Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Unterschrift für die schriftliche Klageerhebung
Leitsatz (NV)
Für die schriftliche Klageerhebung reicht es aus, wenn die Klageschrift einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug enthält, der sich durch geschriebene Buchstaben mit eigenen Merkmalen als Unterschrift ausweist. Daß der Namenszug nicht ohne weiteres lesbar und flüchtig geschrieben worden ist, steht dieser Beurteilung nicht entgegen.
Normenkette
FGO § 64 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) greift die Umsatzsteuerbescheide 1985 bis 1989 an, weil der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) aus Rechnungen über Fortbildungskosten u. a. von ... DM (1987), ... DM (1988) und ... DM (1987), . /. ... DM (1988) und ... DM (1989) den Abzug der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer nicht zugelassen hatte. Das FA vertrat die Ansicht, die Fortbildungskurse dienten überwiegend der Persönlichkeitsentfaltung.
Unter dem 10. August 1992 ging beim Finanzgericht (FG) mit Telekopie ein Schreiben ein, das nach einem handschriftlichen Zusatz als Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA vom 5. August 1992 betrachtet werden sollte. Auf dem Schreiben waren ein Stempel des Prozeßbevollmächtigten und ein Zeichen angebracht, das das FG -- nach der Begründung in der Vorentscheidung -- nicht als Unterschrift ansah.
An demselben Tag war einem ebenso unterzeichneten Schreiben mit dem Briefkopf des Prozeßbevollmächtigten eine Vollmacht des Klägers beigefügt, die aber keinen Namen eines Bevollmächtigten enthielt.
Darauf gab der Vorsitzende dem Kläger durch eine am 14. August 1992 zugestellte Verfügung u. a. auf, bis zum 30. August 1992 eine schriftliche Vollmacht mit namentlicher Bezeichnung des Prozeßbevollmächtigten vorzulegen, die Klage durch Angaben zu ergänzen, ob eine denselben Streitgegenstand betreffende Sprungklage aufrechterhalten werde, und die Klage zu begründen. Auf diese Verfügung antwortete der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit einem am 20. August 1992 beim FG eingegangenen Schreiben, in dem er u. a. Ausführungen zur Klagebegründung machte, dem er eine ihn als Prozeßbevollmächtigten bezeichnende schriftliche Vollmacht beifügte und in dem er auf mündliche Verhandlung verzichtete.
Durch Verfügung vom 23. Januar 1995 wies das FG auf Bedenken hin, ob auf der Klageschrift eine eigenhändige Unterschrift i. S. des § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorliege. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers trat den Bedenken des FG entgegen.
Das FG wies die Klage durch Urteil vom 26. April 1995 als unzulässig ab, weil sie nicht schriftlich i. S. von § 64 Abs. 1 FGO erhoben worden sei. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers habe, so führte das FG zur Begründung aus, die innerhalb der Klagefrist eingereichte Klageschrift nur mit einer Paraphe, somit einer Abkürzung seines vollständigen Namens, unterzeichnet, was den Anforderungen an die Schriftlichkeit nicht genüge.
Auf eine Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ließ der Senat die Revision durch Beschluß vom 30. Januar 1996 V B 89/95 (BFH/NV 1996, 683) zu. Mit der Revision rügt der Kläger unter Bezugnahme auf die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde u. a. die Verletzung von § 64 FGO. Die Vorentscheidung sei, so führt er dazu u. a. aus, mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 64 FGO unvereinbar.
Der Kläger begehrt Aufhebung der Vorentscheidung und antragsgemäße Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen, hilfsweise Zurückverweisung an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das Urteil des FG beruht auf fehlerhafter Rechtsanwendung. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen aber nicht abschließend entscheiden.
1. Die Klage ist -- entgegen der Beurteilung durch das FG -- zulässig. Sie ist insbesondere schriftlich erhoben worden. Die nach § 64 Abs. 1 FGO für die Schriftform geforderte eigenhändige Unterschrift ist vorhanden (zu den Anforderungen vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1988 X R 32--34/88, BFH/NV 1989, 505; Übersicht über die Rechtsprechung mit Nachweisen bei Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 64 Anm. 19ff.). Die Klageschrift enthält einen die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug, der sich durch geschriebene Buchstaben mit eigenen Merkmalen als Unterschrift ausweist. Der Name des Prozeßbevollmächtigten, der nur aus drei Buchstaben besteht, ist in voller Länge niedergeschrieben worden. Daß der Namenszug nicht ohne weiteres lesbar und möglicherweise flüchtig angebracht worden ist, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hat der Prozeßbevollmächtigte die Klageschrift nicht nur mit einer Abkürzung seines Namens (Paraphe; vgl. dazu BFH-Beschluß vom 29. November 1995 X B 56/95, BFHE 179, 233, BStBl II 1996, 140), mit einer Linie, mit einem Strich oder einem Haken versehen. Zu diesen die Prozeßvoraussetzungen betreffenden Feststellungen ist das Revisionsgericht selbst befugt und unterliegt nicht den in § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO bezeichneten Einschränkungen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 10. März 1988 IV R 218/85, BFHE 153, 195, BStBl II 1988, 731, zu 2. b; Gräber/Ruban, a. a. O., § 118 Anm. 34).
Die Vorentscheidung des FG, das die Unterzeichnung der Klageschrift durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers statt einer Unterschrift mit dem vollen Namen nur als einen in eine Kurve übergehenden Schrägstrich und einen Punkt beurteilt hat, ist als mit § 64 Abs. 1 FGO unvereinbar aufzuheben. Auf das Vorliegen des vom Kläger gerügten Verfahrensfehlers des FG, das FG hätte den Prozeßbevollmächtigten bei sorgfältiger Ausübung der Pflicht, eine Sachentscheidung zu ermöglichen (§ 76 Abs. 2 FGO), in der am 14. August 1992 zugestellten Verfügung innerhalb der Klagefrist auf die aus seiner Sicht vorhandenen Zweifel an der Einhaltung der Schriftform hinweisen müssen (vgl. dazu BFH in BFH/NV 1996, 683), kommt es somit nicht mehr an.
2. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, weil noch nicht aufgeklärt worden ist, ob der Kläger berechtigt ist, Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Fortbildungsleistungen abzuziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980).
Fundstellen
BFH/NV 1997, 764 |
JurBüro 1999, 277 |