Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der in der aktuellen Berichterstattung für den Fernsehfunk selbständig tätige Kameramann übt in der Regel eine freiberuflich journalistische Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4
Tatbestand
In der Rb. ist nur noch streitig, ob der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) für das Jahr 1958 den Freibetrag für Angehörige der freien Berufe nach § 18 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen kann.
Der Bf. ist im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses als Kameramann beim Fernsehfunk tätig. Er betrachtet sich als Künstler, Bildjournalist oder Bildberichterstatter und dementsprechend seine Tätigkeit als eine freiberufliche im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Die Ausbildung des Bf. und seine Betätigung ist im einzelnen folgende. Der Bf. besuchte die Volksschule und erlernte in einer dreijährigen Lehre das Fotografenhandwerk. Von 1951 bis 1957 arbeitete er bei verschiedenen Filmunternehmen, zuletzt beim Fernsehfunk als Kameraassistent. Seit 1958 ist er für den Fernsehfunk als sog. Kameramann tätig. Er liefert ausschließlich Filmberichte für die Abteilung "Aktuelle Filmberichterstattung"; bei Fernsehschauspielen wirkt er nicht mit. Er erhält für jeden von ihm gewünschten Filmbericht jeweils einen besonderen Auftrag. Den Gegenstand und die Länge der gewünschten Berichte bestimmen die einzelnen Redaktionen der Funkanstalt, die sich wegen der technischen Erstellung des Berichts an das Produktionsbüro wenden, das seinerseits den Kameramann beauftragt.
Der Kameramann wird im Rahmen eines sog. Aufnahmeteams tätig, das aus ihm, einem Kameraassistenten, dem Fahrer und - soweit Berichte mit Tonunterlegung zu erstellen sind - einem Tontechniker besteht. Bisweilen übernimmt auch der Kameramann oder sein Assistent die Aufgaben des Tontechnikers. Der Aufbau des von ihm gewünschten Bildberichtes wird dem Kameramann im einzelnen nicht vorgeschrieben. Für die textliche Besprechung des Filmberichts ist der Kameramann nicht zuständig. Diese obliegt den Redaktionen, die zu diesem Zwecke gleichzeitig mit dem Aufnahmeteam einen Redakteur an den Ort des aktuellen Geschehens entsenden. Der Kameramann hat das Filmmaterial nach Beendigung seines Auftrags im Produktionsbüro abzuliefern, das die Entwicklung und den Schnitt des Filmes besorgt. Beim Filmschnitt wirkt regelmäßig der bereits zu den Aufnahmen entsendete Redakteur mit. Der Kameramann ist bei diesem Vorgang nur gelegentlich anwesend. Er muß jedoch, soweit die Redaktion keinen Redakteur an den Aufnahmeort entsandt hatte, dem Bildmaterial eine Schnittanweisung beifügen.
Das Finanzamt sah diese Tätigkeit des Bf. als gewerbliche an. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1958 versagte es den Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht ließ sich hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten. Die Tätigkeit des Bf. könne nicht als künstlerisch gewertet werden, da er ein Werk nicht um seiner selbst willen schaffe. Der Bf. könne auch nicht als Bildberichterstatter angesehen werden. Der Begriff des Bildberichterstatters erfordere eine im Vordergrund stehende Textgestaltung, während das Bild nur der Ergänzung, der Erläuterung, der Vertiefung und der Deutlichmachung des im Text Gesagten diene. Wie der Bf. selbst erklärt habe, werde die textliche Bearbeitung seiner Aufnahmen nicht von ihm, sondern von der Redaktion seiner Auftraggeberin, vorgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Der Vorinstanz ist darin beizutreten, daß die Tätigkeit des Bf. nicht als künstlerische zu werten ist. Künstlerische Tätigkeit ist nur die selbständige, eigenschöpferische Arbeit, deren Ergebnis nach der Verkehrsauffassung dem Gebiete der Kunst zugerechnet wird. Beim Künstler muß etwas Eigenschöpferisches hinzutreten. Dies ist nicht der Fall, weil der Bf. im Rahmen der Fernsehberichterstattung Filmberichte über aktuelle Ereignisse erstellt. Insoweit kommt nicht der künstlerischen Aussage, sondern dem Nachrichtenwert der Filmberichte die entscheidende Bedeutung zu.
