätzlich auch Geschäfts- bzw. Firmenwerte zu berücksichtigen, soweit sie mit diesen Gegenständen zusammenhängen und einen bestimmten immateriellen Wert abgelten (vgl. Senatsentscheidung vom 31. Oktober 1973 II R 97/66, BFHE 111, 356, BStBl II 1974, 250). Ist eine Zuordnung nicht möglich oder kann nicht festgestellt werden, daß mit der Zahlung auf einen Geschäfts- oder Firmenwert ein bestimmter immaterieller Wert (z. B. besondere Gewinnerwartungen) abgegolten wurde, muß die für einen Geschäfts- oder Firmenwert vereinbarte Vergütung in dem Verhältnis aufgeteilt werden, in dem Grundstück und sonstige Gegenstände zueinander stehen. Die so errechneten Werte sind den gemeinen Werten der Grundstücke und der übrigen, nicht unter §2 GrEStG 1983 fallenden (körperlichen) Gegenstände oder Rechte hinzuzurechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 111, 356, BStBl II 1974, 250).
Liegt eine Vereinbarung von Einzelpreisen vor, ist zu prüfen, ob diese in der Zuordnung zu den einzelnen Gegenständen objektiv angemessen erscheinen und steuerlich unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmißbrauchs (§42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) anerkannt werden können (vgl. hierzu Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., §8 Tz. 18). Sogenannte Geschäfts- oder Firmenwerte sind bei dieser Prüfung unter den oben genannten Voraussetzungen zu berücksichtigen. Ist einer möglichen Einzelpreisvereinbarung die steuerliche Anerkennung zu versagen, ist wie bei einer Gesamtgegenleistung eine verhältnismäßige Aufteilung vorzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 302861 |
BFH/NV 1998, 1527 |