Der Bf. ist ungeachtet dessen, daß er an der Textgestaltung der von ihm hergestellten Bildberichte nicht mitwirkt, als Bildberichterstatter im Sinne der Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 131/51 U vom 27. März 1952 (BStBl 1952 III S. 170, Slg. Bd. 56 S. 439) anzusehen. In diesem Urteil hielt der Senat, einem Gutachten des Deutschen Journalistenverbandes folgend, die Tätigkeit eines Bildberichterstatters nicht für eine solche handwerklicher, sondern journalistischer Natur und führte aus. Die Arbeit des Journalisten bestehe nicht nur in der Lieferung von Ereignisberichten, sondern auch in der Schilderung von Zuständen politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Natur, wobei die Idee des Dargestellten im Mittelpunkt der Berufsarbeit stehe. Das Wesen der Bildberichterstattung erschöpfe sich daher nicht in dem Ergebnis eines technischen Vorganges und in der Handfertigkeit. Was der Berufsarbeit des Bildberichterstatters den journalistischen Charakter gebe, sei die auf individueller Beobachtung beruhende Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwertes. Die Tätigkeit des Bildberichterstatters wirke gestaltend auf den geistigen Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften. Nach alledem erfülle die journalistische Tätigkeit des Bildberichterstatters die Merkmale einer Tätigkeit, die am nächsten der schriftstellerischen Tätigkeit verwandt sei, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob sie in manchen ihrer Begriffselemente auch anderen der im § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführten Tätigkeiten ähnlich sei. Die in selbständiger Arbeit ausgeübte rein journalistische Tätigkeit sei zu den freien Berufen zu rechnen. Ihr Charakter erfahre nicht dadurch eine änderung, daß die zu den Grundelementen der Journalistik gehörende schriftstellerische Tätigkeit durch Nutzbarmachung fototechnischer Hilfsmittel vertieft und erweitert oder teilweise ersetzt werde. Die Entwicklung der Verhältnisse habe dazu geführt, daß sich die Tätigkeit der Bildberichterstatter in zunehmendem Masse dem Beruf der Journalisten angeglichen habe.
Diese Entscheidung bezieht sich lediglich auf für Zeitungen und Zeitschriften tätige Bildberichterstatter. In Fortentwicklung dieser Grundsätze kommt es nach Auffassung des Senats für die Anerkennung eines für das Fernsehen tätigen Kameramanns als freiberuflicher Bildberichterstatter nur auf die auf individueller Beobachtung beruhende Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwerts allein an, nicht darauf, ob und inwieweit der Kameramann bei der textlichen Gestaltung der von ihm vorgelegten Bildberichte mitgewirkt hat. Im Gegensatz zu den anderen publizistischen Medien wie Zeitungen und Zeitschriften, auch dem Rundfunk, bei denen das geschriebene bzw. gesprochene Wort im Vordergrund steht, ist für die aktuelle Filmberichterstattung beim Fernsehen der Bildwert entscheidend. Das gesprochene Wort tritt dahinter in seiner Bedeutung zurück. In der erwähnten Entscheidung IV 131/51 U ist bereits anerkannt, daß selbst bei nur für Zeitungen und Zeitschriften tätigen Bildberichterstattern die zum Grundelement der Journalistik gehörende schriftstellerische Tätigkeit durch Nutzbarmachung fototechnischer Hilfsmittel teilweise ersetzt werden kann. Der Senat ist der Auffassung, daß bei einem Fernsehbildberichterstatter die textliche Mitwirkung ganz wegfallen und durch die Bildführung ersetzt werden kann, ohne daß dies zu einer Wesensänderung des journalistischen Grundcharakters dieser Tätigkeit führt. An den Grundsätzen des amtlich nicht veröffentlichten Urteils IV 234/58 vom 2. Februar 1961 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 131) hält der Senat nicht mehr fest, soweit es sich um Fälle von bei Film und Fernsehen in der aktuellen Bildberichterstattung selbständig tätigen Kameramännern handelt.
Da die Vorentscheidung mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang steht, ist sie aufzuheben. Die Sache geht unter gleichzeitiger Aufhebung der Einspruchsentscheidung zur Festsetzung der Einkommensteuer 1958 an das Finanzamt zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 411485 |
BStBl III 1965, 143 |
BFHE 1965, 398 |
BFHE 81, 398 |